Sonntagsarabesken #64

Ich bin mir nicht ganz sicher, sagt der Zuhörer, ob ich dich richtig verstanden habe. Deine Fragen beantwortest du für gewöhnlich selbst, und den Raum dazwischen füllst du an mit Klagen über die Erbärmlichkeit deines Lebens. Ich will das einmal glauben. Aber warum versteckst du dich dann in deinem vor allen Empfindungen abgeschirmten Winkel? Warum kommst du nicht heraus und beginnst, fröhlich zu leben. Wenn du auf der Straße spazieren gehst, siehst du dann nicht lauter schöne, freundliche Gesichter? Siehst du nicht, wie das Leben draußen pulsiert und glänzt vor Schönheit? All diese Möglichkeiten bedeuten dir offenbar nichts. Du siehst nur die eine, die du nicht haben kannst. Die eine Möglichkeit, die in Wirklichkeit keine Möglichkeit ist, weil sie dir nämlich, klipp und klar und direkt, persönlich gesagt hat, dass sie dich nicht liebt und auch nicht lieben könnte, selbst wenn sie wollte. Sie hat es dir doch gesagt, oder nicht? Na eben. Aber das scheint dir nicht zu reichen. Du scheinst es nicht einmal zu begreifen. Vergiß für eine Sekunde deinen Eigensinn! Vergiß deine Schwärmereien und deine übliche Melancholie in solchen Sachen! Sieh dir dein schwachsinniges Verhalten an! Ist das nicht zum Weinen? Du machst dich vor allen zum Narren, wirklich! Niemand nimmt dich mehr ernst. Deine Klagen und deine Wut, deine Bitten, deine Verzweiflung – sie lachen darüber. Das ist dir egal? Dein gutes Recht, ich wollte es dir nur gesagt haben. Du bist doch schon jetzt körperlich völlig erschöpft von dieser wahnsinnigen Verliebtheit! Du rennst herum wie ein Gespenst. Du heulst den Mond an. Du bist ein lebender Schatten. Komm doch endlich zur Vernunft! – Das Spiegelbild lächelt ihm zu, mit aufreizender, unerschöpflicher Geduld. Seine Stimme verändert sich. Weich und einschmeichelnd flüstert er sich selbst ins Ohr: Alles was du willst! Morgen, in Ordnung?