Ich bin soeben von der Ausstellung „Bodies – Die Ausstellung“ heim gekommen und muss sogleich meinen Frust über diese Körperschau im Gasometer loswerden. Selten wurde ich für einen so hohen Eintrittspreis (20 Euro) so dermaßen enttäuscht. Wer sich von „Bodies“ die inszinierte Perfektion einer Von-Hagens-Ausstellung wie zum Beispiel „Körperwelten“ erwartet, wird auf mehreren Ebenen bitter enttäuscht – so meine Meinung.
Die ausgestellten Plastinate wirken für mich unecht und wie aus Plastik oder Wachs zurechtgebogen (ich habe lange überlegt, ob ich auf einer ausgestellten Lunge nicht doch einen Fingerabdruck gesehen habe), sie sind ohne jegliche Kreativität in schön ausgeleuchteten Räume inmitten weiser Sprüche auf violett/grünen Tüchern ausgestellt. „Atmen Sie jetzt tief durch“ – hat meiner Meinung nach nicht viel mit dem Wecken des Interesses zu tun.
Falls man sich die Ausstellung anschaut, weil man tatsächlich interessiert ist und nicht als Schüler einer Biologieklasse hineingeschleppt wird, wird man in meinen Augen auch enttäuscht, denn der interessierte Besucher wird mit spärlichen Erklärungen auf kleinen, weißen Taferln abgespeist, die zu den Exponaten hinzugefügt wurden. (Von den unzähligen Tippfehlern auf den Tafeln einmal ganz abgesehen!)
Die Aufmachung ist ein billiges Abkupfern von Von Hagens Ausstellung, selbst im kleinsten Detail: Zwischen gesunder und Raucherlunge hat man effektheischend einen durchsichtigen Papierkorb gestellt, in den Besucher ihre Zigarettenpackerln wegwerfen können. Tatsächlich lagen da zum Zeitpunkt meines Erscheinens drei lose Zigaretten und etwa fünf Packerln drinnen.
Dass die Ausstellung nicht wirklich breitenwirksam ist, sieht man auch am Publikum: Wenn schon nicht die Biologieklasse, dann treiben sich in den schlecht belüfteten Räumlichkeiten primär Medizinstudenten mit Anatomiebüchern herum; und die vielen Personen, die auf den wenigen Bänken dem Audioguide zuhören zeigen wenig Erstaunen, wohl aber eine unterdrückte Form von Langeweile.
Hinzu kommt noch, dass die Exponate „fremd“ wirken. Nicht nur sind ausschließlich Asiaten ausgestellt, die zwar auf rein wissenschaftlich-technischer Ebene das vermitteln, was sie vermitteln sollen, den Effekt, das ausgestellte Plastikfleisch jedoch auch auf den eigenen Körper zu beziehen – und zwar auch auf eine emotionale Art und Weise – vermeinen diese „Fremden“ jedoch nicht zu erreichen. Im Hinterkopf schwingt natürlich auch der in den FAQ der Website gefundene Absatz mit, der nur Ungutes über den Tod der Ausgestellten vermuten lässt:
Alle Körper dieser Ausstellung kommen aus den „Dalian Medical University Plastination Laboratories“ in der Volksrepublik China. Die Anatomie-Fachärzte aus Asien genießen einen hervorragenden Ruf, ihre Fähigkeiten Körper für die Forschung und die Lehre zu präparieren. (FAQ der Website „Bodies – die Ausstellung“)
Was hatten wir nun schon alles an Kritik? Lieblos ausgestellte Figuren, schlecht gemachte Ausstellung, überteuerter Eintritt, abgekupferte Ideen, offenbar nicht gut plastinierte Exponate, dubiose Herkunft der Leichen, keine genügende Information – ist ja schon eine ganze Menge. Ach ja: auch über den Veranstalter der Ausstellung ist nichts bekannt. Selbst die Homepage der Ausstellung gibt keinerlei Aufschluss darüber, wer da dahinter steht.
Lektion gelernt. Ab jetzt nur mehr das Original!
Bleibt nur mehr, die „Warnung“ auf der Seite des Originals ernstzunehmen. Interessant ist natürlich, dass Von Hagens die Ausstellung „Bodies“ zuerst als Nachahmer eingefallen ist. Gesperrt gesetzte Textpassagen kann ich durch meinen Besuch der Nachahmerausstellung „Bodies“ selbst bestätigen. Von Von Hagens Website:
Der seit 1995 ungebrochen anhaltende Erfolg der anatomischen Ausstellung „Körperwelten. Die Faszination des Echten“, die weltweit als „Body Worlds: The Anatomical Exhibition of Real Human Bodies“ außerordentlich erfolgreich ist, ruft seit einigen Jahren immer mehr Nachahmer auf den Plan. Obwohl Inhalte und Titel dieser Ausstellungen (z. B. „Bodies„, „The Amazing Human Body“, „Body Exploration“, „Bodies Revealed“, „Mysteries of the Human Body“, „The Universe Within“ und seit 2006 „Echte Körper“ in Deutschland) auf Gunther von Hagens’ Körperwelten-Ausstellungen hinweisen, stehen sie in keinem Zusammenhang mit Körperwelten. Sie werden von den Organisatoren der Körperwelten weder finanziell noch inhaltlich unterstützt oder befürwortet.
In Deutschland ist seit vergangenem Jahr die Ausstellung „Echte Körper“ des britischen Instituts Prof. Dr. Williams zu sehen. „Echte Körper“ ist eine Nachahmerausstellung dubioser Herkunft, mit Plastinaten von solch peinlich schlechter Qualität, dass sie das Ansehen der von Gunther von Hagens 1995 etablierten öffentlichen Erlebnisanatomie beschädigt. Da die Initiatoren und Eigner dieser Nachahmerausstellung nicht öffentlich auftreten und die genaue Herkunft ihrer Präparate verschleiern, ist die Seriosität der Ausstellung auch deshalb zweifelhaft. Wer für die Ausstellung tatsächlich verantwortlich zeichnet, ist nicht bekannt. Bei Anfragen nach der Herkunft der ausgestellten Präparate wird auf ein nicht näher bezeichnetes Körperspendeprogramm in den USA verwiesen, zu dem es weder auf der Internetseite noch in Pressemitteilungen zur Ausstellung weitere Informationen gibt und das sich trotz intensiver Nachforschungen nicht recherchieren lässt. Auch persönliche Bemühungen von Gunther von Hagens in seiner Funktion als Gastprofessor der New York University, Dental College, der deswegen anatomische Kollegen in den USA befragte, blieben ergebnislos. Deshalb ist davon auszugehen, dass es ein Körperspendeprogramm für diese Ausstellung nicht gibt, denn ein solches müsste öffentlich sein. International haben anatomische Ausstellungen ähnlicher Machart, die ebenfalls Plastinate zweifelhafter Herkunft zeigen, bereits mehrfach zu Besucherprotesten und heftiger Medienkritik geführt.
Zur Herkunft der in den Körperwelten gezeigten Plastinate bezieht Gunther von Hagens öffentlich und umfassend Stellung. Alle dort ausgestellten Ganzkörperplastinate stammen aus einem einzigartigen Körperspenderprogramm, das Gunther von Hagens bereits 1983 etablierte. Dies trifft auch für alle Teil- und Organplastinate zu. Die wenigen Ausnahmen beschränken sich auf Teilplastinate und plastinierte Feten, die als Feuchtpräparate von anatomischen Sammlungen erworben wurden, um so anatomische Kulturgüter vor dem Zerfall zu bewahren und einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. (Aus der Website von Gunther von Hagens Körperwelten)
Dem ist nicht hinzuzufügen. Die „echte“ Website für Interessierte ist die von Von Hagens, keinesfalls die von „Bodies„.