Sonntagsarabesken #27

Eine Seele größer als der Ozean. Sie brandet an den Strand meiner Wahrnehmung. Sie füllt die Tiefseegräben meiner Hoffnung. Braune Nacht liegt über den glatten Wellen. Das Bestimmte ist im Zusammenhang mit ihr, dieser wundervollen Seele, immer ungewiß. Im nächsten Augenblick schon kann der Reflex eines Lichtstrahls die zerknitterte Decke zum Glitzern bringen; oder ein Sturm heranziehen, der mit brutaler Gewalt die traumberuhigten Wogenkämme auseinander reißt und aufeinander türmt. Doch zugleich zeichne ich, im Bewußtsein solcher Gefahren, aus dem Gedächtnis die Karten dieses unendlich weiten Meeres, seiner Untiefen und Sandbänke, ich wandere in Gedanken im Korallengarten ihrer Sehnsucht, die mich mit gleicher Stärke befallen hat wie sie. Es ist ein miteinander Denken, ein füreinander Denken, ein auseinander Denken. Alles zugleich. Die zum Rand des Gesichtsfeldes strebenden Partikel lösen sich auf wie Silberschaum. Blasen schlagend beruhigt sich das erhitzte Quecksilber meiner Erinnerung. Was wartet am anderen Ende dieses Ozeans? Hat er überhaupt ein Ende? Oder sind seine stolze Schönheit, seine verwirrende Vielfalt, seine bunte Vollkommenheit unendlich? Ich glaube es zu wissen. Und weiß doch nicht, was ich glauben soll. Nicht Unsicherheit ist es, die mich schwächt, sondern ständiges Nachdenken. Verloren habe ich mich in der Weite ihrer Seele. Zwischen den Wellentälern spüre ich die Schattenkälte und sehe den Horizont nicht mehr. Auf den gischtbedeckten Gipfeln aber strahlt mir warme Sonne ins Gesicht und lockt mit dottergelbem Schein. Meine Seefahrt richtet sich nach den Winden, die ihre Stimme zu mir tragen; in diese Richtung will ich den Bug lenken. An diese Küste will ich gelangen. Die Reise ist beschwerlich und riskant, aber stündlich erwarte ich das Funkeln der goldgefaßten Landspitze zu sehen. Und mit ihr die alles stillende Zufriedenheit. Das Glück hat mich hinaus in ihre Seele getrieben, die größer ist als der Ozean: Und bald werde ich wieder an Land gehen.