In den Augenblicken, die man glücklich verbringt, in denen man in Glück ertrinkt, sich treiben läßt, sein Inneres an die Außenhaut geheftet trägt, sich verwundbar dem Tag darbietet, in Deinen Armen liegend, an Deiner Schulter dösend, kann man sich nichts Schöneres vorstellen und keine Steigerung und kein Ende. Man schwebt vorstellungslos, hoffnungslos weil wunschlos im schwerelosen Raum und ist mit Hingabe so, wie man eigentlich dem eigenen Verstand gegenüber nie zu sein zugeben wollte, nämlich kopflos. Luftige Linien bezeichnen den Schwung Deiner Haare, die ich vergeblich zwischen meinen Fingern zu fassen versuche, mit dem blassen Unterton eines zarten Aquarellstriches hingetupft, ein Flecken Schönheit, der unseren gemeinsamen Stunden einen übernatürlichen, wunderbaren Glanz verleiht. Worte umschlingen einander wie Melodien, und Melodien ersetzen von Mal zu Mal die Worte. Gestern hast Du Mozart gespielt. Heute, ich sitze alleine, umschmeicheln mich die selben Akkorde, locken mein Verlangen auf dünnes Eis, denn meine Konzentration schweift ab, prallt an die Fensterscheibe bei dem Versuch, sich zu Dir empor zu schwingen. In einem Crescendo der Liebe fängt sich die Zeit und schließt sich zu einer ewigen Schleife. Fühlen löst das Atmen ab. Wir stehen einander gegenüber, ich berühre Deine Wange. Zauberei, die den Anfang heraufbeschwört. Winterlandschaft verwandelt sich in schüchternem Frühlingslicht, das Deinem Blick zu entströmen scheint. Die Luft wird mild, milder noch als an jenem Abend, als Du die Stadt verlassen hast. Nie gesehener Bahnsteig, dessen von Neonlicht zerrissene Halbschatten ich mir dennoch einigermaßen vorzustellen vermag; zielstrebige Schritte, die das Denken überdecken, sich einen Weg fressen durch ein Dickicht nicht ganz ausgeloteter Gefühle. Schritte sollen und werden die Erinnerung zurück drängen. Doch dann, als sich der Körper selbst nicht mehr bewegt, sondern nur noch vom Rattern des Zuges auf den Geleisen bewegt wird, kommen die Bilder und Gerüche und gestammelten Worte zurück, die Küsse und Schwüre, den Geschmack von Schokolade und Whiskey, das mattrote Glänzen eines verwunschenen Palastes, in dessen Zentrum wir uns in einem Strudel aus Begehren und verzweifelt liebender Hast noch wenige Stunden zuvor befunden hatten. Ich, verwirrt, dachte zur gleichen Zeit an die seltsam leere Konsistenz des Gegenwärtigen, die sich aus meinen zerrissenen Eingeweiden zu schälen begonnen hatte. Körperliche Trennung, gefühlt, begriffen, eingeordnet in eine rotierende Maschine, die Leichtigkeit und Schwermut durcheinander würfelte. Der Horizont hinter dem Jetzt zeigte sich von schwarzem Rauch verhangen. Kalte Luft biß sich in die Wärme suchenden Lippen. Ich wußte: Der Wunsch, weiter zu leben, hatte nun eine klare und eindeutige Ausrichtung bekommen. Weiter zu leben, um Dich wieder zu sehen, Dich wieder bei mir zu spüren, Deine Gedanken zu kennen und Deinen Atem zu kosten. Zurück im Heute steigt Zufriedenheit in mir auf, wenn ich an den letzten Winter denke. Unermeßliche, gewaltige, übermenschliche Zufriedenheit. So, als sei alles in die richtige Farbe gegossen, in der richtigen Tonlage gespielt, auf die richtige Wellenlänge gebracht. Unter dem Panzer aus Kälte und Eis verkriechen wir uns, ohne auf den Anbruch einer neuen Zeit zu warten. Denn die Sommersonne schmecken wir auf unserer Haut.