Sonntagsarabesken #81

Augenblicke, die ihre Wurzeln in die Ewigkeit zu graben scheinen. Das Verschwinden der Schattenkälte unter dem wärmenden Sonnengewebe. Zitternde Gegenwart, keine Frühlingsgefühle, sondern Frühling der Gefühle, heranrauschende Welle, die sich am Kap der Hoffnung bricht, um den gebannten Betrachter mit feinem Nebel zu übersprühen. Er wird süchtig nach dem Wasserschleier, der Tausend Farben anzunehmen und ihn in den Zaubergarten des Ozeans blicken läßt. Er will sich verlieren im Labyrinth der wunderschönen Nymphengeschwister, deren Muschelhörner durch das opalgrüne Wasser tönen. Ihnen folgen, um zu sterben. Sie umarmen, um zu leben. Die Stadt, in der er in Wahrheit sich befindet, ist gerade erst von den fliehenden Wogen freigegeben. Algen und Krustentiere bedecken noch das schwarze Straßenpflaster. Selbst die Regentropfen schmecken nach Salz. Und die Lippen, die er küßt. Und der Körper, den er dicht an seinem spürt. Im Traum, so könnte es sein, bevölkert sich diese Stadt. Dann ist seine Liebe so stark wie nie zuvor. Mit den Monden rollt die Flutschwemme über den Strand hinweg, ohne die Schminke der durchwachten Nacht zu verwischen. Schöne Wangen und Augen, ihr strahlt wie in der ersten Minute. Von den steil abfallenden Felsklippen aus gesehen schillern die Dächer der Stadt in mittäglich kräftigem Licht. Wilder Thymian verströmt einen unbeschreiblich intensiven Duft, der das gegen den Wind gelehnte Paar in einer zweiten, übernatürlichen Umarmung beschützen will. Gelber ausgehöhlter Stein füllt sich mit Wellendonner. Durch schmale Gassen braust der Motorenlärm. Über den mit Wärme gedeckten Terrassen breitet sich glitzernder Staub aus. Es ist die Stunde der Ruhe und der Magie. Zwei Atemzüge gelten für einen. Und zwei Blicke verschlingen sich in einander. Finger zwischen Fingern, Haut an Haut, Anziehung gegen Auflösung, Begreifen gegen Verschwinden. Das Unterseeische ist endgültig an die Luft gelangt. Jetzt gibt es keine Fragen mehr. Nur noch sanft bewegte Zeit.