Zwei Schatten tanzen an den sonnendurchglühten Sandsteinquadern der Hausfassade entlang. In kreiselnden, vorwärts drängenden, dann wieder zögernden, innehaltenden, vom Anderen trinkenden, sich ineinander verlierenden Bewegungen, die flüchtige Linien aus Sternenstaub zu ziehen scheinen. Mit einem Mal lösen sich die schlecht geklebten Schichten der verlorenen Zeit unter der Sommerhitze von einander ab, eine träge kriechende Flut unverdauter Bilder aus ihren Eingeweiden entlassend: Zu einer Musik, die weder Anfang noch Ende, weder Ausgangspunkt noch Ziel hat, beginnt die wilde Jagd, unter den schlanken Spitzbögen katalanischer Kreuzgänge hindurch, die doch nichts anderes sind als schnell angewinkelte Frauenschenkel, an den schimmernden Flecken reifer Orangen vorbei, die sich von einem Augenblick auf den nächsten, von großen schwarzen Löchern perforiert, zu dunkelroten Glühwürmchenlampen wandeln, eine Metamorphose des Sehens, des Fühlens, die den Geruch blonden Haares evoziert, das sich unter heftig fallendem Gewitterregen verdunkelt und doch nie anders gewesen sein kann, genaugenommen, so als habe es den Regen nie gegeben; die Nächte vergehen in rasender Eile und werden zu Tagen, zu Tagen voll fröhlicher Gespräche und tieftrauriger Begegnungen, zu langen Kaffeehausstunden, zu Momenten römischer Ausgelassenheit, den Straßenrand entlang tanzend, sich kreuzend mit dem unmerklichen Vergehen flüchtiger Stunden in halb gefüllten Zugwaggons, Spiegelungen im Fenster betrachtend und an Spiele und Blütenräusche der Kindheit denkend. Dann wieder: Gedämpftes Licht, eine Wohnung, irgendeine Wohnung, zweiter Stock, mit Lift, erneut Musik, von einer kratzenden Schallplatte, und eine rauchige Männerstimme, die unzusammenhängende Laute artikuliert; die Angst vor dem Alleinesein paart sich mit dem Wissen um eine andere, eine weit entfernte Welt, deren Zentrum auch das eigene ist, nur plötzlich exzentrisch geworden, aus der Umlaufbahn verschwunden, die Trabanten verdutzt auf der Stelle tretend zurückgelassen habend. Eine Katze aus Porzellan. Wie lächerlich. Und doch: Ein Leuchtfeuer, das aus dem Labyrinth der Erinnerungen herauszuführen scheint, hinüber in die Gegenwart der Sandsteinfassaden, der heißen Tage und kältedurchzuckten Abende, des unendlichen Wartens auf Dich, die Geliebte, des an die weiße Wand Starrens und Hoffens, des sich fallen Lassens in die Wolke einer oft gehörten Melodie. Ich bewege mich nicht. Ich denke an Dich. Es wird keine geben, die dir ähnelt, keine mit deiner Haut oder deiner Stimme. Deine Haut – vom Mond benetzte Magnolie. Deine Stimme – von der Liebe angewärmtes Rauschen. Es wird keine geben, die dir ähnelt, sie starben alle in dem Moment deines Abschieds.