Demarkation Bequemlichkeit: Letzte Generation blockiert Rettungswagen

Die Letzte Generation blockiert einen Rettungswagen war eine Nachricht, die es uns allen bequem gemacht hat. Jetzt, wo das aufgeklärt ist, wird es wieder mühsam.

Bei einer der Aktionen der Letzten Generation am Verteilerkreis in Wien ist ein Pensionist ums Leben gekommen, da die Klebeaktion den für ihn bestimmten Rettungseinsatz am Weiterkommen behindert hat. Der Krankenwagen stand im Stau anstatt den Mann zu reanimieren, so die Nachricht. Man habe einen Rettungswagen weder gesehen noch gehört, so die Entgegnung der Letzten Generation. Aufruhr, Aufruf zur Strafverschärfung, „Klimaterrorismus“…

Man konnte sich aufgrund dieses Vorfalls so richtig entladen. Die Nachricht über das Blockieren des Krankenwagens war das willkommene Ventil, auf das wir alle gewartet haben. Der Vorfall bildet eine Art erlösender Demarkation, die es möglich macht, eine Position gegenüber der von allen gleichzeitig akzeptieren wie auch verurteilten Protestbewegung einzunehmen. Die eine Seite bestätigt die Intention der Gruppierung, verurteilt aber die Aktion und verweist auf mögliche andere Maßnahmen; und die andere bekräftigt die Aktion mit Verweis auf die daraus folgenden Maßnahmen umso mehr. Eine der Mitgründerinnen der Letzten Generation in Österreich hat es in einem ZIB2-Interview sinngemäß auch so formuliert: Ohne solche Aktionen (Klebeproteste) würde die Gruppierung und das Thema nicht einmal diskutiert werden. Was für eine herrliche Klarheit, die aus einem unklaren Grau ein eindeutiges Schwarz und Weiß macht!

Doch nur wenige Tage später stellt sich heraus, dass die ganze Sache offenbar anders gelaufen ist und dass die Protestaktion nichts, nicht einmal indirekt, mit dem Tod des Mannes zu tun hatte. Stattdessen dürfte es sich um eine banale, wenn auch folgenschwere Verwechslung bei der Rettung selbst gehandelt haben, die den Rettungswagen in eine Gasse nach Simmering geschickt hat anstatt in die gleichnamige Straße in Schwechat.

Meine Güte ist das nun ein unbefriedigender Zustand! So schön konnten wir uns alle nun auf diesen Unfall ausreden, so billig war es nun, das Thema vom Tisch zu wischen. So einfach konnten wir den Fokus des Themas Klimakrise auf diese eine Aktion legen und damit unser unangenehmes Reflektieren beenden, bevor es noch begonnen hat. Ach herrje! Jetzt, wo klar ist, dass die Kleberei nichts mit dem Tod des Mannes zu tun hat, wird die ganze Sache wieder schwerfällig und wir müssen rechtfertigen, überlegen, argumentieren, und kommen in den ach so schwerfälligen Zustand, die Gemütlichkeit eines Fluges, den Genuss von Fleisch, die Bequemlichkeit des Individualverkehrs und sonstiger Aktionen des alltäglichen Lebens, die dem Klima nicht gerade zuträglich sind, irgendwie rechtfertigen zu müssen. Aber gut, nun, da wir im Diskurs wieder dort sind, wo wir vor dem Einsatz des Rettungswagens waren, müssen wir uns halt eben wieder auf vorformulierte Gedanken (Meme) stützen: Die Technik wird uns da herausholen, so schlimm ist es gar nicht, wir werden das schon schaffen, und das ist alles ganz normal, solche klimatischen Veränderungen hat es ja schon früher gegeben, wir in Österreich haben diese ganzen Probleme eh nicht so, Elektroautos, äh, E-Fuels sind die Rettung. – Das klingt alles gut, oder? Klimaanlagen sind sicher eh gerade irgendwo in Aktion, wir machen einfach weiter wie bisher. Da braucht man sich den Kopf nicht zu zerbrechen. Aber das kann eh nicht passieren, bei so viel Sand, wie um ihn herum ist.

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