Von US-Clouds durchdrungen

Bert Hubert über die Durchdringung der europäischen IT mit US-Clouds, die falsche Prämisse, die USA seien ein Rechtsstaat und wieso es doch Bequemlichkeit ist, die uns digital so abhängig macht.

In einem Interview in der schweizerischen Republik, zeigt Bert Hubert schonungslos auf, in welcher Dimension Europa von US-Cloudanbietern durchdrungen ist und wie schwierig (aber lohnend) eine Loslösung von US-Clouds sein könnte. Er sieht im Zustand der europäischen Informationstechnologie zwei große Hürden: Einerseits die direkte und indirekte Nutzung von US-Cloudsystemen und -Angeboten, und andererseits das Fehlen eben jener – also tatsächlich gleichwertiger – Angebote und Systeme in Europa.

Wir müssen uns […] die Lücken in der europäischen IT-Industrie genauer anschauen. Wir haben zwar eine grosse Hosting-Industrie in Europa, […] darunter grosse europäische Cloud­unternehmen wie Hetzner, OVH oder die Lidl-Gruppe […], aber die bieten nur riesige Rechen­zentren mit unzähligen Server-Schränken. […] Microsoft und Amazon haben noch fünf Schichten obendrauf in ihrem Angebot, mit Funktionen und Dienste wie Microsoft Office. Das ist etwas anderes als Serverschränke.

Republik.ch

Kurz geschockt hat mich in weiterer Folge die Fragestellung der Republik zum Thema Datentransferabkommen: „diese Prämissen sind inzwischen hinfällig geworden“ kommt hier in einem Absatz mit der Aussage, „die USA seien ein Rechtsstaat“ vor. (Zum Thema Datentransferabkommen habe ich übrigens vor kurzem auch Max Schrems zitiert, der es, wie auch Bert Hubert, bereits jetzt als totes Recht ansieht.)

Das Datentransfer­abkommen zwischen der EU und der Schweiz einerseits und den USA andererseits beruht auf der Annahme, dass die USA ein Rechts­staat sind. Und dass die Tech-Konzerne sich im Fall des Zugriffs durch die US-Behörden vor ihre Kundinnen stellen. Diese beiden Prämissen sind inzwischen hinfällig geworden […] Trump hat zudem drei von fünf Mitgliedern des «Privacy and Civil Liberties Oversight Board» abgesetzt, dem Kontrollorgan, das den Geheim­diensten auf die Finger schaut.

Republik.ch

Aber auch Bert Huberts Antwort hat es in sich. Er erwähnt hier übrigens auch ganz nebenbei, warum das Argument, Konzerne würden in Europa gerne Geld verdienen, sie würden also einen Weg finden, hier zu bleiben bzw. potentielle Embargos oder Sanktionen der USA umgehen können, so nicht ganz richtig ist: die Aufträge aus den USA sind einfach zu lukrativ.

Tech-Konzerne [können] versprechen, dass sie sich gegen die Daten­herausgabe wehren. Aber Microsoft hat milliarden­schwere Verträge mit dem US-Staat, der Konzern wird nicht riskieren, dass diese gefährdet werden. Zurzeit spuren alle Tech-CEOs. […] Der amerikanische Rechtsstaat existiert im Grund nicht mehr. Die Tech-CEOs inklusive des Microsoft-Chefs haben je eine Million Dollar gespendet für die Inaugurations­feier von Trump. […] Wenn Trump morgen beschliesst, Sanktionen gegen Europa einzuführen, dann zieht Microsoft den Stecker und bietet keinen Support mehr an. Aber Software braucht immer Wartung und Updates, damit sie weiter­funktioniert.

Republik.ch

Aber noch viel mehr hat mich eine andere Anwort Bert Huberts stutzig gemacht. Anfangs, weil ich den Gedanken nicht wahrhaben wollte, dann aber, mehr und mehr, weil mir klar wurde, dass sich solche Nicht-Themen tatsächlich für vieles verantwortlich zeigen, dass Verbesserungen (oder, um allgemein zu bleiben: Änderungen) verhindert. Auf die Frage, warum wir nicht alarmiert seien und sofort von US-Clouds abzögen, antwortet er:

Verwaltungen, Regierungen und Parlamente wollen nichts ändern, schon gar nichts migrieren. Sie sind nicht nur technophob, sie hassen die neuen Technologien. Unsere Staats­diener sind traumatisiert von Druckern, die nicht funktionieren oder von schlechtem WLAN. Deshalb möchten sie einfach das behalten, was sie kennen. Unsere Beamten setzen die europäische Sicherheit und Unabhängigkeit aufs Spiel, nur damit sie weiterhin Microsoft Outlook nutzen können! Das klingt idiotisch, aber so erlebe ich Verwaltungen.

Republik.ch

Also ist es doch die Bequemlichkeit, die wenn nicht der einzige, dann doch aber ein gewichtiger Grund für die Nutzung von US-Clouds ist?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Benachrichtige mich bei Reaktionen auf meinen Kommentar. Auch möglich: Abo ohne Kommentar.