Joan Westenberg spricht eine unangenehme Wahrheit über das Tragen einer Smartwatch aus: sie macht uns unfrei, degradiert unsere Körper zu roboterähnlichen Angestellten, die lediglich nach Output (und nicht nach Gefühl) bemessen werden, und schießt mit ihren Empfehlungen entweder über das intendierte Ziel, gesünder zu leben, hinaus, oder verfehlt es in vielen Fällen gänzlich.
I bought my smartwatch like most people do: for health. […] At first, it’s exciting. You learn how long you sleep, how fast your heart beats, how many steps you walk. But knowledge invites expectation. And expectation breeds disappointment. A night of rest that feels refreshing gets downgraded by your sleep score. A jog becomes unsatisfying if the zone chart looks too flat. Even sitting still can trigger a guilt-inducing vibration to „stand up and move.“ […] You start to ignore signals that don’t show up in your stats. You push through fatigue because the recovery index says you’re „ready.“ You stop asking how you feel and start asking how you’re performing. Before long, your body is not you. It’s your employee. […] The economist Charles Goodhart coined a rule: when a measure becomes a target, it ceases to be a good measure. Once your sleep score becomes the goal, it distorts your experience of rest. Once your step count becomes a benchmark, it overrides internal cues. Once your resting heart rate becomes a trophy, anxiety about maintaining it ruins the whole game. […] I stopped wearing the watch a few weeks ago. […] What returned: a sense of calm. I could go to sleep without being scored. I could go for a walk without a badge. I started noticing things again – how I feel after coffee, the way my breath slows near water.
Joan Westenberg
Ich muss Joan Westenberg leider zustimmen, sehe die Sache aber nicht ganz so dramatisch. Seitdem ich eine Apple Watch trage, lebe ich gesünder – völlig ohne Zweifel und nicht nur auf die Messwerte, die das Gerät mir anzeigt, bezogen. Aber ja, auch ich bin, obwohl ich mich nicht gut gefühlt habe, die 10 Minuten noch spazieren gegangen oder habe sonst irgendwelche Aktionen gestartet, nur, „um die Ringe zu schließen“. Diese Blödheiten kommen zum Glück selten vor, aber sie kommen vor.
Was ich bei Freunden allerdings erlebt habe, ist ein Ausgeliefertsein, das es in sich hat. Während ich meine Watch fast jeden Abend ablege und ohne schlafe, weiß ich von einigen bescheid, dass sie nervös werden (!), wenn sie die Watch nicht am Handgelenk haben, weil sie dann am nächsten Morgen nicht sicher sind – festhalten! -, ob sie gut geschlafen haben. Auch was Joan Westenberg in Bezug darauf erwähnt, habe ich live miterlebt: Man fühlt sich schlapp und müde, die Uhr meint aber, es wäre alles in Ordnung, also rein in die Laufschuhe und eine Runde gelaufen. Alles schon miterlebt.
Die ganze Sache bewegt sich natürlich an einer dünnen Grenzlinie: Wo kippt die Disziplin, regelmäßig körperlichen Tätigkeiten nachzugehen, und damit ein, zumindest von dieser Seite her gesundes Leben zu führen, in eine Art erzwungenen, von der Realität des Fühlens abgekoppelten Zustand, der im Widerspruch zum Körpergefühl steht? Wann fällt man? Wann ist die Befriedigung des von der Smartwatch auferlegten Zwangs, seine Trainingswerte zu erfüllen, wichtiger als die psychische Ruhe und Gelassenheit, die das wohlige Nichtstun in Ermangelung des Bewegungszwangs auslöst? Und wie, wo und wann kippt das Nichtstun in die ungesunde Faulheit, die wiederum den Druck, endlich etwas zu tun, unerträglich werden lässt?
Auch wenn ich Joan Westenberg zustimme, behalte ich meine Smartwatch noch am Handgelenk. Ich halte aber das Bewusstsein über die Gefahr, zu sehr in die Quantifizierungsfalle zu tappen, aufrecht. Ich lege täglich 10.000 Schritte zurück, um beweglich zu bleiben, an der frischen Luft zu sein und eine Grundfitness aufrecht zu erhalten; ich lege sie nicht zurück, um auf 10.000 Schritte zu kommen. Ich versuche, 8 Stunden zu schlafen, damit ich geistig und körperlich frisch in den Tag starten kann und um, ganz banal, ausgeschlafen zu sein; ich schlafe nicht, um auf 8 Stunden Schlaf zu kommen. Denn ja, Charles Goodharts Statement ist ein wichtiges: Wenn eine Maßnahme zum Ziel wird, ist sie keine gute Maßnahme mehr.