Sonntagsarabesken #49

Das Verharren zwischen zwei Atemzügen. Der Moment, bevor der Sekundenzeiger auf den nächsten Strich vorrückt. Vielleicht war es in einem solchen Augenblick geschehen, vor zwei Jahren, im Halbdunkel einer Bar beim Schottenring. Sommerabend, der die Gelegenheiten schärfer hervortreten, die Gesichter bronzefarben strahlen und die lächelnden Lippen noch voller und prächtiger erscheinen ließ; Dämmerlicht, durch ein Glasdach zwischen die geflochtenen Flügeln eines trägen Ventilators dringend und von dort über die Schläfen der wenigen Gäste sickernd, veredelte die Szenen und Bewegungen, als ob sie in Whiskey getaucht worden wären. Ihre Anwesenheit, Deine Anwesenheit, die Anwesenheit der beiden Körper war bestürzend klar begrenzt gegen diese zauberhafte Atmosphäre. Die Blicke waren festgefroren im Honiggold. Verschiedenes konnte in diesem Moment unmöglich gedacht werden: Die folgenden zwei Jahre in ihrer häßlichen Tatenlosigkeit jenseits unserer beschreibenden Kräfte; die Träume und gespenstischen Bilder, die er zu sehen begann, die ihr jedoch so ganz und gar fremd blieben; die Agonie, in die er schließlich verfallen sollte, unfähig zu Bewegung oder Denken, gelähmt vom geistigen Band, das er von jenem ersten Tage an geknüpft glaubte. Einbildungen, die sich in die Unendlichkeit verstricken sollten. Und dennoch nichts weiter als ein kleiner Brocken Zeit, an diesem Tag, fast unbemerkt von denen, die in seiner Mitte eingeschlossen waren. Eingeschlossen, wie in eine weiche, organische Substanz, so dass sie alle sich in der wärmenden Mitte einer Ewigkeit glaubten. Täuschung, nichts weiter. Denn außerhalb ihrer selbst schritt die Stunde mit aller Macht voran, und bald war es dunkel geworden, das Licht erstorben, der magische Augenblick im physikalischen Sinne eigentlich vergangen. Doch das unsichtbare Netz der Blütenfäden und Schmetterlingsflügel blieb weiterhin unangetastet von solchen rein äußerlichen Veränderungen. Ihre Anwesenheit, Deine Anwesenheit, seine Anwesenheit verstrickten und überlagerten sich in diesen märchenhaften Kettfäden, die ein Bild reiner Schönheit und Verlorenheit ergaben. Nicht Minuten oder Stunden, nein, Jahre gingen hin unter dem Glanz des kürzesten aller Momente. Melodie, die ins Unendliche sich verliert. Liebe, die nicht sterben will. Er glaubte sich verloren in einem Strudel herrlichster Sorglosigkeit. Für sie war es ein Abend und eine Sekunde unter vielen. Und beide ahnten noch nichts von ihrer Zukunft.