Gast im Numa Berlin

Ich war Gast im Numa Hotel in der Friedrichstraße in Berlin. Ich bin keinem Menschen begegnet (Hotelgäste ausgenommen), was aber das Konzept der Hotelkette zu sein scheint. Mir persönlich gefällt es nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass es Menschen gibt, denen dieses Einzelhaft-Feeling durchaus gefällt.

In den letzten Tagen hielt ich mich in Berlin auf. Das Hotel, das ich für gewöhnlich buche, war für den Zeitraum dieser doch recht spontan angesetzten Reise ausgebucht, also probierte ich eine andere Gegend und somit auch ein anderes Hotel aus. Ich buchte im Numa, einer Hotelkette, wie sich schon bald herausstellen würde, mit einem ganz eigenen, fast schon sterilen Konzept in Bezug auf Gastlichkeit.

Nur wenige Minuten, nachdem ich (bei Booking) gebucht hatte, erhielt ich von Numa sowohl ein E-Mail als auch eine Nachricht per WhatsApp. Man heißt mich willkommen, ich kann den Check-In gleich online erledigen und die Frühstücksbox für jeden einzelnen Tag auswählen. Erst jetzt, ich hatte das beim Buchen nicht berücksichtigt, wurde mir klar, dass das Numa-Konzept ähnlich dem einer Selbstbedienungskasse im Supermarkt ist: Die Gäste machen fast alles selbst und fast alles davon online. Kontakt zu anderen Menschen gibt es, außer, man läuft zufällig einem anderen Gast des Hotels über den Weg, nicht. Hotelpersonal? Unsichtbar. Rezeption? Nein. Deshalb günstiger? Mitnichten.

Dashboard „My Trips“ unter numastays.com

Zuerst wird die Registrierung mittels Foto des Ausweises erledigt – natürlich online auf einer eigens dafür geschaffenen My Trips-Seite, die zukünftig auch als Anlaufstelle für den Check-Out, die Auswahl des Frühstücks und für andere Anliegen dient, die üblicherweise an einer Rezeption durchgeführt werden. Den Link zu dieser personalisierten Seite erhält man per E-Mail und per WhatsApp. (Bei mir kamen die immer zeitgleich an.) Das, was man auf dieser Website machen kann, funktioniert auch ganz gut. Doch das, was man auf dieser Website machen kann, ist oftmals nicht alles, was man in einem Hotel braucht. Und dass ich ein Foto meines Ausweises irgendwohin hochladen soll, gefällt mir auch nicht; ich hoffe, die Daten sind gut geschützt und werden zeitgerecht und DSGVO-konform gelöscht.

Wenige Stunden vor meiner Ankunft im Hotel erhielt ich abermals eine Nachricht (auch sie natürlich sowohl per E-Mail als auch per Whats-App), in der mir mein Zahlencode mitgeteilt wurde, der bei Numa die Schlüsselkarte ersetzt und mir den Eingang zum Hotel und die Tür zu meinem Zimmer öffnen würde. Das hat einwandfrei funktioniert. PIN am Hauseingang, PIN an einer zweiten Türe, PIN an der Zimmertüre – da war ich. Keine Rezeption, keine Anmeldung oder Registrierung, alles sehr einfach. Niemand sagt Hallo, niemand heißt einen willkommen, man ist direkt und so unmittelbar im Zimmer, dass es sich fast schon eigenartig anfühlt.

Es war spät, als ich ankam, also duschte ich und ging schlafen. Das Wasser in der Dusche floss nicht schnell genug ab. Das war mir gerade egal, ich war müde. Darum würde sich der Zimmerservice morgen wohl ohnehin kümmern.

Am nächsten Tag wachte ich auf und bemerkte einen Zettel, der unter der Zimmertüre durchgeschoben wurde. Ah ja! Das war hier das Frühstückskonzept: Man bestellt im Voraus auf der My Trips-Seite für jeden Tag das gewünschte Frühstück. In meinem Fall gab es 4 Sets zur Auswahl:

  1. „Sweet“ (hatte ich an einem Tag) bestehend aus Bircher-Müsli (sehr gut), Vollkornbrot mit Brie (okay) und frischem Orangensaft (sehr gut).
  2. „Vegan“ (hatte ich an einem anderen Tag) bestehend aus Vollkornbrot mit Gemüse (nope, das hat mir nicht geschmeckt), Porridge mit Beeren (sehr gut) und frischem Orangensaft (sehr gut).
  3. „Classic“ bestehend aus einem Clubsandwich, einem Croissant, einer Banane und Orangensaft.
  4. „Glutenfrei“ bestehend aus einem glutenfreien Brot mit Thunfisch, griechischem Joghurt mit Früchten und dem üblichen Orangensaft.

Das Frühstück wird dem Hotelgast dann in der Früh in einem Papierbeutel wie von einem Lieferservice vor die Zimmertüre gelegt. Der unter der Türe durchgeschobene Zettel gilt nur der Information, dass das Frühstück da sei.

Das Sandwich wird in Plastikfolie verpackt serviert, Teller gibt es im Zimmer keine, also habe ich die Plastikfolie als Ersatzteller benutzt. Der Orangensaft kommt in einer 0,2 Liter-Plastikflasche daher und das Joghurt in einem typischen Mitnahmebecher, wie man ihn von Foodora und anderen Lieferservices kennt. Das Joghurt isst man übrigens mit einem Holzlöffel, den man auch im Lieferbeutel findet. Kurzum: Es fühlt sich alles so an, wie man es aus Pandemiezeiten kennt. Wem die isolierte Zeit damals gefallen hat, der wird das Numa lieben. Ich hatte kein allzu großes Problem damals, aber jetzt brauche ich das wirklich nicht mehr.

Ich dachte, ich würde in einem Hotel, in dem alles automatisiert ist, gut zurechtkommen. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass dem ganz und gar nicht so ist, denn ob ich wollte oder nicht, mir fehlte zumindest irgendein menschlicher Kontakt. Einen Empfang bzw. eine Rezeption gibt es nicht, man geht durch irgendwelche Vorräume, gibt seinen Zugangscode ein und landet letztendlich im Zimmer. Das ist es. Es gibt kein „Guten Morgen“, kein „Guten Abend“ oder sonst irgendeine Form der menschlichen Interaktion, die Hotels – wie ich nun weiß – ausmachen. Alles hier läuft so ab, wie ich mir den Alltag in Isolationshaft vorstelle. Selbst die Person, die einem das Frühstück vor die Zimmertüre stellt – so es denn eine Person und kein Roboter ist – sieht man nicht. In den sehr wenigen, allgemein zugänglichen Räumen hörte ich einmal Geräusche eines Staubsaugers und bemerkte, wie ich darauf hoffte, jemanden, der dort reinigte, zu sehen. Es war ein Staubsaugerroboter.

Numa investiert wohl einiges in Branding und Design. Alles im Hotel und auf der Website ist durchgestylt. Selbst die Dose, in der die Nespressokapseln aufbewahrt sind, ist designtechnisch angepasst. Numa investiert auch einiges in KI oder ähnliche Systeme, denn Anfragen (per WhatsApp – ihr erinnert euch an den verstopften Abfluss) werden dort von einem Chatbot bearbeitet, den man schon recht lange quälen muss, um an eine echte Person weitergeleitet zu werden, die sich dann um das Anliegen des Gastes kümmert. (Oder auch nicht, wie in meinem Fall, denn der verstopfte Abfluss blieb bis zum Schluss verstopft.)

Man hat es bei Numa also mit einem nahezu autonom funktionierenden Hotelsystem zu tun. Das komplette Fehlen von Menschen in diesem System klingt in der Theorie zuerst mal gar nicht schlecht, denn es sind ja diese nervigen Menschen, über die man sich am meisten ärgert, wenn etwas nicht funktioniert. In der Praxis, aber, hat sich mein Aufenthalt im Numa in Berlin so angefühlt, wie ich mir, ich habe es schon erwähnt, Einzelhaft vorstelle.

Die sonst übliche, wenn sicherlich auch öfter gespielte Freundlichkeit an der Rezeption, das übliche Gedränge am Frühstücksbuffet, das Vorhandensein eines Hotelrestaurants, in dem man abends essen kann… Das gab es hier alles nicht. Stattdessen eine Zugangsnummer bzw. einen Code, Frühstück aus dem Papiersackerl mit Wegwerfbesteck und Menschenleere überall. Nichts und niemand da. Nur der dumme Chatbot auf WhatsApp. War der Aufenthalt wenigstens billiger, was die ganze Sache irgendwie gerechtfertigt hätte? Ganz und gar nicht. Ich habe im Numa (in der Friedrichstraße am Checkpoint Charlie) sogar ein Drittel mehr bezahlt als ziemlich genau einen Monat vorher in einem Hotel mit besserer Ausstattung und menschlichem Personal am Alexanderplatz.


Es ist kurz vor acht Uhr morgens, ich werde in wenigen Minuten den Checkout durchführen. Auch der wird via QR-Code (oder über die My Trips-Seite) erledigt. Es wird keine Verabschiedung geben, kein „Besuchen Sie uns wieder!“, „Schön, dass Sie da waren!“, kein gar nichts. Es wird völlig egal sein, ob ich wiederkomme oder nicht, auch wenn eine schick gestaltete Website mir verspricht, mich gerne wiederzusehen. Es ist hier alles egal, die Gäste kommen und gehen. Was auch immer mir das Marketing von Numa auf emotionaler Ebene versprochen hat, erfüllt sich für mich nicht. „Bring some soul to travel“, steht als markiger Spruch auf der Homepage der Hotelkette. Und das ist auch bitter nötig, denn die seelenlosen Räumlichkeiten und das Konzept, das sich für mich mit jeder Stunde im Hotel immer schlimmer angefühlt hat, schreien nach irgendwas, das Leben in diese von trauriger Sterilität geprägte Atmosphäre bringt.

Was ist also mein Resümee? Wer Insasse eines durchautomatisierten, seelenlosen Normhotels mit aufpoliertem Marketing und mäßigem Zustellfrühstück sein will, wird bei Numa glücklich werden. Mir persönlich ist die ganze Sache zu steril und zu frei von Menschen. (Das dürfte aber wirklich mich persönlich betreffen und nicht allzu viele stören, denn Numa expandiert offenbar. Es gibt die Hotels gegenwärtig an 89 Standorten. Und vielleicht funktioniert das Konzept gut, wenn man nicht allein unterwegs ist?) Check-In und Check-Out und alles andere funktioniert allerdings einwandfrei und daran sollten sich fast alle anderen Hotels etwas abschauen! Aber bitte, bitte nicht, wenn es ums Eliminieren von Menschen geht. Denn die braucht man, um sich über sie aufregen zu können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Benachrichtige mich bei Reaktionen auf meinen Kommentar. Auch möglich: Abo ohne Kommentar.