Über den Remote-Zugriff auf den explodierten Cybertruck vorm Trump-Hotel

Tesla-Chef Elon Musk liefert anlässlich der Explosion eines Cybertrucks vor einem Trump-Hotel eine Menge Daten über ein spezifisches Fahrzeug seiner Flotte an die Exekutive. In Europa würden wir "Datenschutz!" rufen.

Vor ein paar Tagen ist ein vor einem Trump-Hotel geparkter Tesla Cybertruck eplodiert. Elon Musk hat schnell auf X reagiert und (um 21:51 Uhr) eine Analyse der Telemetriedaten des Cybertruck versprochen, um nur wenig später, um 23:12 Uhr, nämlich, mit der Diagnose aufwarten zu können, das Auto sei in Ordnung gewesen, die Explosion müsse von außen zugefügt worden sein. Auf die Frage einer X-Userin, wie eine Analyse so schnell möglich gewesen wäre, antwortete Musk:

Tesla vehicles transmit their state of health continuously.

@elonmusk

404 Media hat sich genauer angesehen, wie Tesla seine Fahrzeuge durch einen Datenstream und mit Überwachungskameras an Ladestationen wortwörtlich kontinuierlich im Auge behält und was sonst so noch alles möglich ist. Entsperren, zum Beispiel.

After the Cybertruck explosion outside of the Trump International Hotel in Vegas on Wednesday, Elon Musk remotely unlocked the Cybertruck for law enforcement and provided video from charging stations that the truck had visited to track the vehicle’s location, according to information released by law enforcement.

404 Media

Aber:

The fact that the CEO of a car company or someone working on his behalf can—and did—remotely unlock a specific vehicle and has the means of tracking its location […] is a stark reminder that while you may be able to drive your car, you increasingly do not own it, that the company that manufactured it can inject themselves into the experience whenever it wants, and that information from your private vehicle can be provided to law enforcement.

404 Media

Besonders kritisch wird Jason Kroeber (von 404 Media), wenn es um die Monitoringfunktionen der gesamten Tesla-Infrastruktur auch außerhalb dieses einen Fahrzeugs geht. Der Anlassfall der Explosion eines Cybertrucks vor einem Trump-Gebäude lässt sichtbar werden, was kontinuierlich an Daten anfällt und wie das genutzt werden kann. Und wenn einmal der Damm gebrochen ist, werden diese Daten für immer geringere Vergehen herangezogen, bis es einmal ganz üblich sein wird, die Monitoring-Infrastruktur eines privaten Unternehmens für mindere Vergehen heranzuziehen.

Musk and police are operating under the current assumption that this was an intentional car bomb. […] Musk is proactively helping the police and say that it’s the right thing to do […] But surveillance and data collection and sharing that is justified or trialed in extreme situations one day becomes commonplace for more run-of-the-mill situations later on. […] Apple famously refused to help law enforcement break into the [San Bernardino mass] shooter’s iPhone or undermine its security because doing so would lead to less privacy for everyone. The type of third-party hacking capability that the FBI used to eventually get into the shooter’s iPhone in what was then an extreme occurrence is now a capability that even local police have and is used every single day.

404 Media

Wir halten also fest: Irgendwo in den USA explodiert ein Auto. Der CEO des Herstellers dieses Fahrzeugs kann dieses eine, spezifische Auto (!) remote entsperren (!) und hat in weniger als zwei Stunden (!) alle für eine Analyse des Vorfalls notwendigen Daten bereit, inklusive Überwachungsdaten der Betankungs- bzw. Beladungsinfrastruktur (!), die es möglich machen, auch Informationen über die Zeit vor der Explosion bereitzustellen.

Bei solchen Daten wirkt die Menge und die Art der Daten aus dem Datenleck bei Volkswagen bestenfalls lauwarm, wie selbst ein Experte in der Washington Post – natürlich nicht in diesen Worten, aber sinngemäß – aussagt.

Tesla is in a singular position to assist in such investigations given the amount of footage its vehicles collect and its network of charging stations that log the exact moments when a vehicle stops for power. Many cars have access to some location data and camera footage if they’re equipped with parking assistance and navigational systems. But Tesla’s suite of cameras, onboard computers and its charging network provide a higher level of data sophistication.

“It’s hard for me to imagine a Volkswagen executive being able to just pull up all of the data — not just from inside of those vehicles, but from every gas station that someone were to stop at along the way,” said Albert Fox Cahn, founder and executive director of the Surveillance Technology Oversight Project.

Washington Post

Und doch wird die Menge an Daten, die Tesla an die Exekutive übergibt, wenn auch mit ein wenig pflichtbewusster Kritik, ganz grundsätzlich positiv bewertet, wenn ich mir die meisten Berichte US-amerikanischer Medien darüber ansehe. Wenn allerdings Volkswagen Standortdaten, die Temperatur der Batterie und andere, das Fahrzeug betreffende Datensätze speichert1, geht die Welt unter und alle schreien „Datenschutz!“, während sie den Vorfall zum Anlass nehmen, einen prüfenden Blick auf ihre Tesla-Aktien zu werfen.

Mit zweierlei Maß messen ist dann wohl endgültig zur Norm geworden, an die wir uns gewöhnen werden müssen. Wenn auch chinesische Hersteller noch weiter nach Europa (und die USA) expandieren und sicherlich auch ihrerseits Telemetriedaten nutzen, um etwas über die Nutzung ihrer Fahrzeuge in Erfahrung zu bringen, wird es dann besonders spannend. Ich bin auch gespannt, wie über diese Daten berichtet wird, wie die solcherlei Daten sammelnden Unternehmen dann medial gelobt oder abgestraft werden, ob auch sie ihrerseits so detaillierte Daten vorlegen werden können, wie Tesla es aus Anlass der Cybertruck-Explosion vorgeführt hat.

  1. Fairer Weise muss man dazusagen, dass Volkswagen seine Daten wohl nicht ganz so gut im Griff hat wie Tesla. Das, und nur zum Teil die Art von Daten, ist ja auch der Stein des Anstoßes, wenn es um das Datenleck bei Volkswagen geht. ↩︎

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