Das Licht rinnt als zähflüssige Masse in die leichte Wölbung der Zimmerdecke. Die gekehlten Stuckleisten füllen sich mit bernsteinfarbenem Honig. Vor dem Fenster fallen große Schneeflocken auf nassen Asphalt. Scharlachrote Blätter kleben an der Scheibe. Herbst und Winter, in Schatten- und Farbflecken vereint, gefangen im Wirbel einer von Süden und Westen her tobenden Windschlacht. Eissäulen brechen allenorts durch das betonierte Geschlinge der Straßen, während um die Firste der Ziegeldächer noch welke Weinlaubkränze ranken und sich die letzten Rosen gegen das stündlich drohende Ende rüsten. Unter gefrorener Decke schläft der Teich, dessen Schilfsaum fein zu goldenem Netz gesponnene Fäden trägt. Zwei Körper verharren im Auge des Sturms. Blicke fangen sich in funkensprühenden Augen, Finger streichen durch wirres Haar, Atemzüge verschmelzen zu gehauchten Liebesworten. Die kriegerischen Jahreszeiten trommeln wütend gegen die wehrhaften Mauern des Zimmers, doch ihr Jaulen vermag die Liebenden nicht zu stören. Sie sind zur Verteidigung bereit. Später schreiten sie in der Dämmerung auf der Brücke über den träge fließenden Kanal, Hand in Hand, unbesiegbar, zu zweit gegen die klirrend kalte Luft atmend. Aus dem zweiten Stock eines Bürgerhauses tönt leise ein Piano. Nur einen Augenblick später stimmt wehmütig eine Violine ein. Hell erleuchtete Fenster, Blick in rotgoldene Räume, in denen sich dicht gedrängte Schatten bewegen. Kammermusik und Sekt. Eine Straßenbahn tobt durch das Schneegestöber. Dicht gegeneinander gepreßt stehen sie im Torbogen des Hauses und tauschen Küße, in verzweifelter Heftigkeit. Ihre Hände streichen Eiskristalle aus dem Nacken des Anderen; ihre Beine ineinander verschlungen, die Mäntel der fremden Körperwärme geöffnet. Die Musik umfängt sie, wiegt sie in einen leidenschaftlich bewegten Traum, aus dem es, so hoffen beide, kein Erwachen geben möge. Für immer.