Sonntagsarabesken #41

Geschwindigkeit. Unter einem fleischfarbenen Himmel dehnen sich bewaldete Hügel, und gekühltes Bier in Flaschen rollt durch den Kofferraum. Wohin auch immer die Reise geht: Der schlechte Geschmack früherer Ungewißheit liegt hinter mir. Der Unterschied ist einfach; erklären läßt er sich allerdings kaum (nur unzulänglich, mit den Worten, die uns zur Verfügung stehen). Der Asphalt der Straße ist feucht. Regenwolken sind vorbeigezogen, auf dem Weg nach Ungarn oder weiß Gott wohin. Auf den Satellitenbildern ballen sich Wolken über dem Schwarzen Meer. Und in Afghanistan tobt ein Sturm, während die Glut der letzten, ganz speziellen Zigarette mich aus dem Rückspiegel anlächelt. Die Atmung auf unendlich gestellt. Mechanisch bewegen sich die Füße zwischen den Pedalen. Das Mädchen murmelt etwas vom Beifahrersitz. Ich drehe die Musik lauter. Wellenrauschen. Warum dreht sich immer alles nur um die einfachsten Formeln? Essen, verdauen, vögeln, schlafen, essen… Müdigkeit macht sich in mir breit, wenn ich nur daran denke. Wir fahren ins Paradies, sagt sie und dehnt die Schultern. Wir fahren ins Waldviertel, gebe ich trocken zurück. Das soll das Paradies sein? Eher die Vorhölle, denke ich. Tatsächlich. Wir fahren dort hin. Wieder sehe ich die Tiefdruckzonen über Costanza und die Wolkenwirbel bei Budapest; ich sehe, wie sich irgendwo hinter den samtbezogenen Hügeln das Wetter verändert, wie es wächst, sich zusammenzieht und unter heißen Tränen stirbt; wie es wiedergeboren wird, weit draußen über dem Atlantik, und seine ziellosen Reisen von neuem beginnt; wie es lebt. Es ist ein melancholisches Bild, ein Luxus, den ich mir eigentlich nicht leisten dürfte. Menschen stehen am Straßenrand und pflücken Kirschen von den Bäumen. In feinen Sprühnebel gehüllt jagen wir an ihnen vorbei. Die Bässe geben mir einen Stich in die Eingeweide. Vielleicht sind es auch die Erinnerungen. Warum entziffere ich meine Träume bloß so langsam? Der Wagen zieht in die nächste Kurve. Der Sommer wird vorbeigehen, denke ich, ertrinken in einem Regenschwall, der von Westen kommt, auf dem Weg nach Sofia. Das wird dann alles gewesen sein. Tote Blüten und zerkautes Kirschenfleisch. Der letzte Zug gibt mir den Rest. Meine Stimmung zerfällt mit der Asche, während sich Hitze zwischen meinen Fingern ausbreitet. Scheiße! Ich öffne das Fenster und entsorge die Zigarette. Zwei Dackelaugen haben mich fixiert, ich spüre es genau. Bist du irgendwie verspannt, Schatz? – Ich versuche ein beherztes Kopfschütteln: Nein, weißt du, das ist nur das Wetter!