Websites sehen sich immer ähnlicher

Dave Ellis stellt sich die Frage, warum sich Websites immer ähnlicher sehen und findet keine Antwort. Das „Idealbild“, die unausgesprochene Norm dessen, was als gut angenommen wird, erschöpft sich allerdings auf eine simple Abfolge von (standardisierten) Designelementen:

  • Eine Titelzeile, die auch das horizontal angeordnete Menü enthält.
  • Ein überdimensioniertes, oft die gesamte Browserbreite füllendes Headerbild oder – noch schlimmer – ein gleich dimensionierter Slider. Darin werden Bla-Texte und eventuell ein Call-to-Action-Button eingebettet.
  • Ein kurzer Absatz – mittig ausgerichtet, voller Wörter aber ohne Inhalt – erklärt, was die Website/das Unternehmen eigentlich präsentiert.
  • Drei Spalten, in denen – abermals zentriert – weitere Textfelder angezeigt werden.

Ich habe die (mir von Dave Ellis zur Verfügung gestellte) Mustervorlage für das manifestgewordene Standard-Design hier abgebildet.

In Daves Beitrag und der folgenden Kommentardiskussion (!) werden verschiedene Gründe genannt, wie es zum Verschwinden individuellen Designs gekommen ist. Viele machen Frameworks wie Bootstrap, Foundation, usw. für die Entwicklung dieses Designs verantwortlich. Alle verwendeten Ansichten werden von Haus aus unterstützt, also warum nicht auch verwenden? Besonders in Agenturen bietet das Verwenden von Frameworks enormes Einsparungspotential; da wird gerne auf ein wenig Individualität verzichtet, wenn ein akzeptables Webdesign dabei rauskommt. Und letzten Endes sind wir es ja alle gewohnt, also wird’s schon passen.

Ein weiteres Argument ist der Zwang zu responsivem Design. Webdesigns, die sowohl auf einem Mobiltelefon mit einer Pixelbreite von um die 400 genauso gut funktionieren müssen wie auf einem hochauflösenden Desktop-Monitor mit einer Pixelbreite von zum Teil deutlich mehr als 2000 Pixeln sind, egal was auch immer man eingeredet bekommt, immer eine kreative Herausforderung. Hinzu kommt noch, dass diese Designs unter verschiedenen technischen Bedingungen, und hier blicke ich auf die zur Verfügung stehenden Übertragungsgeschwindigkeiten von und zu mobilen Endgeräten, funktionieren müssen. Das Standard-Design ist hierzu bestens geeignet: Das Menü kann in ein Dropdown umgewandelt werden und sich unters Logo schieben. Das Headerbild kann in kleinerem Format nachgeladen werden, den Text und die drei Spalten kann man stapeln.

Wer sich die Beiträge einiger der großen Medienhäuser zum Thema Redesign der eigenen Website (zB New York Times oder Zeit Online) durchgelesen hat, wird darin unweigerlich auf die größte Herausforderung der Entwicklerteams stoßen: Die Adaption des UX- und UI-Designs auf möglichst alle Endgeräte. Ebenso lässt sich – manchmal offen, manchmal nur zwischen den Zeilen – lesen, dass dieser Aspekt des Redesigns der teuerste war. Unternehmen, die von der Funktionalität ihrer Websites leben, investieren das Geld, um hier ein natives Framework zu entwickeln, welches das individuelle Design unterstützt. Alle anderen nehmen Abstriche in Kauf und greifen auf bereits existierende Frameworks zurück. Und bäng, schon wieder sind wir im Standard-Design, den niemand programmiert ein bereits existierendes und ausgereiftes Framework um.

Ein anderer Punkt ist, dass dieses Design bereits so verbreitet ist, dass es von Kunden bewusst gewünscht und bestellt wird. Ich selbst habe in den letzten Monaten die Erfahrung machen müssen, dass es nicht um die Elemente geht, die so eine Designvorlage beinhaltet (zB Slider, Spalten, Zentrierte Text-, Icon- und Grafikelemente, Overlays und CTA-Buttons), sondern um das Erscheinungsbild genau dieses Designs. Kunden wollen, dass ihre Websites genau so aussehen. Sie sind dieses Erscheinungsbild gewohnt, sie kennen die Logik. Sie wissen, dass eine derart gestaltete Website auch dann hübsch aussieht, wenn man den Browser schmäler und wieder breiter macht.

In der Kommentardiskussion (ja, sowas gibt es auch noch!) finden sich aber auch einige Argumente, die für eine Standardisierung des Webdesigns sprechen und in der Angleichung kein Problem sondern einen Vorteil sehen. Abgesehen von den üblichen, nutzerzentrierten Statements, deren Hauptpunkt „Don’t Make Me Think“ ist, wird das Design und die Funktionalität von Büchern als Beispiel herangezogen. Die meisten Bücher sind im Hochformat gedruckt, das Cover ist immer an der selben Stelle (und nicht selten ein großes Bild mit drübergelegtem Text); will man etwas über den Autor erfahren, weiß man, wo man hinsehen muss; die Lesenden wissen sofort, wo das Buch beginnt und wo es endet; Indizes und Glossare finden sich auch an den üblichen Stellen. Warum sollte diese Funktionalität eines Mediums also nicht auch online gültig sein? Noch dazu, wo Kunden das sehr häufig so wollen?! Dazu ein vielsagender Kommentar:

I work for a design focused firm. I love to present unique concepts to clients. I love to go outside the norm and create something that is truly theirs, something that helps them stand out. The problem is no one wants to stand out. No matter how hard we try to convince clients that different is better, no one wants to be different.

No one wants to be different. Aber wir haben einen Slider!