sonntagsarabesken

Er sucht sie. Sie sucht ihn. Doch beide finden sich nicht. Und als sie sich dann gefunden haben, war es auch schon wieder egal.

Sonntagsarabesken #144

Sie rief ihn an, sobald sie aus dem Flugzeug gestiegen war. Es läutete. Einmal. Zweimal. Dann hob er ab. Ihr Magen verkrampfte sich, als der erste Ton seiner dunklen Stimme…

Sonntagsarabesken #143

Wie bewegt sich die Erinnerung? Fließt sie in langsamen Bahnen bergab, ruhig und bedächtig aber zugleich drohend und tödlich wie ein Lavastrom? Oder bahnt sie sich ihren Weg von unten…

Sonntagsarabesken #142

Könnte ich Dich lieben? Ohne Dich zu begehren? Wie wäre das möglich? Wäre es überhaupt möglich? Die Stunde ist vorbei, die Minute, in der Du an meiner Seele vorbeigestreift bist,…

Sonntagsarabesken #141

Die Stadt ist ein Gefühl, das langsam wieder in meinem Körper erwacht. Sie kriecht mir unter die Haut, sie breitet sich aus in meinem Blut, sie füllt meine Nase mit…

Sonntagsarabesken #140

Ein schwarzer Punkt zwischen den tief liegenden kleinen Augen der kühn gekerbten, umschatteten Fassade; kaum bewegt er sich, das schmale Gesims entlang balancierend, und noch hat keiner der tief unter…

Sonntagsarabesken #139

Es ist genug. Genug der unbegründeten Ängste, der unnötigen Gespräche und der unergründlichen Gedanken. Kälte kriecht hier durch alle Ritzen. Winter. Die Worte erfrieren, werden unterdrückt, hinuntergeschluckt, erreichen nicht einmal…

Sonntagsarabesken #138

Er hatte das gute Gefühl, nichts sei unerledigt geblieben. Die Fenster waren gegen den drohenden Regen geschlossen, die Vase mit den dreizehn Rosen auf den Tisch gestellt, die Frau zum…

Sonntagsarabesken #137

Das Schiff, ein schwarzer Punkt am Horizont. Es trägt Dich fort von mir. Die Sonne wärmt Deine Schultern, während Du am Heck stehend meine Gestalt aus dem Blick schon seit…

Sonntagsarabesken #136

Drei Männer saßen auf der Terrasse. In bequemen Korbstühlen, mit Blick auf den Sonnenuntergang. Die Sonne: Ein roter Ball, der wie schmelzendes Kupfer auf dem ölig schwarzen Spiegel der Bucht…

Sonntagsarabesken #135

Die Sonne bricht durch dunkelgraue Wolken. Ein kurzer Moment intensiv erlebter Schönheit, doch nicht von Dauer: Das Licht erstirbt wieder. Die Wärme auf seiner Wange schwindet. Ein kühler Windstoß bauscht…

Sonntagsarabesken #134

Liebe. Bis in die entlegensten Winkel und Schluchten, an die entferntesten Strände und Bergflanken dringend, den Raum um und zwischen uns vollständig füllend. Das wunderbarste und ergreifendste Gefühl, das ich…

Sonntagsarabesken #133

Zwei Schatten tanzen an den sonnendurchglühten Sandsteinquadern der Hausfassade entlang. In kreiselnden, vorwärts drängenden, dann wieder zögernden, innehaltenden, vom Anderen trinkenden, sich ineinander verlierenden Bewegungen, die flüchtige Linien aus Sternenstaub…

Sonntagsarabesken #132

Aus dem Fenster blickend, den Rücken der Stadt mit den Augen berührend, sich an den Kanten und Unebenheiten der Dächer entlang tastend; den grau gefleckten Himmel betrachtend, der die Konsistenz…

Sonntagsarabesken #131

Im Raum schwebt das Bild eines Bildes. Mit gesenktem Kopf wartet die Göttin auf das Nahen des Unwetters; schwarze Wolken schieben sich in brutalem Wirbel über den Himmel, ballen sich…

Sonntagsarabesken #130

Aus ihrem Traum aufgeschreckt, leichenblaß, umklammert sie vermeintlich das Handgelenk des Geliebten, in Wahrheit doch nur die Finger in den eigenen Oberschenkel grabend. Sie hört die sich über Stock und…

Sonntagsarabesken #129

Ich höre Deine Atemzüge. Gleichmäßig, ruhig. Ich bin zufrieden. Denn ich liebe Dich. Solange Du bei mir, in meinen Gedanken, an meiner Seite bist, solange Du mich berührst, meine Seele…

Sonntagsarabesken #128

Warum quälst Du mich? Warum quäle ich mich selbst? Wie ein Verrückter renne ich durch die sommerschwülen Gassen, zwischen den Gitterstäben meines gläsernen Käfigs gefangen. Ich habe alles Verlorene wieder…

Sonntagsarabesken #127

Sie geht das Ufer entlang, langsam, die frische vom Wasser aufsteigende Luft atmend. Sie achtet auf das kleinste Geräusch, spürt, wie sich ihre Lungen füllen, fühlt sich stark, unverletzbar, an…

Sonntagsarabesken #126

Ein Augenaufschlag genügt. Er glaubt den Blick zu erkennen, der sich in schräger Bahn, von der Höhe des obersten Treppenabsatzes herab, wie ein dunkler Pfeil den Weg in seine Magengrube…

Sonntagsarabesken #125

Verrat. Eine einfache Geschichte: Unversöhnlicher Haß, der aus rücksichtsloser Leidenschaft entspringt. Zwei Stimmen, die sich zuerst in beleidigenden Tiraden überschlagen; dann Stille. Plötzlich. Eisig und tödlich. Was ist geschehen? Halten…

Sonntagsarabesken #124

Ich schreibe gegen die Panik an. Die Panik, die Du mir bereits mehrmals verboten hast. Verbote wirken bekanntlich nicht, schieben das Wesentliche nur kurz aus dem Blickfeld, treten es in…

Sonntagsarabesken #123

Ein vertrauter Geruch, wie ein vertrautes Wort, eine Stimme, die sich durch die nachtschwarzen Windungen ihres Gedächtnisses schält. Es war die Macht des Schicksals, die das Bewußte von der Klarheit…

Sonntagsarabesken #122

Ich habe einen Gedanken, der ganz mir gehört. Die roten Lampions schwingen aufgeregt in spätwinterlichem Sturm. Auf der Brücke ist es eisig kalt. Blauer Rauch schraubt sich aus hohen Schlot…

Sonntagsarabesken #121

Echo einer verlorenen Welt: Worte des hinter dichten Dunstschleiern verschwundenen Jahres, die durch den Zauber damals noch nicht zu ahnender Liebe viel an Gewicht verloren haben. Das Frühlingslicht kehrt wieder…

Sonntagsarabesken #120

Tanzen auf eisbedecktem Asphalt. Die Schritte beschreiben ein undurchsichtiges Muster, ein Netz, das keinem nachvollziehbaren strukturellen Prinzip zu gehorchen scheint. Schneebrocken im Mantelkragen, geschmolzen in aufgeregter, zarter, ungewisser Liebe, die…

Sonntagsarabesken #119

In der Wohnung ist es dunkel und eisig kalt. Er geht langsam in die Küche und öffnet das Fenster. Das regennasse Pflaster des Innenhofes zeigt sich mit rostbraunen Blättern beklebt.…

Sonntagsarabesken #118

Er sah es ihrem Gesicht an. Er sah es der Drehung ihrer Schulter an. Er sah und wußte es im selben Moment. Sein Blick schweifte in die Unendlichkeit ab, aus…

Sonntagsarabesken #117

In den Augenblicken, die man glücklich verbringt, in denen man in Glück ertrinkt, sich treiben läßt, sein Inneres an die Außenhaut geheftet trägt, sich verwundbar dem Tag darbietet, in Deinen…

Sonntagsarabesken #116

Alte Stadt aus Rosenstein. Während hier noch die glitschigen Fäden unterkühlten Lichtes aus den Ritzen grauer Wolkendecke hängen, wirbelt ein Sturm der Bilder den ölig glatten Fluß von unten her…

Sonntagsarabesken #115

Er will nicht mehr hören, das Geräusch des fallenden Regens durchdringt ihn, das Prasseln der Wassertropfen auf dem winterlich eisbedeckten Dach, von keuchendem Kinderlachen unterlegt; er denkt sich hinaus auf…

Sonntagsarabesken #114

Das Licht rinnt als zähflüssige Masse in die leichte Wölbung der Zimmerdecke. Die gekehlten Stuckleisten füllen sich mit bernsteinfarbenem Honig. Vor dem Fenster fallen große Schneeflocken auf nassen Asphalt. Scharlachrote…

Sonntagsarabesken #113

Wintergefühle, die den Sommer einholen. Feine Eiskristalle tanzen im Schein der Straßenbeleuchtung. Wir haben gefunden, was wir immer gebraucht und doch nie erhofft hatten. Wir sind einander in die Arme…

Sonntagsarabesken #112

Über das Meer hallender Schrei, der sich in den wirbelnden Brandungswellen fängt; so klingt die dunkle Zeit des Jahres, ein häßliches Ersticken des Lebendigen, zischend vergehende Flamme. Das flammend rote…

Sonntagsarabesken #111

Der Blick des Prinzen war umschattet. Er starrte auf das verbrannte Land, die qualmenden Felder, bedeckt von zerfetzten Menschenkörpern und Pferdekadavern. Hinter seinem Rücken gurgelte das Gemurmel der Stabsoffiziere wie…

Sonntagsarabesken #110

Eiskristalle liegen in der Luft. Ich verfolge den leuchtenden Regenbogen ihres Schals durch die Stadt; die Lichter schwinden vor dem Heranrollen der Herbstnacht. Hand in Hand und Herz in Herz,…

Sonntagsarabesken #109

Traumbild, gesehen in wachem Zustand: Ein prächtiges Gewirr Tausender Schmetterlinge; der Mond, überzogen mit Silberfäden, läßt lange Schatten in den Alleen und Promenaden wachsen. Nachtrosen heben ihre Köpfe und öffnen…

Sonntagsarabesken #108

Karamelfarbenes Haar umfängt ihr Gesicht, das Gesicht einer jungen Herzogin von Ferrara, jene scheinbar von Ghirlandaio in ewiges Halbdunkel getauchte Haut, die den Betrachter gebannt den eigenen Atem vergessen läßt.…

Sonntagsarabesken #107

Hinter den rot umrandeten Fleischkugeln, die sich Menschen nennen, verschwindet die Wahrheit wie hinter verstaubten Theaterkulissen. In den Lehnstühlen sitzen knochenbleiche Gespenster und reden von gegenwärtiger Vergangenheit. Das Atmen fällt…

Sonntagsarabesken #106

Am Ufer der Salzach sitzend träumte sie sich in die Gärten des Alcazar. Kälte stieg vom Wasser auf. Gekräuselter weißer Schaum tanzte zwischen den Steinen der Uferböschung, spülte an manchen…

Sonntagsarabesken #105

Der Schweiß des Sommers ist verdampft. Die Schritte bewegen sich wieder in ausgetretenen Bahnen; das Bewußtsein kehrt der Angst den Rücken zu. Die am Tag der Abreise noch mit Rosen…

Sonntagsarabesken #104

Ein Sturm zieht herauf am Horizont. Im verbissenen Kampf der mächtigen Winde zerreißt der Himmel, und aus der klaffenden Wunde bricht schwefelgelb die Sonne. Ein diabolisches, giftiges Licht ergießt sich…

Sonntagsarabesken #103

Fahrt durch die sonnenbeschienenen Hügel, die Straße begleitet von einem Spalier knorriger Obstbäume, scheinbar in ewiger windschiefer Verbeugung gefangen. Radfahrer pflücken Kirschen und Äpfel, die Räder an die Grabenböschung gelehnt.…

Sonntagsarabesken #102

Hunderte blasse Gestalten verneigen sich vor dem eintretend Flüchtenden. Ein eisiger Luftzug streichelt seine Schläfen. Aschgraue Hecken senken tief die heute abgeschnittenen Kronen; goldgelb wirbelnd steigen Staub und Geruch der…

Sonntagsarabesken #101

Einen Tag, bevor der als „Hercule“ zu Ruhm gelangte Dichter unsterblicher Liebesverse sterben sollte, traf er die wunderbarste Frau von allen. Hatte er sie zuvor nur aus der Ferne gekannt…

Sonntagsarabesken #100

Ein Zitat: Rückgriff in bessere Zeit. Eine Wiederholung: Das ewige Kreisen um die eine Note, die er doch nie exakt zu treffen vermochte. Während der Rauch des Dampfers sich im…

Sonntagsarabesken #99

Der Gedanke könnte lauten: Verschieben wir die Liebe auf morgen! Was hindert uns denn daran? Berechtigte Furcht davor, etwas zu verpassen? Substanzlos verschwindet sie hinter den Wogen geliebter Musik! Bier…

Sonntagsarabesken #98

Der Atem der Stadt geht träge. Die Lungen der Menschen sind von hartgebackener Luft verklebt. In einem Sog aus Hitze und Schmerz liebt man sich an den Rand der Existenz.…

Sonntagsarabesken #97

Die Wahrheit ist schillernd. Ihre Erscheinungsformen changieren zwischen den unterschiedlichsten Extremen. Wieder bin ich darauf gestoßen, beim Blick durch die Wände des gläsernen Gefängnisses, in das mich mein eigener Wille…

Sonntagsarabesken #96

Münz denkt nach Ästhetisches. Allzu Ästhetisches. Das Leben als Kunstwerk. Schwer durchzuhalten, diese Maxime, wenn man sich fühlt wie in einem Dampfkochtopf, denkt Münz, während er aus dem letzten Loch zu…

Sonntagsarabesken #95

Die Farben der Stadt und ihre Klänge haben sich gewandelt. Ein erstickender Hitzeschleier breitet sich über Dächer und Menschen, die Vegetation ist mit leisem Röcheln am Verenden. Hinter hohen, von…

Sonntagsarabesken #94

Wenn das grüne Abendlicht den Reiz der fernen Welten schlucken möchte und doch nicht durch das Fenster dringt, dann fühlt sich Rodrigo geborgen. Seine Hand ruht auf dem Einband des…

Sonntagsarabesken #93

Märchenlandschaften erstrecken sich zwischen dem Westen Wiens und der Inneren Stadt. Regelrechte Schmerzzonen, denen über die Jahre Dutzende Geschichten aufgestempelt wurden, zerkratzte Oberflächen, milchig gewordene Scheiben, in Neonlicht geschriebene Begebenheiten…

Sonntagsarabesken #92

Überempfindlich ist das Draußen geworden, und mit ihm die Menschen, die es bewohnen. Verbildet von übermäßiger Klugheit, berauscht von den Klängen eines Geistes, der sich in die höheren Lagen der…

Sonntagsarabesken #91

Winterreise im Sommer, in der backofenheißen Stadt, deren Häuserschluchten in der Spannung des Hitzeschleiers vibrieren, und die Tritte des Wanderers vergehen in eisiger Kälte schneebedeckter Wiesen. Kahle Bäume, an denen…

Sonntagsarabesken #90

Im Bestiarium des Lebens haben fast alle Zustände ihren Platz gefunden; doch die Beschreibungen sind in einem Punkt ungenau: Sie erfassen nur das Offensichtliche, das Plakative, die Symptome, ohne jedoch…

Sonntagsarabesken #89

Es ist die Krankheit hinter der Krankheit, die ihn befallen hat. Während die gelb getünchte Hauswand der Glaserwerkstätte zum ersten Mal in diesem Jahr mit blutroten Rosenblüten sich geschmückt hat,…

Sonntagsarabesken #88

In einem blauen Kleid läuft sie über die Brücke. Ein heißer Maitag. Blonde Haare, von afrikanischer Sonne gebleicht, fallen über nußbraune Schultern. Ein Lächeln, herrlich, eines silberglänzenden Engels würdig, schmückt…

Sonntagsarabesken #87

Ja, es ist schon Sonntag. Schwarz umrandete Augen in grell blinkendem Licht, und unter den schwer fallenden Takten der Musik krümmen sich aufgelockert stehende Körper. Es versteht sich von selbst,…

Sonntagsarabesken #86

Manche Existenzen stellen Eleganz gegen Krankheit und Tod. Die schiere Aura des Schönen scheint in diesen Fällen das Unausweichliche abzuwenden. Und doch geht in letzter Konsequenz die Rechnung nicht auf…

Sonntagsarabesken #85

Die gespiegelte Wirklichkeit in den Bahnen der ersten Erinnerung: Es erscheint, Wiederholung auf Wiederholung, das Bekannte hinter der Maske des Neuen. Und symmetrisch wechselt sich das kleine Universum alltäglicher Einfallslosigkeit…

Sonntagsarabesken #84

Blütenschäumende Frühlingswege, die sich vor dem Schritt des schnell Begeisterten öffnen. Der klagende Ton der himmlischen Stimme zieht den Spaziergänger tiefer und tiefer in die grünen Kanäle hinein; er kennt…

Sonntagsarabesken #83

Ein Abend, der die Schwüle längst vergangener Sommerstunden ahnen läßt. Die Dinge haben sich seitdem verrückt. Verrückt im wahrsten Sinne des Wortes. Das Begehrte ist zum Vertrauten geworden; die Sterne…

Sonntagsarabesken #82

Über ihm das Kreisen des Ventilators an der von schwarzen Punkten überzogenen Decke. Es sind Fliegen, eine ganze Wolke, die das Licht angelockt haben dürfte. Er liegt in Pölstern, versinkt…

Sonntagsarabesken #81

Augenblicke, die ihre Wurzeln in die Ewigkeit zu graben scheinen. Das Verschwinden der Schattenkälte unter dem wärmenden Sonnengewebe. Zitternde Gegenwart, keine Frühlingsgefühle, sondern Frühling der Gefühle, heranrauschende Welle, die sich…

Sonntagsarabesken #80

Bläulicher Rauch steigt auf, wenn die Herzen unschuldiger Geschöpfe verbrennen. Und die Schreie berichten von Schmerz und Qual. Können Tränen die Flammen löschen? Altäre, bedeckt von Feuer und flockiger Asche,…

Sonntagsarabesken #79

Lichtverzerrungen; Frühlingssonne. Im Stimmengewirr der Kaffeehausunterhaltung entblößt sich schamlos die Ruhe entspannten Nachdenkens, unsichtbar für die Augen der Essenden, Trinkenden, Rauchenden, Sprechenden, umgarnt vom heimlich zu Papier gebrachten Satzgewirr besonnener…

Sonntagsarabesken #78

Von Betonwänden umgrenzte Rasenfläche, sogenannter begrünter Hof. Die Stumpfsinnigkeit der Nachbarn kommt in den sich überkreuzenden Telefongesprächen zum Ausdruck. Banale Redereien über Politisches, Privates und das Wetter, glühende Ohren füllen…

Sonntagsarabesken #77

Ein kleines Café in Paris. Aus dem Radio dringt eine rauchige Frauenstimme, unterlegt von harten Rhythmen. Zwei junge Kellner mit nach hinten gestrichenen Haaren, auf denen eine graue Patina aus…

Sonntagsarabesken #76

Eine Frau, deren schräg stehende Augen an die Madonna der Cappella Capponi erinnerten, saß ihm gegenüber am Fenster. Sie starrte scheinbar gleichgültig an ihm vorbei, seinen hochgeschlagenen Mantelkragen mit dem…

Sonntagsarabesken #75

Unter einem Berg von Schriftzeichen begraben zu werden, das ist der Alptraum des nachdenklichen Schöndenkers. Aber er kann gar nicht anders, er muß einfach schreiben, auch wenn er sich so…

Sonntagsarabesken #74

Wenn Musik die Bedeutungen wechselt. Als ob das Wetter umschlüge oder ein plötzlicher warmer Regen den letzten Schnee von den Straßen spülte. Die Natur wird auf den Kopf gestellt. Eine…

Sonntagsarabesken #73

Die Macht der Blicke: Oberflächlich schweifend, sich über endlose Räume hinweg überkreuzend, das Besondere suchend, die Kleinigkeiten ignorierend, in die Tiefe dringend, sich an Schönem und Häßlichem festsaugend, die Zeit…

Sonntagsarabesken #72

Ankunft in einer neuen Zufriedenheit. Die Berge sind über Nacht verschwunden. Nichts erinnert mehr an den Eisklang der Wiener Wintertage; die kältebekleideten Scheiben sind weit entfernt; und während hier ein…

Sonntagsarabesken #71

Verschiedentlich gibt es Anlässe, sich zu ärgern. Der Satyr, der in diesen Hallen sein Unwesen treibt, geht ihr mit seiner flüsternden, vor lüsterner Heiserkeit fast erstickten Stimme auf die Nerven.…

Sonntagsarabesken #70

Sie traten in den Saal. Musik, Gelächter, Blumenduft, die Schritte Dutzender tanzender Paare auf dem Parkett; honiggoldenes Licht strömte in seidigen Kaskaden von Kandelabern und Kronleuchtern und überzog alle Kanten…

Sonntagsarabesken #69

Er wollte um Verzeihung bitten. Obwohl es nichts zu verzeihen gab, wie er seltsam berührt feststellte. Der letzte Bus war vor zwanzig Minuten in die Nacht verschwunden. Eiseskälte streichelte seine…

Sonntagsarabesken #68

Der Schatten wanderte langsam über ihre Wange bis an die Schläfe hinauf. In einer zweiten, abwärts mäandrierenden Bewegung umfing seine unscharfe Grenze die Kuppe des Nackens, den Hals begleitend bis…

Sonntagsarabesken #67

Im Takt der Musik den Kopf schütteln an der Scheibe des rasenden Waggons, der auf den Ziegelstelzen des Viadukts zu balancieren scheint, ein Traumtänzer, Wesen zwischen leichter und schwerer Welt,…

Sonntagsarabesken #66

Der kalte Winterdunst vor den Fenstern sieht nach Influenza aus. Die Sonne hat sich hinter schneegrauen Nebelmassen versteckt. Ein grausamer, tödlich erkrankter Tag, dessen Ende noch lange nicht in Sicht…

Sonntagsarabesken #65

Feiner Eisregen erfüllt die Luft, als Lucien aufs Neue seinen Gespenstern begegnet. Er hat nur eine halbe Pfeife geraucht. Dafür kommt ihm das grellbunte Spiegelkabinett vor seinen Augen reichlich übertrieben…

Sonntagsarabesken #64

Ich bin mir nicht ganz sicher, sagt der Zuhörer, ob ich dich richtig verstanden habe. Deine Fragen beantwortest du für gewöhnlich selbst, und den Raum dazwischen füllst du an mit…

Sonntagsarabesken #63

Die Geräusche der Stadt waren ihr fremd geworden; und doch hatte sich rund um sie nichts verändert. Bloß sie selbst. Das wurde ihr jetzt, die regennasse Straße entlang gehend, bewußt.…

Sonntagsarabesken #62

Gaetanos Verstand hatte sich verwirrt. Man wußte es; die Sache war längst Gesprächsthema der Salons und Soiréen geworden. Doch bei seinem Eintreten verstummte das Getuschel. Unter dem scharfen Blick seiner…

Sonntagsarabesken #61

Wartezeit. Die Stunde zwischen zwei Hinrichtungen. Oder auch: Das letzte Sonnenlicht vor dem Tunnel. Wäre sie nicht in Lugano aus dem Zug gestiegen, sie hätte keinen Aufschub mehr gehabt. Der…

Sonntagsarabesken #60

Er hört zu. Er sieht zu. Sie scheint zu sagen: Verschieben wir das Ende um einen Tag. Die Musik hat sieben Leben. Es wäre leichtsinnig, das Lied an dieser…

Sonntagsarabesken #59

SO. Obwohl sich das liebende Subjekt unaufhörlich bemüßigt fühlt, das Liebesobjekt zu definieren und an den Ungewißheiten dieser Definition leidet, träumt es von einer Einsicht, die es den Anderen ganz…

Sonntagsarabesken #58

Woher kamen die Geister, die ihn jagten? Aus den Tiefen längst durchstanden geglaubter Nacht. Sie waren ihm ständig auf den Fersen. Bei jedem Schritt provozierte ihre Anwesenheit das unausweichliche Straucheln.…

Sonntagsarabesken #57

Er hatte schon nicht mehr darauf gehofft, jemals wieder etwas von ihr zu hören. Jahre waren vergangen seit ihrem letzten Gespräch; die Stille wurde ihm zur gewohnten Begleitmusik. Auf einen…

Sonntagsarabesken #56

Gedacht und geliebt; im Traum gesehen und begehrt. Nie hat er sie berührt, nie sie leibhaftig vor sich erblickt, und doch liebt er sie. Sie – das ist das Bild…

Sonntagsarabesken #55

Die Wiederholungen der Details schließen sich zu dem zusammen, was wir Zeit nennen. Sie geben dem Werden und Vergehen ihre besondere Note, einen farbigen Anstrich und eine Grundschwingung, die so…

Sonntagsarabesken #53

D. öffnete die Haustür, und trockene Kälte schlug ihm entgegen. Er fühlte sich ganz und gar nicht wohl, als ihm die Luft unter den kurzen Mantel fuhr. Auf dem Weg…

Sonntagsarabesken #52

Du weinst, doch von einer Nacht auf die nächste Vergißt Du die blaugraue Trauer und lachst; Du kommst mir entgegen mit stolzem Blick, Doch kaum wende ich mich, so zitterst…

Sonntagsarabesken #51

Deine Stimme mäandriert um das Licht Des ersten milden Sonnentages, Wunderbare. Mystisch weitet sich das Tiberbett, Und dumpf gurgelt der braune Strom. Nit schaumigen Köpfen springen die Wellen Über einander…

Sonntagsarabesken #50

Alle Häuser blühen, es blühen die Dächer, Knospen aus Fensterglas, gußeiserne Blätter, Ranken in hölzernen Tafeln und Rosetten, Bronzene Stimmen, die Orchideenduft singen. Die Steine alter Fassaden leuchten und glühen,…

Sonntagsarabesken #49

Das Verharren zwischen zwei Atemzügen. Der Moment, bevor der Sekundenzeiger auf den nächsten Strich vorrückt. Vielleicht war es in einem solchen Augenblick geschehen, vor zwei Jahren, im Halbdunkel einer Bar…

Sonntagsarabesken #48

Die Stimme. Er hört sie ganz nah, diese herrlich süffisante, etwas gedämpfte, ein wenig gelangweilt klingende rauchige Stimme, deren Klang er so lange vermissen mußte. Sie hat etwas von einem…

Sonntagsarabesken #47

Der Tag hat sich ausgeschwitzt. Das Geschehene ist wahrhaftig vorbei. Man hat sich getroffen, umarmt, geliebt. Jetzt geht man wieder auseinander. Es tut ihm gut, keinen Sinn in diesen Dingen…

Sonntagsarabesken #46

Warum sehen wir in der Zukunft keine Sterne? Relativ einfach zu beantworten: Weil die Zukunft keine Nacht, sondern eine Nebelsuppe ist, ein rauchumhülltes Etwas, das uns heute neckisch einen nackten…

Sonntagsarabesken #45

An trüben Tagen wirkt selbst das Durchschnittliche noch schön. Die junge Frau starrt reglos in die Ferne. Die Umrisse der sanften Hügel mit ihren gelben Stoppelbärten beginnen sich im Dunst…

Sonntagsarabesken #44

Später Abgesang auf ein Gefühl? Kurz vor der Abreise denkt er daran, das Photo aus dem Rahmen zu nehmen. Er faltet es sorgsam in der Mitte, drückt die Kante mit…