Was unsere Haut mit unserer Gesundheit und unserem Alter zu tun hat

Was wie ein Beitrag aus einem billigen Lifestyle- und Health-Magazin klingt, birgt einen launigen Artikel über die Etablierung eines Denkmodells über die Wahrnehmung unserer Haut.

Ich habe mich nie wirklich mit dem Thema Altern auf physiologischer Basis beschäftigt, mit ist nur aufgefallen, dass die meisten geistig wie körperlich unbeweglicher werden, unsympathisch, neuen Ideen immer weniger aufgeschlossen, fett und grantig, dem Zucker verfallen und alles in allem… ach, ich hör schon auf. Hier geht es ja um andere Dinge, wobei ich mir sicher bin, dass ihr euch nach Lektüre meiner Zusammenfassung hier oder, wenn es euch wirklich interessiert, des interessanten Artikels bei der BBC, denken werdet, dass diese Dinge ja gar nicht so anders sind, wie ich hier anzudeuten versuche und fett, grantig, wenig aufgeschlossen, stur und unsympathisch ja vielleicht doch irgendwie damit zu tun haben.

Auf BBC Future ist ein Artikel mit dem Titel „The curious ways your skin shapes your health“ erschienen, in dem ein direkter Zusammenhang zwischen unserer Haut und unserem Alter bzw. dem Altern hergestellt wird. Das ist jetzt nicht das sonst hier übliche Programm, ich weiß, ich will euch aber an dieser Inception teilhaben lassen und gleich vorwegnehmen, warum mich der Artikel so dermaßen fasziniert hat.

Wenn ich trockene Wissenschaft bishin zur vollkommenen Abstraktion in Form von theoretischen Zugängen interessant und spannend finde, dann deshalb, weil ich auf ein Modell oder ein Framework stoße, das mein Denken nachhaltig verändert oder mir durch Anwendung der dem Framework inhärenten oder dadurch etablierten Logiken eine Sichtweise ermöglicht, die mir mein Denken bis dahin verwehrt hat. Und wenn mir ein Artikel in der BBC ein Denkmodell präsentiert, das meine bisherige Annahme über den Zusammenhang zwischen Haut und Alter bzw. Gesundheit fast zur Gänze auf den Kopf stellt, dann ist das ein solcher Zugang, den ich spannend finde.

Springen wir also gleich zu dem Absatz, der sich bei mir wie ein Widerhaken in den Gedankenfluss gebohrt und mich meinen Sonntagvormittag gekostet hat. (Im positiven Sinne!)

The latest research suggests that our skin is not just a mirror for our lifestyles – reflecting the effects of years of smoking, drinking, sun and stress – and hinting at our inner health. No, in this new upside-down-world, the body’s largest organ is an active participant in our physical wellbeing. This is a strange new reality where wrinkles, dry skin and sunspots cause ageing, instead of the other way around.

Ihr habt das zu schnell gelesen, das weiß ich, mir ging es genauso. Lest den letzten Satz nochmal. Ich habe euch den relevanten Abschnitt deswegen auch noch einmal zitiert und den alles umkehrenden Begriff kursiv markiert: „Wrinkles, dry skin and sunspots cause ageing, instead of the other way around.“

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Ab da wird es nun richtig spannend, denn ist einmal das Denkmodell auf den Kopf gestellt, wird plötzlich als gesichert angenommenes Wissen zur Frage und was bislang eine brennende Frage war, schlagartig irrelevant oder zur Folge anderer Gegebenheiten und Bedingungen. Wichtig dabei ist: Wir drehen den Spieß um und behalten im Kopf, dass die Haut nicht nur anzeigt, wie es um unsere Gesundheit steht, sondern auch dafür verantwortlich ist, wie es uns gesundheitlich geht.

Was das aber nun mit dem Altern zu tun hat, lassen wir nun wieder die Autorin des Beitrags, Zaria Gorvett, erklären. Sie muss sich hier allerdings gefallen lassen, dass ich sechs von ihr schön verfasste und einer gewissen Dramaturgie folgenden, Spannung aufbauende und dabei Wissen und Details vermittelnde Absätze ganz brutal auf ein einziges, durchgehendes und mit vielerlei Kürzungen ausgestattetes Zitat zusammengefasst und damit den von ihr ganz im Sinne der journalistisch aufbereiteten Erzählung hervorgerufenen Aha-Effekt zerstört habe. So, wie ich euch die Zusammenfassung hier präsentiere, werdet ihr bestenfalls ein „Na ist doch eh klar!“ verspüren, auch wenn das, was da steht, so gar nicht „eh klar“ ist. (Wer den Aha-Effekt allerdings selbst erfahren will, kann jetzt noch schnell abspringen! Hier der Link zum Original-Artikel bei der BBC. Lest ihn, kommt zurück und setzt unter dem nun folgenden Zitat fort!) – Ihr seid noch hier? Gut, so nehmt das!

In a young, healthy person, the immune system is routinely deployed to maintain order – patching up damage and shooing off infections. But as we get older, or when we are in poor health, these inflammatory responses can […] go into overdrive, releasing a cascade of potent chemicals that rampage around the body, destroying healthy cells and mutilating our DNA. Enter „inflammaging“ – the simmering backdrop of inflammation that accompanies the ageing process. […] The chemicals released by diseased and dysfunctional skin soon enter the bloodstream, where they wash around, damaging other tissues. Amid the ensuing systemic inflammation, chemicals from the skin can reach and harm organs that seem entirely unrelated, including your heart and brain. […] The result is accelerated ageing, and a higher risk of developing the majority of […] related disorders. So far, aged or diseased skin has been linked to the onset of cardiovascular disease, type 2 diabetes and cognitive impairment, as well as Alzheimer’s and Parkinson’s disease.

Meine Güte, was lese ich da?! Alzheimer, Parkinson und andere Krankheiten bedingt durch Entzündungen (in) der Haut? What?

Klar, es macht schon Sinn, wenn man einmal das Denken angepasst hat und akzeptiert, dass wir nicht nur Dinge über unsere Haut von innen nach außen transportieren – die Alltagserfahrung des Schwitzens, die hoffentlich lange zurückliegende Erfahrung von Pickeln oder anderen Ungetümen, die innen entstehend und nach außen wachsen, sind typische Beispiel dafür, wie Haut wahrgenommen wird. Was sie aber auch macht, ist Dinge, die an oder in der Haut entstehen, nach innen abgeben. Den Schweiß duschen wir uns mit Wasser ab. Um den Müll, der nach innen abgegeben wird, müssen sich unsere inneren Reinigungssysteme kümmern. Und die transportieren den Müll aber zum Teil in Regionen, wo man ihn sich eher nicht erwarten würde. Noch einmal zur Wiederholung aus dem eben zitierten Absatz: „chemicals from the skin can reach and harm organs that seem entirely unrelated, including your heart and brain.“

Though we’re all familiar with the risks of smoking, drinking, overeating and a lack of exercise, you might argue that poor skin health is the elephant in the room – the one factor that we all routinely overlook. The good news is that there is a lot you can do to improve it.

Und ab da wird es dann fast peinlich gewöhnlich und so dermaßen unsexy. Alles, wirklich alles, was uns unsere besorgten Eltern und wohlmeinenden Partner:innen zum Thema Hautpflege gesagt haben, findet sich da wieder:

  • Tragt schützende Kleidung und eine Kopfbedeckung, wenn möglich.
  • Vermeidet direkte Sonnenstrahlen, wenn möglich.
  • Nutzt Sonnenschutzmittel. Vor allem solche, die vor UVA und UVB schützen, denn gerade UVA scheint für den Großteil der Entzündungen verantwortlich zu sein, über die ihr gerade eben gelesen habt. (Hier übrigens ein Video, das ich knapp 10 Jahren gepostet habe, wo man ganz genau sieht, was Sonne sieht.)
  • Und: Nutzt Hautpflegeprodukte, die die Haut befeuchten, vor allem wenn ihr die 40 schon hinter euch gelassen habt, da ab dem Alter die Selbstversorgung der Haut mit Feuchtigkeit nachlässt. Und nein, um das gleich vorweg zu nehmen: Trinken nützt nicht wirklich.

Gerade das Thema Befeuchtung der Haut kann sich erstaunlich stark auswirken (und hier schließt die ganze Sache wieder mehr ans Thema Altern an). Ich habe diesen Absatz im BBC-Artikel fast nicht glauben können, in dem es heißt, dass trockene Haut und kognitive Leistung miteinander in Zusammenhang stehen. (Aber gut, ich habe ja ganz oben schon angekündigt, dass man einige Denkmodelle umdrehen muss und Unklares klar wird, aber als klar Angenommenes plötzlich Fragen aufwirft.)

An international team of researchers […] asked older volunteers to apply a topical moisturiser twice a day for one month. Compared to older participants who had not received any treatment, the subjects‘ skin was significantly restored, with lower levels of three different classes of inflammatory chemicals. These […] results were quickly followed up with another study […] which involved treating adults over 65 years old with a moisturising cream twice a day for three years. The participants‘ cognitive functioning was measured at the beginning and end of the study – and after three years, though the control group had declined significantly, those who had been hydrating their skin had not deteriorated.

Excuse me, aber WTF?! Feuchtigkeitscreme und kognitive Leistung hängen zusammen? Ja, tun sie. Wir werden uns an dieses Denken, an dieses Modell von Haut und ihre Wirkung auf unser Leben gewöhnen müssen und können uns, zumindest geht es mir so, nicht mehr davon losreißen, wenn wir diesen Gedanken einmal gedacht, nachvollzogen und „in die Chemie unseres persönlichsten Lebens wirkend einsickern“ haben lassen. Vor allem, wenn, was das Modell ans Tageslicht bringt, so logisch und einleuchtend klingt!

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Wer noch immer zweifelt, dem öffnet Zaria Gorvett nur zwei Absätze weiter die Augen. Dort beschreibt sie eine Wahrheit, die nun wirklich nicht mehr von der Hand zu weisen ist und eine Denkhilfe darstellt, das neue Modell von Haut leichter zu akzeptieren.

To visualise the extent to which the skin is able to affect the rest of your body, it helps to think about just how much of it you have – then remember that, as you would expect, all the skin you can see on the outside of your body is matched by the exact same surface area on the inside. And when your skin is damaged, every inch is capable of releasing toxic chemicals.

Es lohnt sich wirklich, den Artikel auf BBC Future zu lesen. Und seine Haut mit Sonnenschutz einzucremen, befeuchtende Hautpflegeprodukte zu benutzen und immer im Hinterkopf zu haben, dass die Haut nicht nur unsere äußere Hülle darstellt, sondern auch den Zugang zu unserem Inneren.

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