Vor ein paar Tagen habe ich mir zum ersten Mal eine eigene E-Mailadresse zugelegt und meine gesamte Kommunikation, die bislang über Gmail lief, dorthin transferiert. Diese Aktion hat bei denjenigen, die bisher davon erfahren haben, Verwunderung und das Bedürfnis nach einer Rechtfertigung meinerseits ausgelöst; schließlich habe ich meine Gmail-Adresse 8 Jahre lang benutzt. Was ist das für eine Adresse? Warum der Wechsel? Hattest du nicht ohnehin eine Adresse? Was spricht gegen Gmail? Und, und, und. Hier die Begründung.
Meine erste E-Mailadresse war die meines Internet-Serviceproviders (ISP), CompuServe. Dann die meines zweiten ISPs, IBM.Net. Wenig später bin ich zu Telekabel gewechselt, wo ich abermals eine E-Mailadresse bekommen habe, die später auf Chello geändert wurde. Ich habe mir damals zusätzlich eine Hotmail- und später noch eine GMX-Adresse zugelegt, damit ich beim nächsten Providerwechsel allen Freunden und Verwandten nicht nocheinmal eine neue Adresse mitteilen musste. Währenddessen habe ich noch eine Uni-Mailadresse bekommen, gefolgt von verschiedenen Mailadressen diverser Jobs und Praktika.
2004 habe ich mich bei Gmail angemeldet und diese Entscheidung niemals bereut. Gmail ist die bestmögliche Art und Weise, mit E-Mails umzugehen. Kein anderes System arbeitet so zuverlässig, bietet durchdachte Konversationsansichten, einen nahezu völlig fehlerfreien Spamfilter, eine unschlagbar schnelle, treffsichere und zuverlässige Suche, Labels und ein Webinterface, das alle anderen Lösungen in den Schatten stellt. Es spricht einiges für einen Service, wenn sich Personen, die einmal ein Gmail-Konto haben nie mehr nach Alternativen umsehen.
Doch auch, wer sich eine providerunabhängige Mailadresse bei einem Mailservice wie Gmail (oder Yahoo, GMX, Hotmail, Fastmail, Web.de oder anderen) zulegt, ist nicht vor Änderungen gefeit. Marco Arment hat das in einem kurzen Absatz so trefflich zusammengefasst:
You might think your @gmail.com address will be fine indefinitely, but if I used a webmail address from the best webmail provider at the time I broke away from my university address and formed my own identity, it would have ended in @hotmail.com. And that wasn’t very long ago.
Das Argument ist schlagkräftig und gilt insbesondere dann, wenn man das Gefühl von Sicherheit vermittelt bekommt, obwohl es schlichtweg nicht existiert. Gmail (und andere Anbieter) funktionieren problemlos, solange die dahinterstehenden Firmen Gewinne machen und solange ihre AGB vertretbar sind. Ändert sich das aber, und wir alle wissen, dass das sehr schnell möglich ist, dann ist die E-Mailadresse genauso weg, wie das mittlerweile mehrere Gigabytes große Mailarchiv.
An sich ist ein Konkurs oder die Änderung von AGB kein großes Problem, denn Freemail-Anbieter gibt es wie Sand am Meer, doch hat sich mittlerweile ein Aspekt in Bezug auf E-Mails geändert: Vor zehn Jahren waren E-Mails eine zusätzliche Möglichkeit der Kommunikation, in manchen Firmen und Geschäftsbeziehungen lediglich „Freaks“ vorbehalten. Verträge und andere, wichtige Dokumente wurden per Post zugestellt, wenn es etwas schneller gehen musste, war das Fax die einzige Alternative. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, rechtsverbindliche Dokumente einzuscannen und per Mail zu versenden, heute erhalte und versende ich praktisch all meine Rechnungen und viele andere wichtige Dokumente ausschließlich darüber; ich melde Services und Dienste online an – mit einer Bestätigung per E-Mail; ich setze Passwörter zurück, mache Onlinegeschäfte – immer ist das E-Mailkonto involviert. E-Mails haben sich – ich entschuldige mich für diese so banale Feststellung – zum primären und unabdingbaren Kommunikationsweg entwickelt. E-Mailadressen sind, ebenso wie Telefonnummern und Wohnadressen, zu einem Teil unserer Identität geworden. Und doch verlassen sich die meisten – ich bis vor kurzem nicht ausgeschlossen – darauf, dass unsere vorgeblich kostenlosen Mailkonten immerwährend verfügbar sein und einen zuverlässigen Speicher für unsere mittlerweile gewaltigen Mailarchive zur Verfügung stellen werden. Eine trügerische und fast schon gefährliche Annahme!
Das sind also die Gründe, die mich dazu bewogen haben, mir nun eine eigene E-Mailadresse zuzulegen. Die Adresse gehört mir, als Service benutze ich, nicht ohne andauernd Sicherungskopien zu erstellen, Google Apps, da ich nach wie vor keine brauchbare Alternative zu Gmail gefunden habe. Sollte Google allerdings mit seinen AGB zu weit gehen oder sollte sich in naher oder ferner Zukunft ein anderer Anbieter als zuverlässiger, benutzerfreundlicher herausstellen, kann ich mit meiner Mailadresse – ohne diese jemals wieder ändern zu müssen – einfach weiterziehen.
Think about that!