Netflix und „Fucking Berlin“

Hin und wieder findet man auf Netflix dann doch Unerwartetes wie eben den Film "Fucking Berlin". Und unerwartet ist erwartet gut, egal wie der Film dann am Ende ist.

Ich habe es wieder einmal gewagt und mein Netflix-Account reaktiviert. Nach weniger als 15 Minuten war mir klar, dass das ein Fehler war; es hat sich in den letzten zwei Jahren nichts geändert: es gibt massig Filme und Serien, aber nur weniges davon ist qualitativ zumindest mittelmäßig. „Inferno,“ sage ich nur, oder „Transformers: Age of Extinction“. Man schläft ein, bevor der Vorspann zu Ende ist. Was mir allerdings an diesen zeitweiligen Abonnements bei Netflix dann aber doch ganz gut gefällt, ist, dass ich hin und wieder einen in irgendeiner Nische angesiedelten Film finde, der eine gewisse Nachhaltigkeit erwirkt und somit doch ex post als sehenswert definiert werden kann. Ich mag es, wenn die Erzählung, der Soundtrack oder die vermittelte Stimmung, oder aber – im weiteren Umfeld der Entstehungsgeschichte des Films – die Romanvorlage oder die Umstände ihres Entstehens aus irgendwelchen Gründen dazu führen, dass man sich länger damit beschäftigt. So des öfteren schon geschehen, so auch vor ein paar Tagen mit „Fucking Berlin“, einem zwar bestenfalls mittelmäßigen, dann aber doch auch interessanten Film.

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Trailer zu Fucking Berlin (NSFW nach nur 10 Sekunden)

Fucking Berlin ist die Verfilmung des gleichnamigen autobiografischen Romans von Sonia Rossi. Sie kommt als Studentin nach Berlin und gerät in finanzielle Schwierigkeiten, die sie lösen will, in dem sie sich in die Prostitution einlässt; dort verdient sie schnell und hat – zu ihrem eigenen Erstaunen – kein Problem mit dieser Art von Arbeit. Die Story ist dünn und die Ereignisse vorhersehbar: Studentin gerät in Geldsorgen… lernt jemanden kennen, der sie ins Milieu bringt… freundet sich mit Personen aus dem Milieu an… entwickelt erfolgreich eine Bewältigungsstrategie… ihre neue Identität gerät in Konflikt mit ihrem altem Leben… Diese Geschichte kennen wir alle von unzähligen anderen Filmen und Romanen mit gleichem Inhalt. An sich ist damit alles gesagt.

Und dennoch bietet Fucking Berlin einen kleinen, aber alles entscheidenden Zusatz: die Stadt selbst. Der Film ist keine filmische Umsetzung eines Großstadtromans, die Rolle der Stadt ist aber keinesfalls zu verneinen. Immer wieder taucht sie im den Film begleitenden Monolog der Autorin als etwas lebendiges und aktives auf, immer wieder ist sie Objekt einer Begründung. Bereits im Trailer wird klar, wie eingebettet und in gegenseitiger Abhängigkeit die Erzählerin und die Stadt stehen: „Für mich ist Berlin keine Stadt, sondern ein Rhythmus. Jeder Mensch, den du triffst, ändert deinen Beat.“ Etwas später ist es Berlin, das den Wechsel (von der Freien Universität Berlin hin zur „Oase“ im Plattenbau oder vor die Kamera in einer Gartensiedlung) durch einen radikalen Wandel der Umwelt noch unterstreicht. Und irgendwann heißt es sogar, während Sonia Rossi zu Weihnachten im Puff auf Kundschaft wartet, „so ist Berlin halt.“

Man muss den Film nicht gesehen haben und auch das Buch selbst ist nicht ganz unumstritten (Kritik in der Zeit, Welt.de, SZ), obwohl es offenbar gut angekommen ist. Jedenfalls bildet es den ersten Teil von dreien, in denen die Autorin über ihren Wechsel – das Wort „Abstieg“ wäre aus ihrem Verständnis heraus hier nicht angebracht – in die Prostitution („Fucking Berlin“), ihren Ausstieg daraus und die Suche nach einem Partner („Dating Berlin“), sowie über den Versuch, ein zweites Kind durch In-Vitro-Fertilisation zu bekommen („Kinderwunsch-Tage“) erzählt. Die Musik zum Film ist größtenteils wirklich gut und wer mal eineinhalb Stunden Zeit hat, kann sich ihn – natürlich auch auf Netflix – ansehen.