Digital Immigrants, Digital Natives, Schule und Web 2.0

Erinnerungen an die Schulzeit: Es gibt Lehrer, die den Unterrichtsstoff gut, leicht und verständlich vermitteln können und es gibt Lehrer, denen das nicht gelingt, obwohl sie teils wirklich interessante Fachgebiete betreuen. Woran liegt das? Warum gelingt es einigen, den Unterricht spannend und motivierend zu gestalten, anderen wiederum nicht; sie sind prädestiniert dafür, mit Copy-Paste-Hausübungen abgespeist zu werden. Wieso? Die Sprachbarriere ist’s, derer manche Lehrkräfte nicht mehr Herr werden, die Sprachbarriere zwischen Digital Natives und Digital Immigrants.

Völlig anders denken

Das Problem des Dialogs zwischen Schüler und Lehrer liegt im fundamentalen Unterschied ihrer beiden Wahrnehmungsformen bestimmter Inhalte: Die Schüler von heute sind nicht die Menschen, für die das Bildungswesen konzipiert wurde, sie sind (im Vergleich zu Schülern früherer Generationen) grundlegend anders: Sie sind mit digitalen Technologien groß geworden und sie benutzen sie als alltägliches Werkzeug.

Für diese Generation bilden Computer- und Videospiele, iPods, Videokameras, Mobiltelefone, PDAs und WLAN die Norm und nicht das Besondere. Für sie sind digitale Technologien das Werkzeug, mit dem man Probleme löst, daher nutzen und benutzen sie es andauernd. Der statistische Maturant hat in seinem Leben weniger als 5.000 Stunden gelesen, hat aber in etwa 10.000 Stunden Videospiele gespielt und mehr als 20.000 Stunden ferngesehen. Computerspeiele, E-Mails, das Internet, Mobiltelefonie, Chat und SMS sind integrale Bestandteile seines Lebens.

Aber auch Lehrere, vor allem junge, sind mit diesem fundamentalen Problem konfrontiert: Sie selbst haben bereits Erfahrung mit digitalen Technologien, einige von ihnen gehören bereits zu den Early Adopters der oben genannten Generation, ihre Kompetenz in diesen Dingen ist gegeben. Sie wurden allerdings durch ein nach alten Schemata durchgeführtes Studium gepresst und in ihren Möglichkeiten in Bezug auf den Einsatz digitaler Technologien stark eingeschränkt. Das Bildungssystem, dem sie nun abermals unterworfen sind, hat sie zurückversetzt in eine Zeit, in der digitale Technologien wenig bis kaum Bedeutung hatten.

Der Umgang mit digitalen Technologien schafft innerhalb dieser Generation einen neuen Typus von Denken und Informationsverarbeitung, sowie eine Art und Weise mit Informationen umzugehen, die es früher nicht gegeben hat. Diese Änderung des Denkens ist weitreichender und tiefergehend als es sich die meisten Eltern und Lehrer (älterer Generationen) vorstellen können. Einige Wissenschaftler wie beispielsweise Timothy VanSlyke behaupten sogar, dass diese Änderung des Denkens auch physische Änderungen des Gehirns mit sich bringt, dass sich die physische Struktur bestimmter Gehirnregionen aufgrund des erhöhten digitalen „Grundrauschens“ in der Umgebung eines Heranwachsenden im Vergleich zu den Generationen davor verändert hat.

Diese neue Generation von Schülern nennt Marc Prensky „Digital Natives„. „Natives“, weil sie in der digitalen Sprache von Computern, Videospielen und Internet aufgewachsen sind und mit digitalen Technologien ganz beiläufig und selbstverständlich umgehen. Im Gegensatz dazu gibt es die „Digital Immigrants“, also diejenigen von uns, die zu einem späteren Zeitpunkt, außerhalb der prägenden Phasen ihres Lebens, von den neuen (digitalen) Technologien fasziniert wurden und erst dann begonnen haben, sie anzuwenden. Sie sind, weil nicht damit aufgewachsen, stets „Einwanderer“ in der digitalen Welt. Obwohl sie die neue Umgebung schnell adaptieren und sich in ihr teilweise sehr gut zurechtfinden, verrät sie dennoch ihr Akzent aus vergangenen Zeiten. Ein paar Beispiele:

  • Das Internet wird erst zweitrangig zur Informationsfindung genutzt, das Lexikon bietet „seriösere“ Informationen.
  • Digital Immigrants gehen nicht davon aus, dass sich ein Programm selbst erklärt oder selbsterklärend ist. Die Frage nach dem Handbuch ist Norm und nicht Ausnahme.
  • E-Mails werden als nicht gleichwertig mit anderen Formen der Kommunikation wie Fax, Brief oder Anruf angesehen.
  • Asynchrone Kommunikation fühlt sich nicht „echt“ an, daher der Anruf nach Versand einer E-Mail: „Hast du mein E-Mail erhalten?“
  • Die Bearbeitung von Texten findet nicht am Bildschirm, sondern auf einem Ausdruck statt, den die Sekretärin danach wieder abtippen muss.
  • Die Tätigkeit am Computer wird noch immer irgendwie als „Spiel“ und nicht als Arbeit verstanden, sofern nicht Tabellen und Dokumentseiten den Bildschirm zupflastern.
  • Eine interessante Website zeigt man Kollegen, indem man sie ins Arbeitszimmer ruft und sie auf den Bildschirm sehen lässt. Dass man das auch mit einem E-Mail und mit der URL der Seite machen könnte, kommt als Möglichkeit gar nicht in Betracht.
  • Ganz besonders Digital Immigrant: Hört man eine Radiosendung auf Ö1 und es wird über eine Website gesprochen, so wird zwar am Ende der Sendung darauf hingewiesen, dass es eine Ö1-Homepage gibt, die URL der in der Sendung vorgestellten Website erfährt man allerdings beim Ö1 Kundenservice unter der Telefonnummer (01) 50170371!

So könnte man hunderte Beispiele aufzählen, die Digital Immigrants gegenüber Digital Natives entlarven. Das ist zwar witzig auf der einen Seite, im Grund genommen aber ein fundamentales Problem: Nicht nur sind Digital Immigrants in starker Abhängigkeit von Digital Natives, wenn es um die Benutzung neuer Technologien geht, sie können in bestimmten Gebieten kaum mehr mit Digital Natives kommunizieren, ganz zu schweigen davon, ihre Gedankengänge verstehen, weil sich die Sprache, Art und Weise des Kommunizierens dieser neuen Gruppe verändert hat und mit der Sprache der Vorgängergenerationen kaum kompatibel ist. Die Wort sind gleichgeblieben, die Bedeutung ist eine andere.

Dieses fundamentale Generationenproblem wirkt sich vor allem im Bildungswesen, besonders bei den heute noch tätigen Lehrern älterer Generationen aus. Sie selbst sind – wenn überhaupt! – Digital Immigrants und unterrichten mit ihnen vertrauten Mitteln und der ihnen vertrauten Sprache – der Sprache des vor-digitalen Unterrichtswesens -, mit der sie ihre Schüler motivieren und zu Leistungen erziehen wollen. Für Digital Natives ist das aber ein Problem: Sie werden in einer nahezu fremd erscheinenden Sprache mit auf sie anders als beabsichtigt wirkenden Schlussfolgerungen unterrichtet! Ihre Art zu Informationen zu gelangen ist völlig anders und folgt einer anderen Herangehensweise:

  • Digital Natives sind es gewohnt, Informationen äußerst schnell zu erhalten und zu verarbeiten – Wörterbuch vs. LEO – ihre Geduldsfaden reißt schnell, wenn die Beschaffung der Information mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Verarbeitung und die Lösung des Hauptproblems.
  • Digital Natives bevorzugen Parallelprozesse und Multi-Tasking; sie lehnen die schrittweise und betreut-geführte Annäherung durch eine Person an ein Problem ab.
  • Sie denken in Bildern, Grafiken und Animationen, bevorzugen eine grafisch aufbereitete Form der Inhaltsvermittlung und lehnen eine rein auf Texten basierte Vermittlung von Lehrinhalten ab. Diese Ablehnung erfolgt nicht in Form des Nicht-Lesen-Wollens, sondern in einem emotional gebündelten Ablehnungsverhalten dieser Art und Weise der Vermittlung von Inhalten.
  • Lernen erfolgt bei ihnen nicht linear nach vorgegebenem Schema, sondern objektorientiert und projektbezogen: Das Problem wird in Wissen und Unwissen zerlegt und das Unwissen zielgerichtet in Form von inhaltlichen Verbindungen (wie zum Beispiel Hypertext) erarbeitet. Ein Digital Immigrant analysiert den Motor, nachdem er Mathematik-, Physik- und Maschinenbaustunden genommen hat, ein Digital Native verlässt sich darauf, dass er die konkrete Antwort auf seine konkrete Frage im Internet oder einem anderen Informationsmedium erhält, selbst auf die Gefahr hin, die Fachbegriffe nicht zu verstehen. Dagegen hilft dann das Online-Lexikon oder eine Animation, die den Begriff erklärt.
  • Digital Natives arbeiten am besten, wenn sie in Netzwerken arbeiten, in denen sie sich häufig und unmittelbar loben oder ausbessern. They thrive on instant gratification and frequent rewards.
  • Der Unterschied zwischen Spiel und Lernen verschwindet: Lernen kann auch Spaß machen, wenn die Form der Präsentation passt. „Seriöses Arbeiten“ wie es die Elterngeneration noch tun musste, ist für sie unerträglich. Die Motivation zum Lernen muss von innen, nicht von außen kommen.

Diese Eigenheiten der Digital Natives stoßen bei Digital Immigrants auf nur wenig Verständnis. Immer wieder probieren sie, trotz negativem Feedback und immer stärker sinkenden Erfolgszahlen, ihr althergebrachtes Unterrichtsschema im Unterricht dieser neuen Generation von Schülern umzusetzen. Schritt für Schritt, alles zu seiner Zeit, Ernsthaftigkeit und allgemeines Verständnis vor Detailwissen. Sie scheinen nicht zu verstehen, dass es nicht der Unwille mancher Schüler ist, sich nach diesem Schema Wissen zu erarbeiten, sondern die physische Unfähigkeit und emotionale Ablehnung dieses Typus von Unterricht. Er wirkt fremd auf sie.

Unaufmerksam und unkonzentriert

Unaufmerksam und unkonzentriert wirken die Schüler nach nur wenigen Minuten Unterricht. Liegt es am Vortrag des Lehrers? An den Inhalten? Oder ist es doch der Schüler selbst, der beruhigt werden muss? Überflüssige Fragen, berücksichtigt man das Vorhandensein völlig anderer Denkweisen.

Eine Generation von Schülern, die mit rasch wechselnden Inhalten von Videospielen zu tun hat oder Kürzestbeiträgen auf MTV und VIVA noch so viel Inhalt abgewinnt, hat ein Problem damit, dem 50-minütigen Monolog eines Lehrers zu folgen und die von ihm präsentierten Inhalte zu verarbeiten. Querverbindungen zu relevanten Inhalten, rasch wechselnde Herangehensweisen und das Miteinbeziehen der Schüler in die Erarbeitung der Inhalte ist die Lösung gegen Unaufmerksamkeit. Intelligent sind sie ja: Wenn es diesen Schülern gelingt, in der Freizeit die Prüfung zur Privatpilotenlizenz eines Flugsimulators zu meistern, wenn es diesen Schülern gelingt, hunderte Namen, Lebensweisen und kulturelle Leistungen wie technische Fähigkeiten verschiedener Zivilisationen eines Rollenspiels auswendig zu lernen, und das ganz ohne Aufwand und Zwang, dann werden sie sich bei dementsprechender Präsentation auch nicht schwertun, die Hauptstädte, Einwohnerzahlen und geografischen Begebenheiten der Länder Europas zu merken.

Zudem sind Digital Natives in der Menge des Wissens unterfordert. Sie sind es gewohnt, sich durch teils deutlich voneinander unterscheidende Inhalte zu arbeiten, mit denen sie durch Hypertext oder Zappen am Fernseher konfrontiert werden, während sie Musik herunterladen, Kurznachrichten auf ihren Handys beantworten, die Bibliothek auf ihrem Laptop durchsuchen und Chatten. Sie haben ihr ganzes Leben lang in Netzwerken gelebt und wurden von Informationen regelrecht zugedeckt; sie haben wenig Verständnis für Lektionen, Schritt-für-Schritt-Logik, Arbeitsblätter und Frontalunterricht. Stete Informationszufuhr auf vielen verschiedenen Kanälen gleichzeitig bringt mehr Erfolg als das Fokussieren auf einen Lerninhalt, den die Schüler nur zu geringen Teilen aufnehmen.

Von Lehrenden diagnostizierte Unaufmerksamkeit und der Mangel an Konzentration, den sie feststellen, führt nicht selten auch dazu, dass Schüler den traditionellen Bildungsweg verlassen und in alternativen Bildungswegen (im Endeffekt meist autodidaktisch) deutlich erfolgreicher und produktiver sind. Wenn der als „neue Unterrichtsform“ getarnte „Frontalunterricht mit der Möglichkeit nachzufragen“ durch die Bemerkung eines Schülers gestört wird, der vor Langeweile Hunger verspürt und diese Bemerkung „www.hunger.com“ lautet, dann ist das wohl der krasseste Gegensatz, mit dem sich Schüler und Lehrer begegnen können. Auf den Punkt bringen es allerdings Aussagen von Schülern, die Kritik an den Lehrern üben: „Der Vortrag ist so langweilig, das kann ich mir zuhause selbst durchlesen.“ Das allerdings, ist nur die eine Seite.

Die Langeweile der Schüler kann allerdings auch nicht durch die Art des Vortrags zustande kommen, sondern durch die Inhalte oder die Anwendung der Inhalte selbst. Bestimmte Inhalte sind für die Anforderungen des Lebens an einen Heranwachsenden weniger wichtig als andere: Alte Sprachen bilden zwar einen Schatz an Lebenserfahrung und machen bestimmte Bildungstypen überhaupt erst möglich, notwendig sind sie aber, im Gegensatz zu anderen Fachgebieten wie Mathematik, Fremdsprachen oder EDV, nicht. Die Diskussion, ob der Taschenrechner verwendet werden sollte, ist obsolet und aus der Sicht der Digital Natives sinnlos, viel nützlicher wäre die Demonstration der Möglichkeit einer Notwendigkeit, Rechnungen auch ohne Taschenrechner lösen können zu müssen; und wenn das auch im Rahmen eines World-of-Warcraft-Spieles geschieht, in dem der Spieler rasch die Kampfstärken der Feinde addieren und den anteilsmäßigen Wert, mit dem seine Figur konfrontiert werden könnte, errechnen muss! Der Unterschied? Nur der Blickwinkel. Am Ende müssen die Schüler das Einmaleins auswendig können.

Was nun? Wer muss sich ändern: Schüler oder Lehrer?

Die Frage, die aus der Spaltung in Digital Natives und Digital Immigrants resultiert, ist: Wer muss sich ändern? Muss es den Schülern gelingen, einen Gang zurückzuschalten und die Sprache der Lehrergeneration zu lernen, um sie in ihre Welt übersetzen zu können oder muss es den Lehrern gelingen, sich in die Welt neuer digitaler Technologien zu integrieren? Will man die Entwicklung der Schüler nicht bremsen, müssen sich die Lehrer dazu aufraffen, die neue Sprache so gut wie möglich zu lernen! Das bedeutet nicht, dass sie Lehrinhalte ändern müssen oder bestimmte, immer schon als wichtig erachtete Themen vom Unterricht ausschließen, nein, viel mehr geht es um die Art und Weise des Vermittelns solcher Inhalte und um die Fokussierung auf bestimmte Bereiche dieser Inhalte; das ist es, was sich ändern muss.

Das Schritt-für-Schritt-Schema sollte durch ein stark inhaltsorientiertes und konkret problemlösungsbezogenes Unterrichten ersetzt werden: Die Kategorisierung aller Tiergruppen mag wichtig sein, doch Sinn macht sie erst, wenn der Schüler versteht, wofür sie nötig ist. Bei Turnübungen wird diese Form der Erkenntnis seit Jahren angewendet und entspricht dem natürlichen Verlauf: Ziehst du deine Knie nicht an den Oberkörper, schlägst du dir die Schienbeine am Kasten an – ein logischer und einleuchtender Schluss! Warum ein an Religion interessierter Schüler wirklich verstehen muss, wieso diese Moleküle sich mit jenen Molekülen verbinden, bleibt ihm immer ein Rätsel, zumal der Grundtenor der Allgemeinbildung allein schon aufgrund der Masse an Fachgebieten realistischer Weise nicht mehr erreichbar ist.

Der zweite Punkt ist ein Überdenken der Lerninhalte. Es gibt Fachgebiete, die notwendig sind, solche, die nützlich sind und solche, die interessieren können. Aus dieser Unterteilung ergibt sich ein neu ausgelegter Lehrplan, der es vielen Schülern leichter macht, ihre späteren Ausbildungsphasen besser bestimmen zu können und sich darin zurecht zu finden. Wie viele Lateinvokabel haben irgendwem in der Kostenrechnung geholfen? Wie viele altgriechischen Phrasen dazu motiviert, das Physikstudium durchzuziehen? Wie sehr hat die EDV-Ausbildung beim ersten Excel-Sheet gefehlt? Wie viele haben noch immer nicht den Unterschied zwischen Formatierung, Formatvorlage und Strukturformatierung in Word kapiert? Wie sehr hat die Kenntnis von Gesteinsgruppen in Mitteleuropa das Leben eines Marketingexperten beeinflusst? Doch wie unterteilt man die verschiedenen Fachgebiete in die drei Gruppen?

Fachgebiete, die notwendig sind: Kenntnisse des Lesens, Schreibens, der Arithmetik, des logischen Denkens und des Verstehens von Inhalten auch nach hermeneutischen Aspekten. Unter die Fachgebiete, die notwendig sind, fallen die als „klassische Bildungsinhalte“ geführten Gebiete. Besonders auch die Art und Weise des Unterrichts dieser Gruppe ist entscheidend: Nicht als Selbstweck sollen die Fremdsprachen beispielsweise unterrichtet werden, sondern als Werkzeug, um andere Aufgaben damit lösen zu können!

Fachgebiete, die nützlich sind: Unter diese Inhalte fällt alles, was es dem Großteil der Schüler erleichtert, die höheren, auf anderen Wissenschaften aufbauenden Probleme ihre Lebens lösen zu können. Das Verstehen aktueller Software, sowie das Verständnis grundlegender Prinzipien von Nutzeroberflächen, Grundlagen der Hardware, der Robotik, der Nanotechnologie, Mechatronik und Genomik, ein Ethikunterricht, der sich aus den Bildungsinhalten Religion, Geschichte und Philosophie zusammensetzt und den herkömmlichen Religionsunterricht ersetzt, die Ausbildung in Politik, Wirtschaft und Recht unter besonderer Berücksichtigung internationaler Beziehungen und der Relativität dieser Begriffe, der Unterricht von Fremdsprachen, auch solcher, die man in Mitteleuropa wenig bis kaum unterrichtet (Russisch, Chinesisch, Hindi, Arabisch), die Vermittlung von grundlegenden Kenntnissen in bis dato nicht einmal erwähnten Fachgebieten wie zum Beispiel der soziologie, um gesellschaftliche Vorgänge in Politik und Wirtschaft besser verstehen zu können. In diese Gruppe gehören allerdings auch Fachgebiete, die es zwar bereits schon lange in den Bildungskanon geschafft haben, diesmal jedoch leicht abgewandelt präsentiert werden. Die Mathematik, beispielsweise, sollte sich stärker auf Wahrscheinlichkeitsrechnungen, die korrekte Auswertung von Statistiken und auf Praxisbezogenes (zum Beispiel Wirtschaftsmathematik) konzentrieren.

Fachgebiete, die interessieren können: Hierunter fallen alle Lehrinhalte, die nur in bestimmten Fällen nützlich sein können, darunter zum Beispiel die euklidische Geometrie, die Lehre alter Sprachen wie Latein oder Griechisch, der Unterricht von nicht objektorientierten Programmiersprachen, der Unterricht einer bestimmte Religion.

Die entscheidende Frage, die man sich allerdings vor so einem Wechsel in der Unterrichtspolitik stellen muss, ist: Wie viele der Digital Immigrants können diese Fächer qualitativ hochwertig und den Ansprüchen der Digital Natives gerecht erfolgreich vermitteln? Wie viele Lehrer, das als provokative Frage dahingestellt, sind überhaupt befähigt, Grundlagen von zum Beispiel Politik, Wirtschaft und Recht tatsächlich zu vermitteln? Wer kann das hier Skizzierte tatsächlich unterrichten?

Grundlegende Änderungen im Bildungswesen

Grundlegende Änderungen im Bildungswesen, sei es schulisch, universitär oder in Form von Museen, Veranstaltungen und Themenwochen, sind notwendig, denn es sind nicht nur die Digital Natives die Probleme mit der Verarbeitung von nach alten Methoden präsentierten Inhalten haben, auch die Digital Immigrants haben sich schon weit von ihren Wurzeln entfernt und verstehen die „neue“ Sprache oft besser als die alte.

Denken Sie doch einfach an ihren letzten Museumsbesuch oder ihren letzten Versuch, politische Ereignisse tatsächlich zu verstehen. Wer sich nicht schon zuvor mit den Exponaten oder den (historischen) Zusammenhängen befasst hat, scheitert daran, Interesse für die Dinge aufzubringen und läuft Gefahr, sein Wissen über diese Welt mit von Laien zusammengestückelten, qualitativ minderwertigen Erklärungsmodellen aufzubauen. Ein Beispiel?

Es ist Kunsthistorikern, Architekturprofessoren, Politikern und Tourismusmanagern über Jahre hinweg nicht gelungen das Interesse für die Kunstsammlung des Louvre, für die Stadt Paris und das Land Frankreich so sehr und so stark zu wecken, wie es dem Autor Dan Brown mit dem Da Vinci Code gelungen ist. Abertausende haben sich nach Veröffentlichung des Buches, noch viele mehr nach dem Erscheinen des Kinofilms auf die Reise gemacht, um sich das alles vor Ort anzusehen. Ihr Interesse an den Dingen wurde geweckt und hat sie sogar motiviert, dafür Geld auszugeben. Es ist unbestritten: Wissensvermittlung funktioniert, sofern sie auf die Lernenden/Interessierten abgestimmt ist.

Weitere Beispiele könnte man noch viele aufzählen, ein Blick auf die Amazon-Bestsellerlisten zum Thema Politik zeigt jedoch, dass es findigen Autoren und Populärwissenschaftlern mit teils zweifelhaften Thesen wesentlich besser gelingt Wissen zu vermitteln als Menschen, die sich mit diesen Themen auf akademischem Niveau auseinandersetzen; ist das Ignoranz? Am 19. November 2008 fanden sich in dieser Bestsellerliste unter anderem Titel von Guido Knopp, der scheinbar alle paar Wochen ein Buch publiziert, Hans Weiss mit seinem Bericht über korrupte Mediziner und die „Kurze Weltgeschichte für junge Leser“ (ein Buch, das offenbar seit Jahren die Fehler und das Versagen des Geschichteunterrichts in Schulen ausgleichen muss) oder der „Baader-Meinhof-Komplex“ von Stefan Aust. Was ist der Punkt der ganzen Sache? Schüler sind aufnahmefähig, und sie gieren regelrecht danach, mehr wissen zu wollen, doch wird ihnen das Lernen und Erforschen von Inhalten durch völlig verfehlte Methoden schwer gemacht, die Schule vermiest und das Interesse verläuft sich im Frust.

Auch das klassische Edutainment, wie man es seit ein paar Jahren krampfhaft versucht, ist gescheitert; wer die Verpackung, nicht aber das Produkt selbst ändert, wird früher oder später damit klarkommen müssen, dass die Änderung unnötig und sinnlos war. Nur neue Methoden, eine neue Art und Weise von Wissensvermittlung kann Schüler zu Höchstleistungen motivieren. Wie schon oben erwähnt: Gibt es irgendeinen Grund für eine Generation, die sich mehr als 100 Pokémon-Figuren mit all ihren Charakteristika merken kann, die Geschichte, die Bevölkerungszahlen, die Hauptstädte und die Beziehungen der Länder dieser Welt untereinander nicht zu merken? Es kommt nur darauf an, wie man dieses Wissen präsentiert!

Ein Kritikpunkt an der Alternativen Vermittlung von Lehrinhalten lautet: Die Wissensvermittlung in Form von Edutainment und Computerspielen funktioniert nur für die Vermittlung von Fakten, sie scheitert aber bei der Vermittlung komplexer Systeme und Beziehungen. Das ist, so Prensky, Nonsens. Eine im Rollenspiel simulierte Wannsee-Konferenz kann die Möglichkeit des Holocaust besser vermitteln als jedes trockene Geschichtsbuch. Ebenso die Faszination für faschistische oder streng militarisierte Systeme – wie Morthon Rhue eindrucksvoll in „Die Welle“ beweist. Er und andere gehören zu Vordenkern dieser Möglichkeiten, doch wann zieht der Rest endlich nach?

Web 2.0? Nicht so ganz „native“ wie man sich das vorstellt, vielleicht „naiv“?

Wie beeinflussen sich Web 2.0 und die Digital Natives gegenseitig? Wie kreativ sind Digital Natives wirklich im Internet? Wie sehr benützen sie die Möglichkeiten, die ihnen geboten werden? Oder ist das alles nur die Annahme von Außenstehenden, und in Wahrheit tummeln sich sowohl Digital Natives als auch Digital Immigrants in den selben Netzwerken herum und nützen die Services auf die gleiche Art und Weise? Ist ihre Aufnahmefähigkeit für neue Inhalte tatsächlich uneingeschränkt gegeben oder ist das alles nur ein müder Erklärungsversuch das Schulsystem zu attackieren?

Das Web 2.0, eine optimale Versuchsanordnung hierfür, bietet messbare Werte für die Aufnahmefähigkeit der Natives an und zeigt – ebenso gut messbar – ob und wie die dort vermittelten Inhalte verarbeitet werden. Setzen wir den optimalen Lehrer für Digital Natives mit den Einflüssen auf die Schüler im Web 2.0 gleich, müsste sich eigentlich ein ganz bemerkbarer Zuwachs an (relevanter) Information im Web messen lassen. Mit den Mitteln digitaler Technologien, mit dem Spaßfaktor des sozialen Arbeitens und mit den Möglichkeiten des Web 2.0 müssten die Digital Natives ameisengleich an neuen Inhalten arbeiten, sie umsetzen und auf ihre Art und Weise veröffentlichen. Gehen wir davon aus, dass auch Inhalte der Kategorie „Inhaltsangabe der letzten King of Queens-Folge“ relevante Inhalte seien.

Und siehe da, es sieht weniger optimistisch aus als das prolongiert wird!

„Die Produktion eigener Inhalte ist auch für die jungen Nutzer eher die Ausnahme,“ so die Blogpiloten eine ARD/ZDF-Studie zitierend, und die Reichweite dieser Aussage ist größer als vorerst angenommen: Digital Natives sind zwar mit digitalen Technologien aufgewachsen und haben ihr Denken an die strenge Logik der Computerprogramme, Videospiele und ihres iPods angepasst, sind stärker vernetzt und multi-tasking-fähig, doch führt das nicht unbedingt zu einer anderen (besseren?) Art Verarbeitung von Information und zur Benutzung dieser digitalen Hilfsmittel; zwischen Digital Immigrants und Digital Natives gibt es vielleicht einen Unterschied in Bezug auf das geistige Verarbeiten von Information und in Bezug auf die Anforderungen der Informationsbeschaffung, die Umsetzung allerdings bleibt bei beiden auf der Strecke. Die Vermutung, dass es die Digital Natives sind, die sich ihren Inhalt selbst im Web erschaffen, wird im Keim nahezu erstickt. Weiter die Blogpiloten zum Thema User Generated Content:

Nur etwa ein Drittel ist laut der ARD/ZDF-Studie überhaupt daran interessiert. Auch die gute alte E-Mail ist noch längst nicht tot: Von den 20-29-Jährigen wird sie wesentlich häufiger genutzt (zu 96 Prozent) als etwa Chats oder Foren (46 Prozent) oder Instant Messaging (60 Prozent). Senden und empfangen von E-Mails und die Nutzung von Suchmaschinen gehören zu den beliebtesten Internetaktionen – bei den 14-Jährigen wie bei den 60-Jährigen. Auch Weblogs werden nur von einer Minderheit der jungen Nutzer gelesen oder gar selbst geführt. Die OECD berichtet (…), dass knapp über 20 Prozent der 16-24-Jährigen Deutschen eine eigene Website oder ein Blog betreiben würden.

Und das ist entgegen den Erwartungen an eine Generation, die damit aufwächst, nicht viel. Soweit mir bekannt, gibt es keinerlei Erklärungsmodelle dafür, warum Digital Natives weniger zur tatsächlichen Aufarbeitung von Inhalten (in Newsgroup-Diskussionen und Blogartikeln) als eher zur halb-dämlichen Diskussion der letzten Trinkorgie in sozialen Netzwerken (StudiVZ, Facebook, MySpace) und Foren tendieren. Flickr und themenbezogene Foren sind da noch die Creme de la Creme der Diskussionskultur, Nonsensforen, deren Themengebiete einfach alles von „Sportliche Aktivitäten und Events“ bis hin zu „Karriere, Finanzen und Rechtliches“ umspannen oder die StudiVZ-Gruppen (zum Beispiel „Vegetarier sind die Leute, die meinem Essen das Essen wegessen“) bilden das andere, das dunkle Ende dieser Skala. Woran liegt es, dass Digital Natives eher zu Flachem als zu Tiefgründigem etwas zu sagen haben?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihre Wertigkeiten sosehr verschoben sind, dass es wichtiger ist am Torunament irgendeines Onlinespiels teilzunehmen als am Wahlsonntag wählen zu gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die funktionierende Partnerschaft durch ein von Computern erstelltes Beziehungsprofil zerstört werden kann (obwohl…). Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass kurzlebige, Werbebotschaften ähnliche Inhalte mehr persönliche Befriedigung erzeugen als komplexe, nur durch tatsächliches Erarbeiten (in welcher Form auch immer) verständliche Inhalte.

Doch Facebook, StudiVZ, Orkut und Co. locken die Digital Natives an, indem sie ihnen die Inhalte vorgeben, die sie verarbeiten können. Die Möglichkeit, etwas zu leisten (indem man einen Kurzfilm dreht) und die unmittelbare Belohnung auf abstrakter (Top Score-Listen, etc.) sowie persönlicher Ebene (Pluspunkte, mehr „Followers“, mehr „Freunde“ in sozialen Netzwerken) zu erhalten, ist attraktiver als das womöglich ignorierte Dasein eines Blogs oder die stark abstrahierte Form der Belohnung in einer Schularbeit. Ein Beispiel, das genau diese Belohnung für Leistung und die Attraktivität sozialer Netzwerke verdeutlicht? Mitgleider eines sozialen Netzwerks wurden im Rahmen des Habbowood-Wettbewerbs dazu aufgerufen, einen Kurzfilm zu gestalten. Die Werkzeuge wurden zur Verfügung gestelltund die Belohnung erfolgte durch Kommentare und Views des selbtgedrehten Kurzfilms. Eigentlich lächerlich, für Mitglieder dieser Netzwerke jedoch persönlichkeitsbildend.

Auch Facebook und StudiVZ spielen das Spiel der Motivation von Digital Natives, sich mit vorgegebenen Themen auseinanderzusetzen, hier jedoch mit dem Hintergrundgedanken, zuerst den wenigen Mitgliedern beizubringen, wie es zu laufen hat, sich danach aber darauf verlassen, dass sie diese Überzeugungsarbeit bei den Neuen erledigen. Welches Auseinandersetzen ist gemeint? Nichts, was man nicht auch ohne Bildung erledigen könnte und alles, was diese Netzwerke brauchen, um zielgerichtete und personalisierte Werbung platzieren zu können oder die Mitglieder zu hörigen Stars umzuwandeln. Wie schnell man vom Gruppenzwang erfasst und zur Offenlegung persönlicher Informationen gedrängt wird, hat Götz Hamann ausgetestet:

Lauter weiße Felder haben die Leute von Facebook eingerichtet. Sie signalisieren: „Du hast längst nicht genug von dir aufgeschrieben.“ Meine Hobbys könnte ich eintragen, welche Musik ich mag, welche Filme. Beschreiben soll ich mich auch.

Klar, dass diese Netzwerke sich selbst zu zentralen Orten der Kommunikation machen: Wer gezwungen wird, so viel von sich preiszugeben, verschwindet entweder gleich oder füllt die „weißen Felder“ mit persönlichen Daten und partizipiert im oberflächlichen Alltagstratsch.

Was im Hintergrund läuft, ist bedenklich – und darin liegt auch die Gefahr, der Digital Natives ausgesetzt sind: Ihre Privatsphäre ist längst nicht mehr privat. Das Beispiel vom neuen Job und den Fragen zu intimen Details seitens des Firmenvertreters, kennen wir schon; wie sieht es aber aus, wenn ein Netzwerk misst, wie oft man bei McDonald’s isst oder sich eine Tiefkühlpizza macht? Und ja, diese Daten werden verkauft, denn schließlich muss sich der Netzspielplatz für die Digital Natives finanziell auch lohnen. Und genau in diesem Punkt setzen die Digital Immigrants, die Sponsoren und Förderer dieser neuen Spielplätze, ihren Brückenschlag zum Verständnis der Digital Natives an: Sie nutzen das Vertrauten der Natives in digitale Technologien aus und benutzen es, indem sie immer detailliertere Profile ihrer Nutzer erstellen und vorerst nur Werbung, später aber sicherlich auch (zum Beispiel medizinische und versicherungstechnische) Leistungen individuell angepasst anbieten. Digital Natives sind zwar die Herren ihrer digitalen Welt, doch es gibt auch noch Menschen, die hinter der Matrix herumwerken. Auch hier muss Schule Aufklärungsarbeit leisten, Zusammenhänge aufzeigen und den Digital Natives vermitteln, wie sie mit ihren Informationen umgehen sollten. Es reicht nicht allein, mit digitalen Technologien aufgewachsen zu sein, man sollte auch wissen, was man eigentlich im Web gerade tut!

Doch Zurück zu Natives, Immigrants und dem Mitmach-Web. Falk Lüke stellt sich die Frage, ob Digital Natives nicht in Wirklichkeit naive Tölpel sind, die zwar mit den Technologien vertraut sind, aber nicht die Hintergründe verstehen und sich lediglich von vorgegebenen Anforderungen treiben lassen. Zu Digital Natives hat er eine ganz klare Meinung:

Ja, es gibt viele Kinder/Jugendliche die spielen wollen. Aber es gibt wesentlich weniger, (…) die man als digitale Natives bezeichnen dürfte. Der Großteil sind digitale Naives, wie sich am Beispiel StudiVZ derzeit wunderbar zeigt: gut gebildete junge Menschen mit ganz wenig Gespür für das, was sie im Netz machen. Konsumenten erster Klasse.

Und keine Angst, derzeitige Schüler sind keineswegs besser. Was bei MySpace und in Weblogs (…) passiert, es zeugt nicht vom Verständnis für die Gerätschaften, die man ihnen in die Hand gedrückt hat. Sie können es meist anwenden, was sie von den zahlreichen „Oh mein Gott, mein Computer hat gepiept“-Anwendern, die heute noch in den Büros sitzen unterscheidet. Sie remixen dabei eifrig und scheren sich unbewusst nur selten um Konventionen. Und vielleicht verstehen sie irgendwann auch, dass diese Werkzeuge für mehr als die digitale Fortsetzung ihrer Power Rangers- oder Li-La-Launebär-Kindheit, ihrer GZSZ- oder BigBrother-Staffel-27-Jugend und ihrer StudiVZ et. al.-Gegenwart taugt. Und vielleicht dürfen sie dann irgendwo anders über Dinge entscheiden als im Onlineshop von Apple oder Amazon.

Ich bin mir nicht sicher, wie sehr Lüke hier recht behält, wenn man sich den Einfluss eben dieser StudiVZ-&-Co.-Jugend auf den Wahlsieg von Barack Obama in den USA ansieht. Frank Patalong vom Spiegel berichtet über Obamas Facebook-Profil, über die Aussagekraft von Unterstützern in der Onlinewelt und über die Auswirkungen von sozialen Netzwerken auf Entscheidungen, die doch anders sind als diejenigen aus dem Onlineshop von Apple oder Amazon.

  • Erstens zeigt es, wer sich hier vor allem für Obama entscheidet (junge, Social Networks nutzende Menschen mit geringem Schlafbedürfnis)
  • Zweitens, dass dies nun offensichtlich immer mehr der Social-Network-Nutzer tun (wenn die Beteiligung an Obamas Facebook-Profil von Anfang an so hoch wie in diesen Nachtstunden gewesen wäre, hätte er allein seit der ersten Wahl von Iowa rund 3,36 Millionen Facebook-Unterstützer gewinnen müssen)
  • Drittens, dass die Unterstützung für Obama also immer schneller ansteigt, während Clintons Anhängerschaft zumindest nachts nicht maßgeblich wächst: Bei dieser Rate hätte sie seit dem 3.1.2008 nur knapp 11.500 Anhänger gewinnen können.

„Der Vorwahlkampf der Demokraten hat das Netz erreicht und bewegt dort eine Menge,“ so Patalong, ganz im Gegenteil zu Lüke, nicht? Und noch eins drauf: Die Zeit selbst berichtet über den Einfluss der Online-Netzwerke auf den Wahlkampf – und da fallen alle bekannten Namen: Facebook, MySpace, YouTube, Flickr, Second Life – alles da. Klar, so ganz hat selbst Lüke nicht unrecht, denn man kann von der Bereitschaft der Digital Natives, Obama zu unterstützen, zwei Punkt ableiten: Entweder, sie haben tatsächlich die politische Botschaft (?) von Barack Obama verstanden und sind, persönlich davon überzeugt, losgezogen, um auch andere davon zu überzeugen – oder – sie wurden von einer routinierten, gezielt auf solche Plattformen abgestimmten Marketingmaschinerie erfasst, die es verstanden hat Menschen zu etwas zu bringen, das sie von sich aus vielleicht gar nicht tun würden. Gruppenzwang und der Selbstversuch von Götz Hamann (siehe oben) lassen grüßen!

Nocheinmal: Digital Immigrants, Digital Natives, Schule und Web 2.0.

Dass es zwischen Menschen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind und solchen, die den Umgang mit selben erst später erlernt haben, Unterschiede und Kommunikationsprobleme gibt, scheint unbestritten. Fraglich ist jedoch, woran genau das liegt? Marc Prensky sieht Digital Natives ähnlich einer nächsten Evolutionsstufe und möchte Digital Immigrants dazu erziehen, dieser neuen Generation von Schülern Inhalte auf ihre Art und Weise zu vermitteln. Er nennt spielerisches Lernen und eine Anpassung der Unterrichtsfächer an aktuelle Anforderungen die Lösung des Problems. Der Grundtenor: Die Lehrer sollen sich an die Schüler in der Art und Weise des Unterrichtens anpassen.

Was Marc Prensky nicht wissen konnte (sein Artikel „Digital Natives, Digital Immigrants“ wurde 2001 veröffentlicht) hat das Web 2.0 nun deutlich gemacht. Die Skepsis so mancher Digital Immigrants diesen neuen Technologien gegenüber hat sich doch gelohnt. Digital Natives sind Gefangene ihrer selbst: Auf der einen Seite hat sich die physische Struktur ihres Gehirns verändert und damit ihre präferierten Arbeitsweisen in Netzwerke verlagert, die sie – und das die andere Seite – ausspionieren und für sich arbeiten lassen. Kein soziales Netzwerk erzwingt die Preisgabe persönlicher Daten, doch der dem System innewohnende Gruppenzwang, doch persönliche Informationen zu veröffentlichen, macht Digital Natives zu Datensätzen von Prenskys Digital Immigrants, die mit Sponsoring und Produktion hinter all dem stehen.

Hier sollten Schule und Unterricht ansetzen. Das Bewusstmachen dieser Verknüpfungen durch Vorbereitung von Schülern für das Verständnis solcher komplexen Zusammenhänge. Leichtgläubigkeit und Naivität kennzeichnen die Digital Natives, nicht klare Auffassungsgabe und kritisches Hinterfragen. Vielleicht ist ja sogar das das Kernproblem des Generationenkonflikts zwischen Natives und Immigrants: Das Vertrauen auf friedvolles und gutes Tun seitens derer, die dahinter stehen, das Unverständnis für Gewinnabsichten hinter emotional wahrgenommenen Netzwerkdiensten. Vielleicht ist das systematische und schrittweise Herangehen die bessere, kritischere Erfassung eines Problems, das die Fragestellung selbst auch in Frage stellen kann, wohingegen das chaotische und stark konkret-lösungsorientierte Vorgehen der Digital Natives ein Hinterfragen der Frage selbst nicht zulässt?

Umso mehr liegt es in der Verantwortung der Schule, den Schülern die klassischen Bildungsinhalte eines aufgeklärten Humanismus näherzubringen, völlig wurscht mit welchen Mitteln, solang sie begreifen (und begreifen wollen!), warum es wichtig ist, logisches Denken, kritisches Hinterfragen und ein gesundes Maß an Skepsis aber auch Vertrauen zu besitzen: Nicht der Digital Native, der Digital Immigrant oder der Marketingexperte sind die Maßstäbe unseres Daseins, sondern die Fähigkeit des Menschen dem Menschen nicht Wolf, sondern Mensch zu sein!