Evgeny Morozov, bissig wie immer, sieht Fake News als Nebenprodukt digitalen Kapitalismus und die Reaktionen darauf als ungewollte, weil unverstandene Verstärker des eigentlichen Problems.
Die große Gefahr für die westlichen Gesellschaften ist heute nicht so sehr die Entstehung nicht-liberaler Demokratien, sondern die Schwäche ihrer eigenen Demokratien. Zum einen manifestiert sie sich in der Leugnung der Tatsache, dass die meisten heutigen Probleme ökonomischen Ursprungs sind. Zum anderen in der Leugnung der Korruptheit professioneller Expertise.
Um die Krise der Fake News in diesem Licht zu sehen, müsste das Establishment eine der Leugnungen überwinden und sich mit der politischen Ökonomie der Kommunikation beschäftigen. Doch es waren ja gerade die Mitte-links- und Mitte-rechts-Parteien, die in den letzten dreißig Jahren das Genie des Silicon Valley beschworen, die Telekommunikationsfirmen privatisierten und Kartellfragen eher lax handhabten.
Der zweite Typ der Leugnung zeigt sich blind gegenüber der Korruption der heutigen Expertenkultur. Wenn Thinktanks unbekümmert Geld von ausländischen Regierungen annehmen; wenn Energiekonzerne zweifelhafte Forschung zum Klimawandel finanzieren; wenn Finanzaufseher und Mitglieder der Europäischen Kommission ihre Jobs aufgeben, um an die Wall Street zu gehen; dann kann man den Bürgern ihre Skepsis gegenüber den „Experten“ kaum vorwerfen.
Interessant, dass die Conclusio des Kommentars nahezu ident ist mit der Notwendigkeit, die man bei einem der Silicon Valley-Auswüchse – Medium – sieht, um wirtschaftlich bestehen zu können, nämlich:
The only solution to the problem of fake news that neither misdiagnoses the problem nor overpowers the elites is to completely rethink the fundamentals of digital capitalism. We need to make online advertising – and its destructive click-and-share drive – less central to how we live, work and communicate. At the same time, we need to delegate more decision-making power to citizens – rather than the easily corruptible experts and venal corporations.
Word.
(Ich habe diesen Artikel am 20.1.2017 verändert: In einer früheren Version habe ich auf den Guardian-Artikel „Moral panic over fake news hides the real enemy – the digital giants“ verlinkt und das Langzitat im englischen Original wiedergegeben. Ich denke aber, dass es gerade in diesem Fall besser ist, auf eine adäquate Übersetzung zu verlinken.)