COVID-19, Tag 411: Virus ist Politik

Dienstag, 27. April 2021, Tag 411 der Corona-Pandemie. Vielleicht wundert sich ja jemand, warum es hier, in der COVID-19-Rubrik, häufig, wenn nicht immer, um Politik oder zumindest um politische Akteure geht. Dazu will ich heute nur auf einen kurzen Twitter-Thread verweisen, der aber gerade deswegen umso lesenswerter ist, weil in ihm der Zusammenhang zwischen Virus und Politik klar dargestellt wird.

Ein Virus hat keinen eigenen Stoffwechsel, es kann nicht denken. Biologisch gilt es nicht wirklich als lebendig. Es verhält sich nach klaren Regeln […], es verhält sich vorhersehbar […]. Das ist kein strategischer Gegner. […] Wenn wir wollen ist das Ding platt. Die Regeln sind klar, wie es geht ist klar, wehren kann es sich nicht.

Der wahre Gegner sitzt woanders. Andere Menschen. Durchseucher gegen Eindämmer. Wirtschaft gegen Gesundheit. Lockern gegen Lockdown. Nicht alles echte Gegensätze, aber alles verhärtete Positionen.

Die Politik versagt nicht gegen das Virus. Die Politik versagt auf eigenem Gebiet, sie schaff[t] es nicht, ein Ziel, eine Richtung zu formulieren. Noch nicht mal ein Ziel. Von den Maßnahmen und Umsetzung rede ich noch gar nicht. […] Die Politik versagt bei ihrer ureigensten Aufgabe: In einer Demokratie aus vielen Stimmen eine Richtung zu ermitteln.

Florian Kuhnke auf Twitter (hier stark gekürzt)

Sicherlich müssen wir auch etwas beitragen, aber im Grunde genommen bleibt es dann doch wieder an denen, die die Motivation, etwas beizutragen, verstärken oder eben abschwächen können. Und wenn die Öffnung im Mai mit sprachlichen Bildern von „Freiheit“, „Aufatmen“, „Endlich wieder“ und so weiter begleitet wird, dann ist es genau das, was ich kritisiere. Warum? Weil der Lockdown – eine Regulierung – die effektivste Schutzmaßnahme für die Bevölkerung und keine willkürliche Aktion gegen sie ist.

Den Lockdown als Maßnahme gegen die Bevölkerung darzustellen, bedeutet, einen Standpunkt einzunehmen, der einem Wert – hier höchst spezifisch dem Wert Gesundheit – eine nur untergeordnete Rolle zuweist. Der Linguist und Kognitionswissenschaftler George Lakoff hat 2017 – damals in Bezug auf ein Versprechen von Donald Trump, so viele Regulierungen wie möglich abzuschaffen – bereits darauf hingewiesen, dass Regulierungen die Manifestation des politischen Willens sind, die Bevölkerung zu schützen. Und wir jubeln nun, dass eben dieser Schutz aufgehoben wird.

Klar: „Aber die Wirtschaft!“, Gastgarten und so weiter. Nur: Wer krank ist, hat nichts davon. Und mit Stand 26.4.2021 haben 10.098 Personen nie wieder etwas davon.