COVID-19, Tag 933: Wieder Europameister

Österreich ist auf die Anzahl der Infektionen bezogen wieder Europameister. Aber es ist allen egal.

Samstag, 1. Oktober 2022, Tag 933 der Corona-Pandemie. Wir sind, was die Anzahl der bestätigten Infektionen angeht, wieder Europameister. Aber ist das ein Thema? Ist die Tatsache, dass wir es wieder einmal nicht geschafft haben, uns zu schützen, für irgendwas Anlass? Zum Beispiel für Maßnahmen (an Schulen, in Krankenhäusern, in Altenheimen) oder für Kampagnen (zum Beispiel für die nunmehr verfügbare angepasste Impfung)? Dazu ein klares Nein. Ich glaube, ich kann getrost behaupten, dass Covid mittlerweile den meisten egal ist. Die Krankheit ist, wie es schon vor einiger Zeit geheißen hat, zum „individuellen, medizinischen Problem“ geworden.

Tiefrot liegt Österreich da in Europa.

Sicher: Wer will, dem stehen einige Möglichkeiten offen, sich zu schützen. Es ist niemandem genommen, Apotheken, öffentliche Verkehrsmittel, Supermärkte und andere Orte, an denen Menschen zusammenkommen, die sonst nicht zusammenkommen würden, mit Maske zu betreten. Wenn ich mich nicht täusche, sind Masken in den öffentlichen Verkehrsmitteln, zumindest in Wien, sogar noch Pflicht. Aber an die Empfehlung, Masken in geschlossenen Räumen zu tragen, hält sich ja kaum noch wer.

Ist halt blöd, denn die Effektivität und Wirksamkeit des Masketragens basiert auf Gegenseitigkeit: Ich schütze mit meiner Maske mehr dich als mich. Wer diesen Satz, und somit das dem Masketragen zugrunde liegende Prinzip, nicht versteht – und man kann es jenen nicht verübeln, die gerne den einfachen Weg gehen und sich eher mit Quantenphysik beschäftigen als mit einfacher Mathematik -, der versteht natürlich auch nicht, warum sie empfohlen werden. Also warum sollte so eine Person die Anderen dann auch schützen?

Ähnlich verhält es sich mit der Impfung, mit dem Abstandhalten und mit allen anderen Maßnahmen, die wir in den letzten 933 Tagen kennengelernt haben. Wir Österreicherinnen und Österreicher wissen über die Maßnahmen bescheid, und doch sind wir offenbar nicht in der Lage, Herr der Lage zu werden. Wir haben die höchsten Infektionszahlen in der EU. Eigentlich peinlich.

Höchste Infektionszahlen in ganz Europa: Österreich ist wieder an der Spitze.

Ich finde es ja bewundernswert, wie einfach wir es der Regierung, nein, mittlerweile muss man ja von den Regierungen im Plural sprechen, gemacht haben, die Verantwortung abzulegen und sie uns, also der Bevölkerung, umzuhängen. Der Spin ist genial, wirklich eindrucksvoll gemacht.

Die Mär des Eingriffs in die Privatsphäre als uns in unseren Leben hindernde Maßnahme – ein in einer Demokratie zu gewissen Teilen abstraktes Problem, das nicht in direktem Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung steht, sondern sich ganz grundsätzlich aus der Art unseres Zusammenlebens ergibt: ein wenig privater Verzicht verhilft der Gemeinschaft zu insgesamt besserem Leben – wurde diskursiv in die Eigenverantwortung überführt. In anderen Worten: Wir sollen nun in Eigenverantwortung mit einem Zustand zurecht kommen, der durch Eigenverantwortung nicht lösbar ist. Wir sollen in Eigenverantwortung etwas lösen, das auf Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit aufbaut. Die einzige Institution, die wir haben, die soetwas steuern könnte, ist die Politik, doch die hat eben wahr gemacht, was der damalige Kanzler schon vor 445 Tagen ausgesprochen hat: Covid ist ein „individuelles, medizinisches Problem„. Beisatz: Jede und jeder einzelne hat „das Recht, rechtskonform unvernünftig zu handeln“. Take that, Verschwörungstheoretiker! Manchmal sind Pläne so offensichtlich, dass man sie vor lauter Sichtbarkeit nicht sieht.

Noch 67 Tage bis zum 1.000-Tage-Jubiläum! Aber eigentlich ist das alles ohnehin egal.

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