Das Lu Xun Museum

Lu Xun

Ähnlich wie Thomas Bernhard in Österreich wird auch Lu Xun (oder Lu Hsün) in China verehrt: Einerseits könnte sich der stolze Chinese andauernd über den Verriss seiner Gesellschaft durch den Autor aufregen, andererseits hat es kaum einer so gut getroffen, so gut auf den Punkt gebracht und sich so wenig um die Folgen seines Tuns im Moment des Schreibens geschert. Lu Xun zu lesen heißt sich mit dem Nationalcharacter der Chinesen, quasi dem Chinesentum an sich in seiner vollen Bandbreite von Auswüchsen, auseinanderzusetzen. Obwohl Lu Xun stets das Individuum dem Kollektiv vorgezogen hat, hat ihn Mao Tse Tung als bedeutenden Anführer der Kulturrevolution genannt und viele Autoren fühlten sich durch seine Werke dazu bewegt, die kommunistische Bewegung zu unterstützen. Lu Xun selbst trat nie der KP bei.

Das Museum

Wie die meisten Museen in China ist auch das Lu Xun Museum in Shaoxing eine langweilige Ansammlung von Häusern, in denen der Meister dies und das getan haben soll, von Gebetsstellen, in denen er in diesem und jenem Moment dies und das gebetet haben soll und natürlich von Lokalen, die genau das kochen, was er am liebsten gegessen hat. Durchzogen wird das Museum von einem zum Zeitpunkt meines Besuches stinkenden Kanal, auf dem man auf einem kleinen Boot eine Rundfahrt machen kann.

Beim Haupteingang des Museums herrscht reger Verkehr und Busse voller (chinesischer) Touristen entladen sich, die Gruppe fetzt durchs Museum, steigt wieder in den Bus ein und verschwindet zum East Lake. Wie sieht es aber nun im Museum aus?

Nun, es ist ein Freilichtmuseum, das einen Häuserkomplex beinhaltet, durchzogen von einer Art Hauptstraße (die tatsächlich vom Verkehr als Straße genutzt wird), auf der man allerlei Souvenirs und billigen Ramsch kaufen kann. Natürlich gibt es dort auch – wie auf nahezu jeder Straße in Shaoxing – getrocknete Pilze zu kaufen, getrocknete Fische, getrocknete Schweinsohren und überhaupt noch ein paar andere lukullische Herausforderungen.

Seit kurzem erst gibt es ein ins Museum gebautes neues Gebäude, das ein wenig interessanter ist als die Ansammlung von Anekdoten aus dem Leben des Schriftstellers: Hier wird die Wirkung von Lu Xuns Werk näher untersucht. Besonders interessant war hier zu sehen, dass Lu Xuns Werke ziemlich rasch ins Deutsche übersetzt wurden; zwei Exemplare dieser Übersetzungen sind auch in dem neuen Museum zu sehen. Falls jemand darüber etwas herausfindet, wäre ich für einen Kommentar hier sehr dankbar!

Empfehlung?

Nun ja. Empfehlen kann man das Museum demjenigen, der noch nie in einem chinesischen Museum war, schon, allerdings nur, damit er oder sie feststellen kann und es einmal gesehen hat, was so ein Museum ist und wie sehr man Wissensvermittlung verhunzen kann. Wer sich tatsächlich für Lu Xun und sein Werk interessiert, wird mit diesem Museum wenig Freude haben, denn die Gabe der Vermittlung von Wissen ist diesem Museum nicht eigen. Da ist es schon eher ratsam, den Xinhua-Bookstore gleich ums Eck aufzusuchen, sich dort die deutsche Übersetzung der Kurzgeschichten um knapp zwei Euro zu kaufen und diese im nahegelegenen Teehaus in aller Ruhe zu lesen.

Adresse

Lu Xun Museum Shaoxing
393 Lu Xun Middle Road, Shaoxing 312000, China