In Urumqi gibt es zwei Möglichkeiten, vernünftig, billig und gut zu essen. Einerseits den Wuyi Nachtmarkt, andererseits das Kraman-Restaurant, das im Lonely Planet Erwähnung findet. Damit war es das aber auch schon, denn sogar eine Internetsuche nach diesem Restaurant brachte nur eine einzige Erwähnung in einem Travelblog (Get me out of here. Now.): „I was aiming to walk to Kraman, a restaurant that is among China’s top ten according to the Lonely Planet where you can get a delicious four course Uyghur meal for 10RMB.“ – das war’s aber auch schon. Darum opfere ich mich und berichte über das Kraman Restaurant in Urumqi.
Die Abfahrt unseres Zuges nach Kashgar war mit 15:51 Uhr anberaumt, daher war noch genug Zeit, um sich in Urumqi zu langweilen. Wir standen spät auf, frühstückten eigentlich gar nicht, packten schon mal unsere Sachen und klärten mit dem Hotel eine nach hinten versetzte Check-Out-Zeit ab. Frühmittags war dann der Hunger da und ein Blick in den Lonely Planet offenbarte uns, dass es hier in Urumqi eines der Top-Ten-Restaurants in ganz China geben soll: das Kraman-Restaurant. Bestes uighurisches Essen in angenehmer, ja fast schon nobler Atmosphäre. Also nichts wie hin. Vor allem, weil das Restaurant nicht weit von der Straße entfernt war, die wir bereits kannten: Ging man die Straße entlang, die in der Nacht zum Wuyi-Nachtmarkt mutiert, bog man dann links in eine Querstraße ein, stand man praktisch direkt vorm Kraman.
Wir treten ein, werden von einer Kellnerin doch ein wenig überrascht begrüßt und tatsächlich gelingt es der Belegschaft eine englische Karte aufzutreiben. Das Restaurant ist ein länglicher Raum, der von drei Tischreihen durchzogen wird, wobei es großteils runde Tische sind, an denen ganze Familien Platz haben können. Der Tee wird – wie ganz selbstverständlich in China – serviert. Im Lonely Planet wird empfohlen, hier ein paar Kebabs zu probieren, ebenso wie Suoman, das sind die Nudeln, die man oben im Bild sehen kann. Wir bestellen also Brot, Suoman und Kebabs. Und das funktioniert auch.
Es wird serviert, die Portionen sind größer als man das aus Shanghai gewohnt ist, das Essen ist besser, wenn auch nicht so schön präsentiert wie in Shanghai und vor allem ist das Essen billiger als in Shanghai. Wahrscheinlich ist das Essen so billig, wie nirgendwo auf der Welt es bei dieser Qualität billig sein kann. Insgesamt bezahlten wir für einige Kannen Tee, Brot in Unmengen, ein paar Kebabs und die Nudeln umgerechnet knappe eineinhalb Euro. Das muss man einmal unterbieten.
Was aber macht das Kraman Restaurant so besonders? Nun, es ist, was ganz Urumqi besonders macht. Die Stadt – und das Restaurant als pars pro toto – ist ein einziger Melting Pot. Nur halt nicht von Spaniern, Amerikanern, Europäern, Inselbewohner der Karibikstaaten und Kanadiern wie in New York, sondern halt Chinesen, Uighuren, Russen, Mongolen, Indern, Pakistani, Afghanen, Tadschiken, Kirgisen, Kasachen, Usbeken und Turkmenen – diese Mischung erklärt auch, warum im Norden Xinjiangs alles in chinesischen, russischen und arabischen Schriftzeichen angeschrieben steht. In Urumqi wird gehandelt, in Urumqi trifft man sich, hat man doch hier ein relativ stabiles Dasein. Und so auch im Kraman Restaurant. Wir waren uns nicht sicher, welche Sprache wir häufiger vernehmen konnten: Chinesisch oder Russisch. Alles war da. Und genau dieser für westliche Touristen äußerst ungewöhnliche Zugang zu Multikulturalität, genau diese Ansammlung an Völkern, die in den Medien immer auf die eine oder andere Weise negativ dargestellt werden, saß nun da und erfreute sich an Kebabs, an Brot, an Tee, irgendwelchen Alkoholika und dergleichen. Und wir: mittendrin.