AI Pin von Humane: Bringen schlechte Reviews Unternehmen in Bedrängnis?

Marques Brownlee hat den AI Pin von Humane in seinem Review zerrissen. Stimmen wurden laut, er würde das absichtlich machen, um dem Unternehmen zu schaden. In Wirklichkeit aber ist er seinem Publikum verpflichtet und kann ein Produkt, dass offenbar tatsächlich Crap ist, nicht schönreden.

Marques Brownlee, den ich hier schon einmal mit seinem Review des Fisker Ocean erwähnt habe, hat vor ein paar Tagen ein Review des AI Pin von Humane veröffentlicht, ein Produkt, das mir, als ich das erste Mal davon gehört habe, so sinnlos vorkam, dass ich es hier nicht einmal erwähnt habe. Ich habe überlegt, ob ich das Einführungsvideo hier diskutieren soll, denn es ist nicht nur abgehoben, sondern in seiner Art, die das Produkt nicht mehr nur bewirbt, sondern quasi als Notwendigkeit darstellt, um den Anschluss an die Entwicklung nicht zu verlieren, allein schon etwas eigen und insofern bemerkenswert. Selten hört man Sprecherinnen und Sprecher so gelangweilt ihren Text vortragen. Für die, die nicht wissen, was der AI Pin von Humane ist, hier das Video.

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Ich habe mir das Video angesehen und mir, wie eingangs schon erwähnt, keine großen Hoffnungen gemacht, dass es dieser Pin weit bringen wird.

Nun ist er aber bereits verfügbar und Marques Brownlee hat vor ein paar Tagen eine Videorezension veröffentlicht, die den aussagekräftigen Titel „The worst product I’ve ever reviewed… for now“ trägt. Beschreibung: „The Humane AI pin is… bad. Almost no one should buy it. Yet.“ Zusatztext auf X:

This clip is 99% of my experiences with the pin – doing something you could already do on your phone, but slower, more annoying, or less reliable/accurate. Turns out smartphones are pretty incredible.

BUT there are occasional small glimpses of a future where this product could actually peel you away from your phone, reduce your screen time and help you live more in the moment. And i can’t be mad at that

@MKBHD

Sehen wir uns also das Review an.

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Sehr zu meinem Erstaunen waren die Reaktionen auf Marques‘ Video geteilt. Auf der einen Seite hat man dem YouTuber zugestimmt, dass das Produkt, ja, sagen wir, wie es ist, Crap zu sein scheint, auf der anderen Seite entstand ein Diskurs in eine Richtung, die man unter dem Titel „Können YouTuber mit ihren Reviews ganze Unternehmen in Bedrängnis bringen“ betiteln könnte. Hierin fanden sich dann so Aussagen wie, er, Marques Brownlee, solle doch bitte dem Produkt gegenüber respektvoll auftreten und Verständnis für die Schwierigkeiten gerade zu Beginn haben, wenn Produkte, die auf einer vollständig neuen Technologie aufbauen, auf den Markt kommen.

Dieses Argument ist einerseits verständlich, andererseits – und das wird klar, wenn man sich die Videorezension ansieht – wird selbst der gute Wille, der beim Rezensenten durchaus an einigen Stellen erkennbar ist, durch das schiere Nichtfunktionieren und die Langsamkeit des Devices gebrochen. Wohl am plakativsten stellt Marques dar, wieso der AI Pin ein sinnloses Produkt ist, als er den Pin seinen Tesla Cybertruck erkennen lassen will (das ist eine Funktion des Pin) und der Pin so lange dafür benötigt, dass er in der Zwischenzeit ein Foto mit seinem Handy macht, es bei Google zur Erkennung hochlädt, Google ihm die Antwort liefert und der Pin ein paar Sekunden später das mit dem Handy gemachte Foto (!) als „Foto von einem Tesla Cybertruck“ erkennt. (Die Szene ist im Review-Video bei Minute 17:17.)

Respekt vor dem Produkt, vor dem menschlichen Einsatz, und so weiter und so fort. Und dann so ein Produkt, das tatsächlich Schrott ist. Es wäre aber nicht das Internet, würde sich nicht jemand über die schlechte Rezension beschweren. Und es wäre nicht das Internet, würden sich hier nicht mehrere mit dranhängen. So viele, offenbar, dass sich der Rezensent motiviert sah, ein weiteres Video mit dem Titel „Do bad reviews kill companies?“ zu veröffentlichen. (Spoiler: Nein, es ist nicht die schlechte Rezension, die das Unternehmen in Bedrängnis bringt.)

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Marques startet sein Video – natürlich im Auto aufgenommen, wo sonst? – mit einer Erklärung, was ein Review bzw. eine Rezension eigentlich ist, vor allem aber, wie und warum ein Produkt überhaupt für ein Review ausgewählt wird. Er nimmt die beiden Produkte der letzten Zeit, das Elektroauto von Fisker und eben den Humane AI Pin – beides Produkte, die er schlecht bewertet hat – als Beispiele heran und macht klar, dass ein Review keinerlei Agency hat, außer eben die, dem Publikum die Erfahrungen des- oder derjenigen glaubhaft zu schildern, die oder der das Produkt einige Zeit lang benutzt hat. Ein Review ist somit auf der einen Seite eine Zusammenfassung über die Zeit, die man mit einem Produkt verbracht hat, und auf der anderen Seite die eigene Meinung über die Vor- und Nachteile des Produkts in dieser Zeit. Oder, in Marques‘ Worten:

What is a review? […] A review is just, somebody uses the product and then just delivers their impressions on whether they think it’s any good or not, how well it actually worked. And if their honest opinion is if it’s good, then that’s the review. If it’s bad, that’s the review. That’s basically it. […] But the thing about reviews is if they’re not honest, then they’re basically useless. […] Everything that comes from a review, all the consequences and everything that comes around it, everything in the world of and ecosystem of reviews depends on the review being truthful and actually honest about things.

Und auf die Frage, ob nun so ein Review ein Unternehmen in Bedrängnis oder sogar in den Ruin treiben kann, gibt er eine plausible und logisch klingende Antwort, die sich zusammenfassen lässt in: Ein Review ist die ehrliche Meinung des Rezensenten, die sich in manchen Fällen als Katalysator für einen Trend erweist, der aber bereits abzusehen war. Wenn das Produkt nicht überzeugt, dann ist es der Output des Unternehmens, das Produkt also, das die Firma in den Ruin treibt, und nicht das zugehörige Review. Die für ein Review notwendige Zuspitzung auf die Probleme (oder Vorteile) fungiert nur als Verstärker (und Beschleuniger). Oder auch hier in Marques‘ Worten (sehr stark zusammengestückelt):

So can a video kill a company? I’ll use the Humane and Fisker examples specifically. The Fisker Ocean […] is a terrible car. […] This is the first one where I genuinely couldn’t wait to be done driving it. […] So I review the thing, I give people what I feel is a fair assessment that also doubles as a warning not to buy this bad car. […] Maybe a week or two later, the company’s stock price is plummeting to an all-time low and they appear to be like filing for bankruptcy. […] The stock price did drop after my video, but the stock was in free fall for many, many months before my video, too. […] Pretty recently the Humane AI Pin comes out. […] The things it does, it doesn’t actually do super well. The battery life is bad, it overheats. The laser projector is kinda bad. […] the list just goes on and on. I tried to be as fair as possible and as informative as possible, but I’m also absolutely not about to sugarcoat or leave anything out to protect any company’s $700 device with a monthly subscription. […] But yet, even still, there are some threads blowing up saying it’s extra bad what I did to this poor company. […] All that any honest review actually does is just accelerate whatever was already going on.

Dieser letzte Satz ist die Essenz, der Vor- und der Nachteil eines jeden Reviews und mir gefällt der Gedanke, dass ein Review im Grunde genommen eine Zeitmaschine ist, die über den Erfolg oder den Misserfolg eines Produkts durch zugespitzte und stark fokussierte Berichte über die Erfahrungen mit dem Produkt informiert. Nirgendwo wird ein Unternehmen in so klaren Worten und auf den Punkt gebracht eine ehrlichere Meinung finden als in einer Rezension, die von einem YouTuber oder einem Blogger veröffentlicht wurde, dessen Ziel es ist, den potentiellen Nutzen, den seine Zuseher oder Leser mit diesem Produkt haben werden, vorwegzunehmen.

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