Reputation des Mailservers wird zum Ausschlusskriterium

Die großen Mailhoster machen es für unabhängige, von Dritten betriebene Mailserver immer schwieriger zu bestehen. Selbst wenn alle Kriterien für ein lupenreines Senderprofil erfüllt sind, schaffen die Großen auf Dauer unerträgliche Friktion in den Mailverkehr.

Wie schafft man Marktkonzentration und verhindert Konkurrenz? Zum Beispiel durch systemische Gewalt; und diese kann sich in scheinbar unauffälligen Regeln verstecken: Will man seine E-Mails beispielsweise selbst hosten und ist der Server auch noch so gut konfiguriert, können einem die großen Mailprovider wie Gmail, Yahoo Mail, Outlook, usw. trotzdem einen Strich durch die Rechnung machen, in dem sie sich auf eine Klausel ihrer Anti-Spam-Policy berufen, die die „Reputation“ des Mailservers zum Ausschlusskriterium macht.

Earlier this year I moved my personal email from Google Apps to a self-hosted server […] I’ve done this before, and this server was configured perfectly: not on any blacklists, reverse DNS set up, SPF, DKIM and DMARC policies in place, etcetera.

I had no issues sending to other servers running Postfix or Exim; SpamAssassin happily gave me a 0.0 score, but most big services and corporate mail servers were rejecting my mail, or flagging it as spam.

The standard response […] boiled down to this […]: „IPs not previously used to send email typically don’t have any reputation built up in our systems. As a result, emails from new IPs are more likely to experience deliverability issues.“

How to build a reputation for not sending spam when they’re already flagging, bouncing, or deleting my mail was unclear.

The Hostile Email Landscape, Jody Ribton

Und wozu hat das geführt? Jeder Idealismus stirbt, wenn die Substanz drunter leidet. Der Autor des verlinkten Beitrags, Jody Ribton, hostet seine E-Mails nun wieder über Google Apps.

In the end, I gave up and switched back to Google Apps. It felt like defeat. This isn’t how the internet is supposed to work. As we continue to consolidate on a few big mail services, it’s only going to become more difficult to start new servers.

RIP, freies und offenes Internet.

Aktualisierung am 26. Dezember 2020

Ich habe diesen Artikel am 26.12.2020, also 5 Jahre nach seiner Veröffentlichung, aktualisiert. Einerseits habe ich den Post von Jody Ribton etwas erweitert zitiert, da er nur noch im Web-Archive verfügbar ist, andererseits habe ich in nur 24 Stunden zwei Statements auf Twitter zum Thema E-Mail-Hosting und -Versand gelesen. Einerseits verzweifelt Christoph Rumpel über die schlechten Zustellungsoptionen seiner E-Mails, andererseits ist es nicht selten so, dass sich, wie Florian Brinkmann hier, Menschen gut fühlen, wenn sie nicht bei Office 365 oder G Suite hosten. E-Mails sind und bleiben auch 2020 ein ärgerliches Mysterium, das auf eine massive Zentralisierung zuläuft.

Aktualisierung am 2. April 2023

In einem verzweifelten Beitrag mit dem schmissigen Titel „Gmail is breaking email“ berichtet Greg Fawcett über massive Verzögerungen im Fluss der von seinem Server generierten/abgesendeten E-Mails in Richtung Gmail. Die E-Mails werden durch Rate-Limits, also einer Art künstlicher Verzögerung der Zustellung, eine Maßnahme, übrigens, die man normalerweise nur bei auffälligen Massensendungen (Spam) einsetzt, mehrere Stunden nach dem Sendezeitpunkt erst zugestellt. Aber damit ist es nicht getan.

This rate-limiting issue is not the only thorn in the side of email server admins. If you search the forums, you’ll come across hundreds of reports of the big three email providers (Google, Microsoft and Yahoo) making email delivery so difficult that independant [sic!] email servers are becoming untenable – keeping messages flowing is just too hard. […] And this is happening after SPF, DKIM and DMARC provided a solution to the spam problem. […] I really hope I can write a follow-up saying that fixing the rate-limiting problem proves that Gmail is still committed to the open email standard. The alternative is that email will be subsumed into giant corporation’s proprietary systems, and the wonderfully open and extensible message service we’ve enjoyed since the dawn of the internet will be gone.

Greg Fawcett

Das Medium E-Mail ist eine der letzten Bastionen, die noch nicht von den wenigen Mailhosting-Providern überrannt wurde. Aber sie vergiften den Boden rundherum und früher oder später melden sich die ersten User:innen und verlangen nach erfolgreicher und verzögerungsfreier Zustellung, egal, was das auf Dauer für Implikationen haben wird.