Wer sich hinter Logins versteckt, braucht sich nicht zu wundern, dass er dort auch nicht wieder herauskommt.
Neulich fiel mir auf, dass N., ein lieber Freund und angenehmer Zeitgenosse, all seine kreativen Werke – Text in Form von Blog-Artikeln und Fotografien/Illustrationen auf Flickr – entfernt hat. „Bewusst!“, so seine Antwort auf meine Frage, weil er das aus beruflichen Gründen nicht mehr für jederman verfügbar lassen konnte.
So stimmt das allerdings nicht, denn schon lange davor ist es zu einem Wechsel seiner Internetpolitik gekommen: Es kam der Tag, an dem er die zugänglichen Kanäle (Blog, Flickr, Forum) verlassen und Facebook betreten hat. Nur wenig später wurden die noch abrufbaren Einträge gelöscht und mehrere Jahre seines hinterlassenen Profils sind dahin. Er ist damit, zumindest für mich, hinter einem Login verschwunden und tut dahinter, was eine Clique, nicht aber jederman sehen kann.
Ich habe, besonders geschlossenen Systemen wie Facebook gegenüber, Vorbehalte. Während Flickr, MySpace und die meisten Foren private wie auch öffentliche Bereiche haben und nur sehr wenig dafür spricht, wirklich alles auf ganz privat und für Besucher von außerhalb nicht auffindbar zu machen, ist Facebook anders. Es zwingt zur Anmeldung, um an Inhalte heranzukommen, die größtenteils problemlos auch öffentlich sein könnten. Das Login vermittelt jedoch Existenz innerhalb einer Gruppe, einer Gemeinschaft von denen, die auch dabei sind. Fälschlicherweise, denn wo liegt der Unterschied zu früher? Ja, richtig, der unbekannte Dritte (die einzige Identifikation!) kann nicht auftauchen, er wird systematisch zu einem Mitglied einer Gemeinschaft, die ihn ablehnt oder akzeptiert. Wichtig aber: er wird, da bereits mit seiner alleinigen Präsenz in einem Dialog, nicht mehr als Dritter, als Fremder angesehen.
N. hat sein gesamtes Onlinedasein bei Facebook eingesperrt. Er stellt keine seiner Fotos auf Flickr (mit Ausnahme von Urlaubsfotos und Schnappschüssen) und er verfasst keine relevanten Text-Inhalte mehr. Aus einer geometrischen Form ist eine Kugel geworden, die instabil ist und auf jede Bewegung mit Ausweichen und dem Weg des geringsten Widerstandes reagiert. Ich finde das schade.
Das Login trennt alle von uns. Wir sind dabei, wir machen unsere Regeln, so das als implizit vermittelte PR-Marketing der sozialen Netzwerke. Klar erliegt man diesen Regulativen sehr schnell, doch die Wahrheit sieht anders aus. Hunderte Kontakte bei Facebook sind keinen Pfifferling wert, ihre Anwesenheit bei der letzten Feier gleichzusetzen mit dem leeren Echo einer längst verblassten Bekanntschaft früherer Jahre. Man wird zum Sammler dieser friends, verliert den Jäger, doch wo, wenn nicht in der Konfrontation, findet die Reduktion aufs Wesentliche, das endgültige Aufeinanderprallen charakterlicher Eigenschaften statt?
Gegen den Sammler sträubt sich die Psyche und groß ist die Verlockung, Gossip zum Inhalt zu machen, Fehden aufzupauschen und den Streit – oder gar das Berichten über das Ereignis – als Mittel seiner Charakterisierung zu wählen. Viel bleibt ja nicht übrig, denn die Funktionalität hinter dem Login lässt nicht mehr zu. Tatsächlich Relevantes als Status Update? Lächerlich!
Was aber, wenn nun N. in die Mühlen eines anderen Systems gerät und viel zu spät entdeckt, wie sehr er sich auf Strukturen verlassen hat, die ihm Leichtigkeit vorgegaukelt haben, die er außerhalb des Logins nie erfahren hätte? Es ist ein ganz einfaches Prinzip, das hier zu wirken beginnt: Ein geschütztes Umfeld verhindert Evolution, fehlende Konkurrenz und liebliches Schmeicheln weichen unsere Schutzmechanismen auf und der Sammler steht vor seinem Tod bar seiner Waffen dem Wild hilflos gegenüber.