Lou Plummer erinnert uns eindringlich, dass wir mit unserer Tech-Affinität in einer Bubble leben. Die Menschen da draußen nutzen ihre Handys komplett anders als wir es uns vorstellen.
Those folks who make their living from monetized blogs, podcast ads, subscriptions and other forms of content are so far removed from what your Mom does with her phone that they could be living on another planet. […] I live at the intersection of normies and tech because I do IT support for a living. […] I really know how much she hates changing her password and how much she really doesn’t want to have to download and configure a two-factor authentication app. I know how frustrating it is to search for Microsoft Authenticator in Apple’s App Store only to have the number one hit to be a $40 paid app and not the free product from the folks in Redmond. You know what’s important to your Mom? That her icons don’t move, that’s what. […] There are millions of us nerds out there using the best calendar and note-taking apps, but there are tens of millions of people perfectly happy with what Apple or Google gave them. […] They do not know what version of the operating system they are running on anything. They do not care. They hate updates because they interrupt stuff they’d rather be doing. They don’t care about the new features being announced at WWDC because they do not want to learn how to do new things with their already too complicated tech. They are the baseline. We are the outliers.
Lou Plummer
Ich kann jede einzelne Zeile bestätigen. Ich erhalte einen Anruf von meinen Eltern, wenn sie irrtümlich zu lange auf ein App-Icon am iPhone tippen (und die Icons zu wobbeln beginnen). Ich bekomme verunsicherte Rückfragen von Freunden, ob sie „dieses Update“ installieren sollen. Ich spreche mit genervten Kunden, weil mit irgendeiner Aktualisierung irgendwas nicht mehr so ist wie früher.
Die Sichtweise, dem System, mit dem man arbeitet – sei es Handy, Tablet oder Notebook – Zeit zu widmen, um sich damit vertraut zu machen, stößt bis heute bei den Menschen da draußen auf vollkommenes Unverständnis. Nein, es ist eigentlich sogar schlimmer: Es geht hier nicht um Verständnis oder Unverständnis. Es geht darum, dass die Nutzung eines Handys in keinerlei Weise mit der Notwendigkeit, sich damit vorab beschäftigen zu müssen, wahrgenommen wird. Die Menschen da draußen nehmen die Inbetriebnahme eines Handys wie das Benutzen eines Buttermessers wahr: Da gibt es keine Einschulung, das muss auf Anhieb klappen. Und wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, dann wird diese oder jene Funktion einfach nicht genutzt.
Aktualisierung am 8. Februar 2024
Ich denke, Thomas hat in der Diskussion auf Mastodon zu diesem Artikel einen mehr als validen Punkt gemacht: Man muss nicht komplett auf Dumbing-Down setzen und ein gewisses Maß an Anforderung stellen können, sonst wird das nix.
Früher war alles streng geregelt […] oftmals viel zu rigide. Das wurde zurecht in den letzten Jahrzehnten tlw. aufgebrochen. Alles wurde benutzerfreundlicher und man braucht keinen ausgebildeten Koch um eine Tiefkühlpizza zu machen. Aber in meinen Augen schießen wir jetzt in die andere Richtung über. Manche Dinge kann eben doch nicht jeder machen. Und das sollte man wieder mehr akzeptieren und auch kommunizieren.
Thomas Kräftner
Ich schreibe diese Aktualisierung aber nicht nur, um auf die Diskussion auf Mastodon hinzuweisen, sondern aus einem Anlassfall heraus, der wieder ganz deutlich macht, wie unbeholfen Menschen selbst mit Technologien sind, die es seit Jahrzehnten schon gibt. – Bitte setzt euch, wenn ihr das gerade am Handy lest und irgendwo unterwegs seid, denn ja, es ist so schlimm. Bereit? Okay, los geht’s!
Heute hat mir eine Person ein E-Mail weitergeleitet, in dem sie einen Screenshot des E-Mails, das sie mir weiterleiten wollte, angefertigt und mir in einem leeren E-Mail ohne Text und ohne Betreff geschickt hat.
I don’t want to live on this planet anymore. 🤦♂️
Ich kann das nachvollziehen: Apple war da z.B. eine Zeit lang besonders gut darin, Features zu implementieren, die nur Seher:innen der Keynote mitbekommen haben.
Im konkreten Fall finde ich z.B. das Wobbeln der Icons super, aber das Auslösen des „Verschieben“-Modus durch das lange Drücken eben nicht offensichtlich. Und hast du in der iPhone-6s-Ära mal jemanden gefragt, was 3D Touch ist? Auch bei Bluetooth, den Unterschied zwischen Koppeln und Verbinden checken teilweise nicht einmal mehr die Hersteller, wie ich vor einiger Zeit bei einem Shure-Kopfhörer festgestellt habe, der mir nach jedem Einschalten ein „Gekoppelt“ statt „Verbunden“ entgegenträllert.
Dumbing down muss da auch nicht sein, bei vielen dieser Features fehlt IMO einfach der letzte Kniff, dieser eine letzte Gedanke, wie man das den Enduser:innen klarmachen kann.
Wegen dem Screenshot als Mail-Weiterleitung, das ist ja mit der Text-Erkennung in iOS ja fast schon wieder gleichwertig, oder? Der Kreis schließt sich. 🤣
Ich zweifle ein bisschen daran, wie dieser „letzte Kniff“ aussehen kann. Ich merke das nämlich an mir selbst ganz besonders in Zusammenhang mit dem fantastischen Raycast: Die Jungs und Mädels hauen da ein Feature nach dem anderen raus, die Updates kommen unter der Woche, wo ich wenig Zeit habe, mir das zu vergegenwärtigen, und am Wochenende möchte ich nicht suchen, wie, was und wo da neu war. Die App wächst also in ihrer Funktionalität, aber ich bleibe auf einem Wissensstand, der wahrscheinlich von vor einem Jahr oder länger ist.
Vielleicht, das fände ich eigentlich wirklich gut, wäre so etwas wie „Später lesen“ für die Ankündigung neuer Features gar nicht schlecht, und damit etwas, was deinem „letzten Kniff“ entsprechen würde. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, gefällt mir die Idee sogar immer besser: Wenn einer App ein neues Feature verpasst wird und sie bemerkt, dass ein User dieses Feature nicht und nicht nutzt, dann könnte sie ja dezent und unauffällig, aber doch bemerkbar, wenn man dafür offen ist, daran erinnern, dass es doch Feature A oder B gibt. Früher gab es so Infoboxen, die aufgepoppt sind, wenn man Programme gestartet hat („Wussten Sie schon…“); die waren zwar nervig und wir haben alle das Hälchen bei „Nicht wieder anzeigen“ gesetzt, aber ich kann mich daran erinnern, dass ich bei einigen Programmen dieses Häkchen auch bewusst nicht gesetzt habe, weil das wertvolle Tipps zur Nutzung einer App waren.
Es ist, wie du sagst, oft nur möglich, über Neues zu erfahren, wenn man sich die Keynote angesehen hat – und das kann es ja wirklich nicht sein.