Bemitleidet

Auf dem Balkon, an der Bar und auf der Tanzfläche bewegen sich die Menschen zur Musik. Der ganze Raum bewegt sich; schwitzende Körper kleben aneinander, bewegen sich im Takt, lieben diese Musik. In einer Ecke, neben der Musiksammlung des DJs steht das blonde Mädel und blickt gleichgültig durch die Tanzenden hindurch. Sie atmet ruhig, fährt sich ab und an durch die Haare und lächelt dabei ein unbeholfenes Lächeln. Sie lehnt an einem kleinen Tischchen, das man oftmals in Bars vorfindet. Ihre Hand liegt auf der schmutzigen Tischplatte. Hin und wieder klopft sie den Rythmus mit ihren Fingernägeln auf die spiegelglatte Oberfläche.

Das Mädel ist mir bekannt, ich spreche sie an und frage sie, was sie zu dieser Gemütsruhe bewegt. Sie antwortet. Ich frage sie nach den Gründen, nach Zusammenhängen, die mir nicht bewusst waren und sie gibt gesprächswillig Auskunft. Ich höre mir ihre Version einer mir noch unbekannten Geschichte an. In ihrem Erzählfluss kann sie sich nicht einordnen; sie weiß noch nicht, welcher Fokus ihr Fokus ist. Ich verstehe nicht viel.

Da nur sie einen für sich passenden Schluss aus der Ansammlung an Geschehnissen ziehen kann, frage ich sie, wie sie sich nun meine Reaktion erwartet und welche Reaktionen es bisher gegeben hat. Sie antwortet, dass man ihr bislang eigentlich nur gratuliert hätte, obwohl… Ja, man hätte ihr nur gratuliert. Ich frage sie, ob ich nun auch gratulieren oder ob ich sie bemitleiden soll. Diese Frage erzwingt in ihr einen Moment des Nachdenkens. Nach wenigen Sekunden antwortet sie mir, dass sie von mir lieber bemitleidet würde, da alle anderen sowieso nur Glückwünsche aussprechen zu einer Situation, der es an Glück wahrhaftig fehlt. Doch würde sie es ihnen nicht böse nehmen; sie akzeptiert diese Wünsche, denn sie weiß, dass es Floskeln sind, deren eigentliche Bedeutung verkommen ist.

Glück wünschen. So würde es passen. Doch dessen sind sie sich nicht bewusst, so das Mädel.