Puppen

Oftmals muss viel Zeit vergehen, damit Sinneswahrnehmungen zu Eindrücken werden. Noch mehr Zeit muss vergehen, wenn aus Eindrücken plastische Erinnerungen werden sollen. Werden sie neuerdings hervorgerufen, so verdichten sie sich, werden um Details ergänzt, die gefehlt haben; sie werden bunter, heller, breiter: Eindrücke, die wiederkehren, Gerüche, die wieder auftauchen, Stile, derer man sich nicht mehr bewusst war, Humor, den man vergessen hat, Farben, die ausgetauscht wurden, Gesten, deren Ablauf einem bestimmten Rythmus unterliegt, das Atmen und sein Beben, Sitzpositionen, Lachen, die Art zu gehen, Reaktionen. Lackierte Nägel.

Sie hat sich verändert. Sie ist stiller geworden, anhänglicher, sie handelt überlegter. Ihr Äußeres hat sich verändert, der Auftritt ist gleichgeblieben, jedoch klarer. Sie spricht noch immer zu sich, stimmt sich noch immer selbst zu, doch sie tut es seltener als früher. Sie hat ihrem Charakter schärfere Konturen verpasst, sie sieht die Menschen an, mit denen sie spricht – manchmal kürzer, manchmal länger, ihr entgeht allerdings nicht, welche Mimik das Gesagte begleitet. Sie freut sich dezenter, sie lacht leiser – die Hand bewegt sich noch immer zum Mund, um ihn zu verdecken.

Hat sie sich verändert? Kann es sein, dass hier die Wahrnehmung die Erinnerung blendet, kann es sein, dass Eindrücke zu sehr verdichtet wurden, kann es sein, dass sich in Wahrheit nichts getan hat? Ist es ein Schattenspiel, dessen Tuch neu ist, die Figuren aber nicht? Vom selben Puppenspieler geführt, vom gleichen Musiker begleitet? Hat sich die Sitzposition verändert? Liegt es am Umfeld?