Vinay Hiremath, Mitgründer von Loom, das für knapp eine Milliarde USD von Atlassian gekauft wurde, durchlebt eine existentielle Krise auf einem sehr großen Geldpolster: Er ist reich und hat keine Idee, was er mit seinem Leben anfangen soll, so auch der Titel seines Blogbeitrags.
After selling my company, I find myself in the totally un-relatable position of never having to work again. Everything feels like a side quest, but not in an inspiring way. I don’t have the same base desires driving me to make money or gain status. I have infinite freedom, yet I don’t know what to do with it, and, honestly, I’m not the most optimistic about life. […] What is the point of money if it not for freedom? […] I traveled to many beautiful places with my loving and supportive (ex) girlfriend. […] We started getting into regular arguments, and I knew it wasn’t on her. It was me. I was starting to come to terms with all the mounting insecurities I had stuffed down over the past several years. I didn’t feel like I could work on them with her. So I broke things off after almost 2 years of unconditional love. It was extremely painful, but it was the right call. I needed to fully face myself.
Vinay Hiremath
Aus dem Blogbeitrag geht hervor, das Vinay seine Freundin verlassen hat, eine Roboterfirma starten und irgendeinen Berg in den Himalayas besteigen wollte, für Elon Musks DOGE gearbeitet hat und nun in Hawaii Physik studiert. Das klingt alles genauso chaotisch, wie es chaotisch ist. Und Vinays Artikel endet mit vielen Fragen.
Why did I need to do the absolute most to reach this point? Why couldn’t I just leave Loom and say “I don’t know what I want to do next”? Why do I feel the need to only be on a journey if it’s grand? What is wrong with being insignificant Why is letting people down so hard? I don’t know. But I’m going to find out.
Vinay Hiremath
Wenn ich mir die Ratschläge ansehe, die Vinay Hiremath auf sein X-Posting, in dem er seinen Artikel ankündigt, bekommt, dann erfüllt das genau, was ich mir vorstelle, dass man als Ratschläge auf solche Beiträge bekommt: Primär Esoterik, ein paar Life-Coaching-Kurse, fast schon wie Religion anmutende Ratschläge und viel sonstige Scharlatanerie, die einen absolut nicht weiterbringt. Nicht minder interessant ist aber, was nun mit ihm passieren wird: Aus seinen Reaktionen auf die Antworten und Vorschläge (auf X) ergibt sich jetzt schon ein, wenn auch noch unscharfes, Bild, das erahnen lässt, wohin die Reise gehen wird. Verschwörungstheoretische Zugänge lehnt er nicht ab, sondern verspricht, sich damit zu befassen; esoterische Zugänge sind prinzipiell in Ordnung; ja selbst religiös angehauchte Vorschläge, wie er sein Leben (und seinen Reichtum) gestalten und – und jetzt kommt’s! – in wessen Dienst er es (und ihn) stellen könnte, wischt er nicht weg, sondern hört zu bzw. liest mit.
Ihnen – den religiösen Zugängen, nämlich – gebe ich die größte Chance für einen Durchbruch bei Vinay Hiremath. Religionen arbeiten mit einem seit Jahrtausenden bewährten Konzept, das sich auch bei Reichen oder Superreichen, wenn auch nicht unter dem Namen „Religion“, so doch in seiner Wirkmacht und in seinem Charakter dem Wesen nach gleich, problemlos einbettet und sie praktisch immer erfolgreich in ihre Dienste spannt. Herrje, es gibt sogar ganze Länder, die die Wirkmacht von Religion zu spüren bekommen, und ganze Familien, die sich solcherlei Ideen unterworfen und verschrieben haben. Vielleicht ist es ja eine dem Reichtum innewohnende Eigenschaft, sich religiösen Ideen zu widmen, wenn einmal die Grundbedürfnisse für den Zeitraum eines Menschenlebens gedeckt sind?
Ein ähnliches Problem, darauf geht er auch in seinem Blogbeitrag ein, sehe ich übrigens auch bei Menschen, die gerne und viel gearbeitet haben. Wenn sie einmal in Pension gehen, fällt die Motivation zu leben, aus. Da wird schnell klar, dass alles, was sie in der Früh motiviert hat, aufzustehen, weggefallen ist. Viele, leider sehr viele in meinem Bekanntenkreis, sind mit der Pensionierung in entweder eine Depression gefallen oder sie haben relativ bald schon Krankheiten entwickelt, die sie in einigen Fällen sogar das Leben gekostet haben. Und Vinay beschreibt dieses Gefühl, nun nicht mehr einem Plan folgen zu können, nicht mehr motiviert zu sein, ein Produkt – Loom, nämlich – zu verbessern, quasi wie eine Leere, gegen die er ankämpft und die stark mitverantwortlich für seine Krise ist, nun nicht mehr zu wissen, was er tun soll. Wäre Vinay älter, er würde sehr wahrscheinlich in diesen Pensionsschock verfallen, den ich eben beschrieben habe.
Wir werden ja sehen, was aus Vinay Hiremath wird.