Die Alte Welt ist hinter dem Horizont verschwunden. Der Ozean umgibt uns. Noch leben wir. Wie lange noch? Die Unbescheidenheit trieb uns hinaus aufs Meer, angelockt von flackernden Lichtern am Rand der sichtbaren Welt. Kleine Glühwürmchen in einer stürmischen Nacht, fast verlöschend, dann wieder hoch empor lodernd, geisterhafte Flammen im Nichts. Abreise in das gefährlich Ungewisse. Dennoch: Man braucht sich nur über die Reling des Schiffes zu beugen und im schwarzen, zerfurchten Wasser die eigene fahle Gesichtsscheibe beim Zerrinnen beobachten. In solchen Momenten ist man nicht alleine. Spiegelbilder, vor allem die verzerrten, sind stumme Boten einer anderen Wirklichkeit, der es an Aufregung und Ängsten fehlt (deshalb lockt sie singend die Barken an ihr Felsenriff), die stets möglich und doch für immer von uns getrennt sein wird. Wie die Leuchtfeuer am anderen Ende des Meeres, von denen wir beim Aufbruch auch nicht wußten, ob wir sie nur geträumt oder tatsächlich gesehen hatten. Wie die Inseln irgendwo da draußen und die ineinander verkeilten Eisscholen der nördlichen See, von denen wir so oft hörten in den kühlen Patios von Salamanca, während die Orangenbäume blühten. Wie das Lächeln der Frauen, deren Körper wir hitzig besitzen wollen, deren unverstehbare Gelassenheit uns zugleich aber wahnsinnig werden läßt. – Über all diese Gedanken ragen Schatten der Vergangenheit (ein Gebirge, aus dem man geflohen ist, an den Strand gelaufen, mit fliegenden Haaren und rasselndem Atem, der hoch getürmten Felswüste scheinbar entkommen – doch plötzlich liegt mit eisiger Kälte der Schatten, das lichtlose Ungeheuer über meinen Schultern), es sind mächtige Bilder, die einander ablösen und ergänzen und schließlich aufheben. Farbige Bilder, gewölbt wie Regenbögen und beinahe genauso schillernd. Das Gesicht eines Mädchens mischt sich mit meinem Gesicht im Wasserspiegel, ich weiß nicht, wo die blassen Farben enden, wo das Fleisch beginnt, alles fließt ineinander und hebt sich doch untereinander ganz deutlich ab (scharfe Konturen, im Mondlicht?). Das Mädchen, ja, das Mädchen, Grund für den Aufbruch, Anlaß für die Ängste und Schmerzen, Auslöserin für die Besinnung und die Liebe, die beiden einzigen Dinge, die eine Fahrt ins Nirgendwo nicht absurd erscheinen lassen. Gesicht in Gesicht verschmolzen, das Schiff wiegt sich im sanften Seegang, und die Feuer am Horizont peitschen mit blauer Flamme über die Bäuche der Nachtwolken. Ich liebe. Nach wie vor.