Man muss bei Entschuldigungen immer genau zuhören, was eigentlich gesagt wird, um zu verstehen, mit wem man es zu tun hat. Und dass ich einmal über Will Smith oder Kim Kardashian schreiben werde, hätte ich mir auch nicht gedacht. Beide haben etwas verbockt, beide haben sich entschuldigt. Die Qualität dieser Entschuldigungen hat es aber in sich, denn die eine ist eine, die andere ist keine.
„Entschuldigung“
Kim Kardashians „Entschuldigung“ ist in meinen Augen keine. Es ist ein Statement, das die Unfähigkeit Anderer zum Objekt der Entschuldigung macht. Eine Art der Entschuldigung, die man gerade in den letzten Jahren immer öfter zu hören bekommt. Darin wird nicht die Aussage oder Handlung selbst, also ein dem Akteur/der Akteurin der zu entschuldigenden Handlung zuordenbares, schuldhaftes Vergehen zum Objekt der Entschuldigung, sondern das falsche Verstehen, Aufnehmen, Interpretieren dieses Vergehens durch alle (!) Anderen.
Die Formel lautet: Es tut mir leid, dass man mich falsch verstanden hat.
Konkret, auf ihren „Get your fucking ass up and work“-Sager bezogen, lautet Frau Kardashians „Entschuldigung“: „It wasn’t a blanket statement towards women… it was taken out of context, but I’m really sorry if it was received that way.“ – Merkt ihr es? Die Formel ist erfüllt: Es tut mir leid, dass ihr es so und so verstanden habt. Das ist die Entschuldigung. Aber das ist keine; nicht umsonst betitelt die Zeitschrift Metro ihren Beitrag dazu auch mit dem Verb „remarks„.
Die die schuldhafte Handlung begehende Person entschuldigt sich also nicht für ihre Handlung, sondern dafür, dass alle anderen Personen (also wir) diese Handlung nicht so verstehen, wie sie will, dass wir sie verstehen. Dumm nur, dass wir erst im Nachhinein erfahren, wie sie will, dass wir sie interpretieren. Und genau darin liegt die Wahrnehmung einer Entschuldigung in irgendeiner universalgrammatischen (mir fehlt hier leider das sprachwissenschaftliche Vokabular) Form: Vordergründig kann man so eine Entschuldigung als eine Entschuldigung missinterpretieren, weil man das Verschuldensmoment – „ich habe mich schlecht ausgedrückt“ oder sonst irgendein Geschwurbel, das zu relativieren versucht – ja dann doch irgendwie beim zu entschuldigenden Subjekt verortet. Dem ist aber nicht so.
Und noch eine Kleinigkeit, die mir hierzu auffällt. Diese „Entschuldigung“ erfolgt nicht von selbst und nicht über einen Kanal, der der schuldhaften Person zuzuordnen ist, sondern erst auf Anfrage (im konkreten Fall im Rahmen eines Interviews) und über externe Medien (in einem Magazin). Viel mehr Distanzierung von einer Entschuldigung geht eigentlich nicht, oder?
Entschuldigung!
Szenenwechsel: Will Smith schlägt wegen eines Witzes über seine Frau Chris Rock während der Oscar-Verleihung ins Gesicht. Am nächsten Tag veröffentlicht er auf seinem Instagram-Account die folgende, hier gekürzte, Entschuldigung:
My behavior at last night’s Academy Awards was unacceptable and inexcusable. […] I would like to publicly apologize to you, Chris. I was out of line and I was wrong. I am embarrassed and my actions were not indicative of the man I want to be. […] I would also like to apologize to the Academy […] I deeply regret that my behavior has stained what has been an otherwise gorgeous journey for all of us.
@willsmith
Hier lautet die Formel: Ich bin mir im Klaren darüber, dass ich Mist gebaut habe. Und es tut mir leid, dass ich diesen Mist gebaut habe.
Eine schnelle Prüfung:
- Es gibt eine eindeutige Identifizierung und Benennung des Subjekts: ich.
- Es gibt ein eindeutiges Reflektieren über das schuldhafte Handeln.
- Es gibt eine Zusammenführung des die Entschuldigung aussprechenden Subjekts mit seinen Handlungen.
- Es wird nichts geschönt und es gibt keine grobe Distanzierung – weder persönlich noch inhaltlich (durch, zum Beispiel, den Rekurs auf ein Missverständnis).
Diese Entschuldigung ist ein Eingeständnis über ein Fehlverhalten kombiniert mit der Bitte, diese Reflexion über die gesetzte, schuldhafte Handlung in die Gesamtbewertung einer Person mit aufzunehmen. Das ist eine Entschuldigung! Und so absurd es auch scheint (und so sehr man den Gewaltausbruch auch verurteilen muss), so viel Respekt muss man Herrn Smith dann doch entgegenbringen, denn so eine Entschuldigung ist sehr selten geworden.
Bonuspunkt: Die Veröffentlichung der Entschuldigung erfolgt eigenständig, ohne Aufforderung und auf einem der Person direkt zugeordneten Kommunikationskanal. Hier distanziert sich die Person nicht, sondern sie identifiziert sich mit der Entschuldigung.
Es ist zwar auch hier einiges dabei, das man als Distanzierung verstehen könnte („the man I want to be“ ist auch so eine Vorstellung, die vom irdischen Dasein des Herrn Smith ablenkt), aber alles in allem klingt Herrn Smiths Statement deutlich mehr nach einer ernst gemeinten Entschuldigung als das einer Frau Kardashian.
Entschuldigung?
Das Thema beginnt mich zu interessieren. Öffentliche Entschuldigungen, die – eben nicht gerade selten – gar keine sind. Was passiert da eigentlich, wenn sich jemand bewusst nicht entschuldigt? Was ist das dann für ein Zustand? Es bleibt natürlich allen überlassen, sich eigene Urteile über die verschiedenen Distanzierungen, Entschuldigungen, Erklärungen und so weiter zu machen, aber vielleicht hilft ja meine kleine Checkliste denjenigen, die immer schon Zweifel daran hatten, ob die Entschuldigungen, Distanzierungen, usw., mit denen wir ja nun wirklich nicht gerade selten konfrontiert sind, tatsächlich ehrlich gemeint sind.