Instagram ist ein auf Fotos basierendes Lokal-Internet

Instagram ist ein auf Fotos basierendes Lokal-Internet, das in meinen Augen deshalb häufiger genutzt wird (als eine reguläre Website), weil es einerseits von Anfang an für die Nutzung auf mobilen Endgeräten konzipiert wurde, und andererseits - festhalten! - komplizierter ist.

Om Malik sieht Instagram als (Foto-) Informationsnetzwerk an, auf dem es soetwas wie „Websites“ gibt, die ihre Informationen anstatt in Form von Text und Bild in Form von Texten auf Bildern (oder Videos) transportieren. Ich kann Om Maliks Gedanken nachvollziehen und habe auch vor kurzem erst festgestellt, dass sich Instagram – weit weg von der ursprünglichen Intention der Plattform, mehr oder weniger dem artistischen Austausch fotografischen Materials zu dienen – zu einer Art Lokal-Internet (mir gefällt der Ausdruck, weil er die notwendige Doppeldeutigkeit in sich trägt) entwickelt hat.

Jedes Lokal in meiner Umgebung – und ich denke, dieser Satz gilt in vielen Regionen der Welt – veröffentlicht Neuigkeiten, Aktionen, Promotions usw. eher auf Instagram als auf der eigenen Website. „Da kann man besser gestalten, das sieht besser aus,“ hört man als Argumente. „Es geht einfacher“ ist aber wohl das einzig gültige, da sich diejenigen, die die Neuigkeiten veröffentlichen, oft mit ihrem Handy und weniger oft mit ihrem Content Management System beschäftigen.

Das geht so weit, dass viele Unternehmen mittlerweile den größten Fehler machen und ihr Instagram-Profil als „ihre Website“ angeben.

When I went to see the Manila Pen Show’s website, every single one of the exhibitors was linked not to their website but to Instagram. […] I realized that almost all […] shirt makers, shoemakers, and others announce their trunk shows and new products on Instagram. And so do others who have something to say, sell, or shill. […] I took a walk down to my new favorite coffee pop-up […] and realized that even they use Instagram to announce their special events, new coffees, and opening and closing times. And so does every other coffee shop or restaurant. […] Instagram has gone from being “a photography community” to being a “visual information network.”

Om Malik

Instagram wird also zum Lokal-Internet im Internet? Zu einem auf Fotos basierenden Informationsnetzwerk? Ich kann das bestätigen und auch Om Maliks Gedanken in Bezug auf Fotos als auf den ersten Blick ungeeignetes, auf den zweiten dann aber als umso besser geeignetes Medium, nachvollziehen.

Photos and videos are increasingly used for informational reasons rather than just for pure aesthetic and artistic purposes. You can do a much better job of selling yourself with images and videos. I mean, coffee looks more enticing when being made and showcased on video. The same goes for liquid nitrogen being poured over some deconstructed fish or whatever. Everyone is advertising everything. The idea of getting people to see, engage, and appreciate your still images feels so quaint in 2025.

Om Malik

Es ist schon eine verrückte Sache: Da reißen sich hunderttausende Web-Developer, Screendesigner und auf User Experience spezialisierte Menschen über Jahre hinweg den A… auf, um Websites responsive zu gestalten, also sowohl auf mobilen als auch auf stationären Endgeräten gut darstellbar, Google ändert sogar seinen Bewertungsalgorithmus, um eben nur noch diese mobile Darstellung zu berücksichtigen, die Technik biegt und bäugt sich, um alles für die Darstellung auf Smartphones zu optimieren, ja sogar die Hersteller von Schriftarten optimieren ihre Produkte – nur, um dann mit Menschen konfrontiert zu werden, die es offenbar als leichter und weniger umständlich ansehen, perfekt auf die Darstellungsgröße einer (bestimmten) App angepasste Bilder und Videos zu generieren, die sie dann für die Informationsweitergabe (auf Instagram) nutzen.

Ich denke – und sehe das auch bei Menschen, mit denen ich zusammenarbeite -, dass es viel mehr Menschen schwer fällt, das Konzept eines responsiven Layouts zu verstehen, als wir annehmen. Auch hier sind wir internetaffine und hochgradig spezialisierte Webworker mit unseren Vorstellungen über die Wahrnehmung des Internets durch die Menschen da draußen mit nur noch sehr wenig Bodenhaftung ausgestattet. Es scheint, als ob selbst ein so (mittlerweile) altes Konzept wie Responsivität bei vielen nicht in ein funktionierendes, mentales Modell überführt werden kann. Heute noch bin ich bei (online) sehr erfolgreichen Websites mit Pages im Content Management System konfrontiert, die so konstruiert wurden, dass Elemente je nach Bildschirmbreite ein- und ausgeblendet werden, anstatt responsive genutzt (d.h. das Element wird so genutzt und konfiguriert, dass es möglich ist, mit nur einem Element alle Bildschirmgrößen zu bedienen). Das ist ineffizient, unnötig und in meinen Augen sehr kompliziert, aber es passiert so häufig, dass ich es mehr und mehr als Problem ansehe, das unlösbar zu sein scheint.

Und ja, es ist sogar noch schlimmer: Wenn ich nämlich mit denjenigen, die solche Seiten erstellt haben, ins Gespräch komme und sie darauf hinweise, dass sie sich hier unnötig viel Arbeit antun – oftmals verkleinern sie sogar Bilder in ihren lokal installierten Bildbearbeitungsprogrammen oder mit Canva, „damit die am Handy passen“ -, weil dieses und jenes Problem automatisch gelöst wird, wenn man die Dinge nur mit den richtigen Layoutelementen anordnet, merke ich, dass sie zwar über die positive Nachricht, dass es eben leichter geht, erfreut, ja, geradezu begeistert sind, aber es dann doch nicht schaffen, zu begreifen, wie ein Bild plötzlich kleiner werden kann, wenn man seine Breite zum Beispiel in Prozent angibt oder nur auf ein festes Seitenverhältnis in einem die Größe bestimmenden Rahmen setzt. Ja, es ist so. Herrje, allein das – Seitenverhältnis und Bilddateigröße – ist ein Thema, das so wenige begreifen!

Ich komme nicht dahinter, wieso das ein so dermaßen großes Problem ist. Wie viel einfacher kann es sein als: „Lade ein Bild hoch und das System kümmert sich dann um die richtige Darstellung. Da musst nur diesen oder jenen Block wählen.“

Ich weigere mich akzeptieren zu wollen, dass so eine Beschreibung einfacher zu verstehen ist:

Wenn du ein Foto mit einer Breite zwischen 320 und 1.080 Pixeln teilst, speichern wir dieses Foto in der ursprünglichen Auflösung, sofern das Seitenverhältnis zwischen 1,91:1 und 4:5 liegt, also sofern das Foto bei einer Breite von 1.080 Pixeln eine Höhe zwischen 566 und 1.350 Pixeln aufweist. Wenn das Seitenverhältnis deines Fotos nicht unterstützt wird, wird das Foto auf ein unterstütztes Seitenverhältnis zugeschnitten. Wenn du ein Foto mit einer geringeren Auflösung teilst, vergrößern wir es auf eine Breite von 320 Pixeln. Wenn du ein Foto mit einer höheren Auflösung teilst, verkleinern wir es auf eine Breite von 1.080 Pixeln.

Instagram

Aber offenbar ist es so und jeder lokale Coffeeshop, jedes Restaurant, jedes Pop-Up, jeder Kulturbetrieb empfindet es als einfacher, auf einer fix definierten Leinwandgröße zu arbeiten und dort seine Nachrichten aufzudrucken als es in ein System zu tippen, das dafür sorgt, dass diese Nachricht wirklich überall (und, das darf man nicht vergessen: für jede und jeden) gut zu lesen ist.

Also ja, Instagram is nun zu einem auf Fotos basierenden Informationsnetzwerk geworden, ob wir wollen oder nicht. Ja, die Dinge, die mich unmittelbar interessieren, finde ich nicht mehr „im Web“, sondern „auf Instragram“. Erst, wenn ich mich der Recherche widme, wenn ich tiefergehend in die Materie eindringen will, greife ich auf das Medium zurück, das eigentlich dafür da gewesen wäre, Information zu transportieren: die eigene Website (eines Unternehmens).

Und ganz allgemein: Oft, und immer öfter, ist es offenbar so, dass eine klare Vorgabe, auch wenn sie kompliziert ist, besser angenommen wird und zu weniger Problemen führt als ein deutlich mehr Freiheiten bietendes, aber schwieriger nachzuvollziehendes Modell. Also bleibt die Frage, „wie groß soll mein Bild für die Website sein“ (leider, leider, leider) berechtigt.

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