Pixel Art ist digitale Nostalgie und Enttäuschung

Kyle Chayka im New Yorker über die erste Welle digitaler Nostalgie: Pixel Art. Liest man darüber und verliert sich nicht darin, so wird schnell klar, dass es bei diesem Revival einer durch technologische Einschränkungen bedingten Ästhetik weniger um die abstrakte Wertschätzung einer Form von Kunst geht, sondern mehr um eine Ausdrucksform digitaler Nostalgie und der damit verbundenen Enttäuschung über die Gegenwart.

Das nostalgische Momentum ereilt die meisten Betrachter von Pixel Art sehr rasch und die Kunstform selbst spielt mit dem Bewusstsein darüber. (Mehr Referenz auf die Ursprünge der Kunstform, eingebettet in ein Computerspiel, auch das eine Referenz auf ihr ursprünglichstes Transportmedium, wie es zum Beispiel im Trailer zum Computerspiel 198X geschieht, geht fast nicht mehr.)

Pixel art is an intentionally rudimentary graphic style based on the capabilities of vintage computing. […] the early restrictions established the visual vocabulary for a generation of video games: an evocative simplicity. […] Looking at [pixel art images], I felt my own pangs of nostalgia—they brought me back to playing Pokémon on a Game Boy in the back seat of my parents’ car, during road trips around the turn of the millennium. I would start a new game each time and see how far I could get. At a time before hyperrealistic 3-D graphics and screen overexposure, the desaturated pixels were innocently entrancing, an immersive other world.

Pokémon and the First Wave of Digital Nostalgia

Der zweite Aspekt ist nicht ganz so augenscheinlich und macht sich erst bemerkbar, wenn Erinnerungs- und Reflexionsprozesse über die Vergangenheit einsetzen und die nie ausgesprochene, ja vielleicht sogar nie klar formulierte, in der Aufbruchsstimmung einer digitalen Ära jedenfalls aber hoffnungsvolle Erwartungshaltung auf das Ergebnis einer Bewusstwerdung über die Gegenwart trifft: Enttäuschung.

Nostalgia is partly a response to disappointment with the present. For many people, the earlier era of the Internet represents a time when they still had power over their digital lives, before they became dependent upon the repetitive templates, inhuman scale, and turbocharged content feeds offered by the likes of Facebook, Instagram, Twitter, and TikTok. […] The revival of pixel art may be a quest for the kind of variety and texture that massive social-media networks have gradually banished, a harkening back to a messier, more human moment in our digital lives.

Ein chaotischerer, unordentlicherer, und somit menschlicherer Moment in unseren digitalen Leben? Dieses Chaos tut gut! Ich habe das selbst vor ein paar Jahren mit meiner Website durchlebt und sie einige Zeit lang mit dem Nineteen Eighty Five-Theme betrieben. Wenn ich jetzt, fast genau drei Jahre, nachdem das Theme veröffentlicht wurde, im Statement der Entwickler lese, dass sie einfach etwas, das langweilig war, in etwas, das Spaß macht, umwandeln wollten, dann fokussiere ich heute beim Lesen auf ihre Bewertung des Gegenwärtigen als langweilig und sehe in diesem Statement nichts anderes als einen Ausdruck von Enttäuschung.

Ich bin neugierig und gespannt darauf, wohin die Enttäuschung der nächsten, übernächsten und überübernächsten Revivals der Ästhetik der Neunziger-, Nuller- und Zehnerjahre führen wird, welche Formen des Ausdrucks und der digitalen Nostalgie diese Generationen vorbringen, wie sie damit umgehen und wie sie sie interpretieren werden. Pixel Art ist schon eine sehr intime und in meinen Augen vor allem eine an bestimmte Generationen gebundene Form des Ausdrucks digitaler Nostalgie. Sie ist in den seltensten Fällen teuer (NFT-fads ausgenommen) und behält dadurch ihren unschätzbaren Wert: das Wiederaufleben der Erinnerung.

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