Was ich vor einiger Zeit erwähnt habe, scheint tatsächlich ein Thema zu sein: Apps, ja, die Programme, die man auf eine Smartphone installiert, sind aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet, ein Problem. Apps wirken negativ auf das freie und offene Internet, geben ihren Herstellern weit mehr Zugriffe auf die Daten derer, die diese Apps installieren und sind – meistens, zumindest – teuer und unnötig.
Die Technik hat sich weiterentwickelt und Browser sind mittlerweile so leistungsfähig geworden, dass die meisten Gründe, die noch vor 10, 15 Jahren für eine App gesprochen haben, hinfällig sind. Wenn man sich ansieht, wohin sich das Konzept einer App entwickelt hat (Spoiler: es ist nur noch Marketing in jeder Stufe der User Journey), ums mehr.
Remember when every company rushed to make an app? Airlines, restaurants, even your local coffee shop. Back then, it made some sense. Browsers weren’t as powerful, and apps had unique features like notifications and offline access. But fast-forward to today, and browsers can do all that. Yet businesses still push native apps as if it’s 2010, and we’re left downloading apps for things that should just work on the web. […] Native apps are a pain for everyone involved. Developers pay hefty app store fees, jump through approval hoops, and juggle multiple platform versions. Users? We’re stuck with constant updates, wasted storage space, and apps that don’t even work on all our devices. […] Yes, native apps still have their place, like video/image editing where it’s better for working with local files. But these are niche use cases. For most situations, web apps have caught up. They’re faster, more flexible, and work seamlessly across devices. Native apps? Not so much.
P. Martin Ortiz
Und es gibt natürlich noch einen anderen Aspekt, der den Wechsel zurück in eine Zeit ohne all die vielen unnötigen Apps ermöglichen würde, blockiert: die Hersteller der verschiedenen App Stores. Auch sie würden Kontrollverluste erleiden, auch sie würden ihre dominante Rolle als Gatekeeper aufgeben müssen. Vor allem aber würden sie im Falle von Bezahl-Apps ganz einfach die App-Store-Steuer verlieren, die jede App in irgendeiner Form abführen muss. Und wen man auch nicht vergessen darf: Hersteller von Apps, die ein ganz besonderes Interesse an Daten haben, die ein gut gesicherter Browser niemals ausliefern würde. Auch sie blockieren so gut als möglich die fortschrittlichere Technologie.
Google, Apple, and other app store giants aren’t going to give up their cash cow without a fight. But as web apps continue to grow, their dominance will diminish. It’s not a question of if, but when. […] Some companies push for app installations because they gain access to more permissions than they would in the browser. Apps allow them to collect more data and track user activity, often under the pretense of a better experience. They’d much rather escape the safety of the browser where you get more control and transparency over these permissions.
P. Martin Ortiz
Besonders der letzte Aspekt, die teils unverschämten Berechtigungen, nach denen Apps fragen und die wir bedenkenlos freigeben, damit eine App funktioniert, kann Aufruhr verursachen, wenn der Hersteller eines Browsers – und eben nicht einer App – sie anfordert. Matt Birchler berichtet, P. Martin Ortiz‘ Artikel zitierend, über den Aufschrei, den Google diesbezüglich erleben musste. Interessant ist hier der Aspekt, dass der Aufschrei nur stattfand, weil ein Browser (!) Berechtigungen für den Zugriff auf Systemeinstellungen wollte. Bei einer App hätte niemand ein zweites Mal darüber nachgedacht, sondern mit einem genervten Klick/Tap alle Berechtigungen erteilt.
There was great consternation a few months back about how Google had put a function in Chrome that let Google websites access some system information around what type of hardware the user was using. This was read as an outrage by some, and as evidence that the web wasn’t safe, but my takeaway was the exact opposite — this was a clear example of native apps have access to so much information about the user. […] The Chrome controversy wasn’t about how the web is unsafe, it was about how when websites get the access native apps have, people freak out.
Matt Birchler
Und weiter, noch einmal etwas mehr verdeutlicht, was es bedeuten würde, wäre die ganze Sache im Rahmen der Installation einer App – und eben nicht eines Browsers – erfolgt. Der Browser ist momentan noch die einzige (Sonderform einer) App, die so granulare Datenschutz- und Privatsphäre-Einstellungen ermöglicht. Ein weiterer Grund, also, der gegen unnötige Apps spricht.
It’s also very much worth noting that the web is the only platform that truly gives users any control over their data and their experience. If this blog was an app like Apple News, I could force you to see an ad (or many ads) whenever you read an article here and there would be nothing you could do about it. […] With an app you’d be stuck, but in the browser you can block ads, you can customize the font (and more) with plugins or your own custom stylesheets, and you can translate the whole site to whatever you want.
Matt Birchler
Was man natürlich in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen darf: Auch Cookie Consent Tools (aka Cookiebanner), so sehr sie auch nerven, sind eine Methode, um die Besucherinnen und Besuchern von Websites, je nach Browsereinstellung, jedes Mal danach zu fragen, ob sie dem Betreiber einer Website bestimmte Rechte einräumen, Messungen durchzuführen, Inhalte und Technologien von hier oder dort zu laden, und, und, und – alles Anfragen für Freigaben, die eine App bei der Installation durch einmaliges Akzeptieren der Nutzungsbedingungen im Hintergrund erhält. Man braucht sich nur vorzustellen, wie es wäre, wenn gerade diejenigen, die von Datenschutz schwafeln, gleichzeitig aber etliche Screens voller Apps auf ihrem Smartphone installiert haben, beim Start einer jeden solchen App jedes Mal nach den Berechtigungen gefragt werden würden, die sie auf Websites, die sie aufsuchen, immer ablehnen.
Aber es gibt noch einen anderen Aspekt, den man nicht unterschätzen darf. Nämlich den der Discoverability in App Stores. Ich habe mich vor langer Zeit einmal mit einem Kollegen unterhalten, der mir (sehr zu meinem Erstaunen) mitgeteilt hat, grundsätzlich (!) zuerst nach der App eines Herstellers zu suchen, bevor er im Web nach der Website eines Herstellers sucht. Das ist vielleicht ein etwas extremer Zugang, zeigt aber, dass es Menschen gibt, die auch so denken. Dass das Web nicht immer der Startpunkt einer jeden Suche sein muss – ich denke hier an visuelle Medien und besonders an Instagram, das sich zu einem auf Fotos basierenden Informationsnetzwerk entwickelt hat – ist mittlerweile nicht unüblich, dass aber ein App Store de facto eine Web-Suche ersetzt, ist dann schon ein heftiges Stück, bestätigt aber ein Argument des oben zitierten P. Martin Ortiz, der in Zusammenhang mit App Stores auf das dahinter steckende Marketing hinweist.
And don’t let anyone tell you the App Store solves discoverability. Apps aren’t “discovered” there; they’re marketed through ads, SEO, or word-of-mouth—just like websites. So why go through the extra hassle?
P. Martin Ortiz
In anderen Worten: Wer anstelle von Websites auf Apps setzt, verzichtet freiwillig auf die – wenn auch geringe – Möglichkeit, organische Suchergebnisse in Suchmaschinen zu erhalten und setzt sich ausschließlich dem Marketing und den Discovery-Algorithmen von App Stores aus. In noch einfachereren Worten: Wer Apps (statt Websites) nutzt, entdeckt sie nicht, sondern fällt auf Werbung herein findet sie durch geschicktes Marketing.
Wenn ich mir also nun ansehe, was Apps alles so anstellen, wie man an sie herankommt bzw. wie man sie findet, welche Datenschutzprobleme im Finden und in der Nutzung einhergehen und wie teuer und oft unnötig sie eigentlich sind, und wenn ich mir ansehe, wieviele Apps ich auf meinem Handy installiert und ihnen somit wohl auch weitreichende Nutzungsrechte für meine vom Handy generierten oder dort gespeicherten Daten gegeben habe, und wenn ich mir dann vergegenwärtige, wie selten ich diese Apps eigentlich nutze, dann bemerke ich, wie sich meine Einstellung zu Apps statt Web ändert; und zwar ganz im Sinne von P. Martin Ortiz, dessen Hauptargument ja ist: Warum muss es eine App sein, wenn es eine Website mittlerweile genauso gut kann?
Und ja, viele Websites sind Müll. Aber wendet man dieselben Bewertungskriterien auch auf Apps an, dann kommt man schnell zur Erkenntnis, dass auch viele – sehr viele – Apps ebenso Müll sind.
Wenn (falls) eine Website so gut gemacht ist wie eine App, und häufig wird meines Empfindens die App bevorzugt entwickelt, dann gibt es nur noch einen einzigen Grund, der für eine App spricht: Push-Mitteilungen. Während Web-Apps das, zumindest auf dem iPhone, zwar auch beherrschen, ist deren „Installation“ fast niemandem bekannt.
All das spricht für deinen Text, denn es wäre leicht zu ändern: Unternehmen bieten bessere Webseiten an, Web-Apps werden besser beworben. Nur haben viele Akteure eben mehr davon, Apps anzubieten.
…und gerade der letzte Teil – mehr davon haben, die nicht ganz so tolle, vor allem aber nicht ganz so fortschrittlich entwickelte und oft unnötige Technologie zu verwenden – stimmt.
Ich vermute, ein gewisser Vorteil von Apps gegenüber Websites ist, dass eine einmal installierte App auf Jahre hinweg quasi eine kleine Werbetafel am Smartphone des Benutzers ist – dem Gerät, das gerne auch zum kurzen Zeitvertreib genutzt wird. Da kann es schon mal vorkommen, dass man die App eines Händlers, die man nur der virtuellen Kundenkarte wegen heruntergeladen hatte, öffnet, spontan ein bisserl stöbert und womöglich auch gleich einen Impulskauf tätigt.
Klar, das meiste davon ginge auch mit Web-Apps. Ein paar technische Aspekte gibt’s aber. Wenn etwa der Kunde im echten Laden bei einer Kassa tief drinnen im Gebäude steht, einen Strichcode für ein Angebot (oder eine virtuelle Kundenkarte) scannen lassen möchte und keine ausreichend gute Internetverbindung hat, dann gerät das schnell zum Ärgernis für Kunden und Personal.
Ist natürlich richtig. Soweit ich das aber beurteilen kann, können Web-Apps auch viel schon offline erledigen. Ich glaube, das ist ja auch der Punkt, den P. Martin Ortiz macht: Die (Web-) Apps müssen schon richtig gut gemacht sein, damit sie „normale“ Apps ersetzen können. Da das aber nicht der Fall ist, gibt es halt eben auch den Umkehrschluss.
Aber der Werbeaspekt ist natürlich nicht zu unterschätzen. Ich muss mal direkt nachschauen, ob es dazu Literatur oder Quellen zur Wirksamkeit der Präsenz von Apps gibt. Das interessiert mich jetzt. Danke!!