Ein Tag vor Weihnachten. Halb elf vormittags. Katerstimmung. Vor vier Stunden bin ich in Schlangenlinien nach Hause gekommen. Der Mantel liegt vor dem Bett, neben dem vorsorglich bereitgestellten Kotzkübel.
Stille Nacht, heilige Nacht…
Der pausbäckige Weihnachtsengel grüßt aus dem Fenster des Nachbarhauses. Dahinter steht die Nachbarin und öffnet ihren Bademantel in meine Richtung. Es interessiert mich kaum; hinter meinen Schläfen spielt ein Dschungelorchester. Ich schließe die Augen und sehe das befürchtete Feuerwerk. Das Schicksal ist grausam zu seinen Stiefkindern! Aspirin hilft wenig, solange man noch auf einem Bein über Glatteis zu stolpern scheint. Also lasse ich es. Wie wäre es mit einem Gläschen zur Wiederherstellung? Auch keine gute Idee. Die Erinnerung an die vergangene Nacht stellt sich bruchstückhaft wieder ein: Eine Feier mit wenig Gästen, dafür aber umso mehr Weinflaschen; unterhaltsame Geschichten über doppelt betrogene Freundinnen; flackerndes Neonlicht, Zementbänke, ländliche Bahnhofsromantik mit Nazisprüchen und Pissflecken unter dem Fahrplankasten. Alle fahren zur Arbeit. Ich fahre ins Bett. Oder zur Hölle. Das Taxi, das mich vor der Haustür absetzt, wird von einem alten Polen mit fettig-grauem Haar und gurkenglasdicker Brille mehr schlecht als recht durch die Eingeweide der Außenbezirke chauffiert. Mir wird ganz einfach schlecht. Er läßt mich aussteigen. Dafür gebe ich ein fürstliches Trinkgeld. Das Aufstehen hat mich nicht einmal von meinem Mageninhalt befreit. Das Sonnenlicht schmerzt. Aber irgendetwas war da noch… Es läutet.
Kling, Glöckchen, klingelingeling…