Eine Kampagne der Telekom macht auf die Gefahren des Teilens von Kinderfotos im Netz aufmerksam. In einem Spot der Telekom werden die Eltern mit dem, was Fremde mit den Fotos ihrer Tochter anstellen können, konfrontiert. Und das ist nicht schön. Der Spot führt gut vor Augen, was das Foto eines Kindes am Badesee für die Eltern bedeutet, und was das gleiche Foto für gewisse andere Personen bedeuten kann.
Das Spot ist gut und wirkt, hat aber in meinen Augen den Fokus falsch gesetzt. Im Spot wird über die Gefahren gewarnt, die Fotos von Kindern im Netz für das Kind bedeuten. Die Gefahr wird somit zu einer Möglichkeit in der Zukunft gemacht. Es kann etwas passieren, sogar etwas wirklich Unschönes, ist die Kernaussage. Meiner Meinung nach sollte eine Kampagne zum Thema aber woanders ansetzen. Die Gefahren sollten zwar die Begründung sein, das Hauptaugenmerk einer solchen Kampagne aber sollte dem Verhindern des Hochladens solcher Fotos dienen, sie sollte also viel früher ansetzen.
Eltern sollen darüber nachdenken, was dieses Bild, das sie gerade hochladen wollen, in Zukunft für ihr Kind bedeuten kann. Sie sollen dem Drang, Fotos ihrer Kinder ins Netz zu stellen, solange widerstehen, bis sie sich der Konsequenzen bewusst sind. Und sie sollen verstehen, dass sie etwas tun, was der Person, die sie gerade fotografiert haben, in Zukunft vielleicht nicht passt oder sogar schädlich für sie ist. Rückgängig zu machen ist die Sache nämlich nicht.
Sharenting exposes children to the larger digital world without their consent, robbing them of a kind of agency. It exposes them to platforms that they might have opted out of altogether—and deprives them of the choice to never be on social media in the first place. […] At a time when we’re increasingly aware of data privacy and surveillance, what unforeseen consequences might there be to maintaining […] a “digital dossier”—especially one that stretches all the way back to the parents’ gleeful Facebook post revealing that they are expecting? We’ve grown accustomed to someone in the public eye apologizing for an idiotic tweet from when they were a teen-ager. What if that record stretched back even further? Could things parents post about children produce real-world outcomes, in terms of fodder for bullying, professional reputation, or future prospects? Could the fact that children already exist as online entities affect a child’s “ability to develop their own sense of self”?
The New Yorker
Eine mögliche Gefahr (wie im Spot kommuniziert) ist etwas völlig anderes und in der menschlichen Wahrnehmung ganz weit weg vom unmittelbaren Erleben. Der Drang, das Foto sofort zu veröffentlichen, ist eine konkrete und unmittelbare Handlung, die zum Fokuspunkt einer Kampagne gegen Kinderfotos im Netz gemacht werden sollte. Eine mögliche Gefahr steht nun der konkreten Handlung gegenüber. Und das ist der Konfliktpunkt, mit dem Eltern konfrontiert sind. Die mögliche Gefahr kann man sich wohl wissend, dass man nur die eigene Reflexionslosigkeit rechtfertigen möchte, schönreden: „Alle machen es“, ist ein häufiges Argument, „Wenn das Kind älter ist, macht es das eh auch selbst“ (übrigens im Standard-Forum exakt so zu lesen), ein anderes.
Bei der konkreten Handlung sieht die Sache schon ein wenig anders aus. Die aber direkt anzusprechen, ist schwierig, sehr schwierig, denn sofort werden Aufforderungen, das Hochladen von Kinderfotos zu unterlassen, wie Bevormundung wahrgenommen. Auch das beweist übrigens das Standard-Forum eindrücklich. Da wird schon mal kommentiert, dass es „übergriffig“ sei, wenn einem „fremde Leute“ erklären, welche Fotos man wie teilen darf (und welche nicht). „Fremde Leute“ wird hier als Bezeichnung für Expertinnen und Experten verwendet, die sich auf allerhöchstem Level mit den negativen Auswirkungen von Kinderfotos im Netz beschäftigen und zum Schluss kommen, dass die Risikominimierung einzig und allein durchs Unterlassen, dem Drang, Kinderfotos hochzuladen, zu folgen, gegeben ist. (Natürlich werden Einwände, die auf den Expertenstatus einer Personen verweisen, deren Job es eben ist, Hinweise zu geben, als Hörigkeit gegenüber der Obrigkeit gewertet und natürlich füllt sich das übliche Klärbecken auch hier wieder, wenn auch zum Glück in nicht ganz so widerlicher Form wie bei allem zum Thema Pandemie.) Was aber gilt: In dem Moment, in dem es einen selbst betrifft, ist die Ratio dahin und das Argument der Bevormundung siegt über das Wohl des eigenen Kindes.
Dass das Teilen von Kinderfotos im Netz wirklich die dümmste Idee ist, die man für sein Kind haben kann, liegt, zumindest für mich, auf der Hand, aber wenn ich mir ansehe, wie oft ich das hier schon erwähnt habe – Kinderfotos auf Facebook (2011), Endlich Babyfotos auf Facebook (2015), Grundsätzliche Skepsis ist angebracht (2019) -, dann dürfte meine Einstellung dazu eine doch ganz andere als die vieler Eltern sein.