Gegen Ende der Tour in Xinjiang mit meiner Reisebegleitung Magdalena, wir waren zu diesem Zeitpunkt in Turpan, wurde sie plötzlich und für uns beide aus heiterem Himmel wirkend krank. Noch in der Früh war alles in bester Ordnung, zu Mittag schon war ihr richtig schlecht und den Abend verbrachte sie nur mehr im Bett. Geschlafen hat sie in der Nacht nicht: Krämpfe, andauernde Übelkeit und Atemnot, sowie das andauernde Gefühl sich übergeben zu müssen, machten das unmöglich.
Wir hatten für den 5. September einen Chauffeur bestellt, der uns die umliegenden Sehenswürdigkeiten zeigen würde. Es war soetwas wie eine kleine Rundreise rund um Turpan, die wir beiden geplant hatten. Um 5 Uhr morgens stand der Fahrer samt Auto vor dem Hotel, wir waren pünktlich anwesend und fuhren zum vereinbarten Zeitpunkt los.
Der erste Stopp dieser Reise fand nur wenige Autominuten vom Hotel entfernt statt. Unser Fahrer hatte bei den Preisverhandlungen des Vortages offenbar genügend für sich herausgeholt und spendierte uns großzügig ein „Turpan-Frühstück“. Während ich die in Fett ausgebackenen Teigstangen eher argwöhnisch betrachtete, erfreute sich Magdalena ihrer in Massen. Offenbar hatte sie Hunger, also warum nicht? Mir persönlich waren die an die österreichische Süßspeise „Gebackene Mäuse“ erinnernde Speise etwas zu heftig.
Tuyoq
Kaum war das Frühstück verzehrt, fuhren wir in das naheliegende Dorf Tuyoq, dessen Erscheinungsbild den Gedanken an einen Zeitsprung von einhundert Jahren in die Vergangenheit aufkommen ließ. Wir kletterten auf eine der naheliegenden Dünen, genossen den Ausblick und gedachten unserer Kollegen, die – etwa 5500 Kilometer von uns entfernt – an diesem Tag an einem Firmenseminar teilnehmen mussten, das jedes Jahr und immer wieder an Langeweile nicht zu überbieten war.
Wir verbrachten noch einige Zeit in Tuyoq und erhielten im Anschluss sogar eine Einladung zu einem zweiten Frühstück, die wir gerne annahmen: Uns wurde frisches Obst aus der Provinz kredenzt (Xinjiang ist bekannt für seine Obstexporte, vor allem für seine Weintrauben) und erfrischender Tee serviert. Mitten in einer Oase in China im Schatten eines alten Baumes zu frühstücken hatte schon etwas…
Emin Minaret
Die nächste Station dieser Reise war das Emin Minaret, eine riesige und imposante uighurische Moschee mitten in der Wüste. Wir betraten den Turm und genossen die herrliche Aussicht. Zu diesem Zeitpunkt wirkte Magdalena bereits ein wenig müde, nicht jedoch krank.
Jiaohe
Definitiv und urplötzlich krank war sie dann als wir bei den Ruinen in Jiaohe angekommen sind. Wir konnten zwar das Gelände noch betreten und ein bisschen herumscherzen, doch schon bald ließ mich Magdalena vorgehen und nicht viel später kam der Moment, an dem sie sich im Schatten hinsetzte und nicht mehr weiter wollte. Ich half ihr zurück in den Wagen, kaufte noch etwas zu trinken ein, damit wir zumindest den Faktor Flüssigkeitsmangel ausschließen konnten und wir nahmen direkten Kurs auf unser Hotel.
Turpan
Als wir im Hotel ankamen, war Magdalenas erster Weg direkt ins Bett. Kein Essen, kein Trinken, sondern Bett und Ruhe. Ich erkundigte mich nach ihrem Wohlbefinden und sie versicherte mir, dass ich bedenkenlos einen Abendspaziergang durch die Stadt machen könne. Ich hatte Glück und konnte eine Nachtaufnahme der Moschee machen. Monate später sollte ich erfahren, dass der helle Punkt im Hintergrund nicht irgendein Stern, sondern der Planet Venus war!
Was sich bei Ankunft im Hotel nach den Jiaohe-Ruinen als harmloses Husten angehört hat, war nun, ein paar Stunden später, zu heftigem Würgen in bedenklichem Ausmaß angestiegen. Magdalena bewegte sich im Minutentakt zwischen Bett und Badezimmer hin und her und an Schlafen war natürlich überhaupt nicht zu denken. Und das, obwohl wir beide für den nächsten Tag eine Reise von ein paar tausend Kilometern vor uns hatten: Wir mussten Tickets für einen der ersten drei Busse ergattern, die nach Urumqi fahren. In Urumqi mussten wir uns einen sehr guten Preis fürs Taxi aushandeln, das uns zum Flughafen bringen würde, wo wir wiederum so tun mussten, als ob nichts gewesen wäre und war, damit wir problemlos zurück nach Shanghai kommen würden. Würden wir diesen Flieger versäumen, würde Magdalena ihren Flieger zurück nach Wien versäumen. Doch zurück ins Hotelzimmer in Turpan. Ich konnte nicht helfen und Magdalena kotzte sich die Seele aus dem Leib. Gegen 4:30 Uhr in der Früh schlief sie für ein paar Minuten ein und ich begann das Gepäck zu packen.
Turpan-Shanghai
Wir bestiegen den Bus, für den wir Tickets bekommen konnten. Nicht gemütlich, aber erträglich, obwohl ein Kriegsfilm nach dem anderen in doppelter als gewöhnlicher Lautstärke gespielt wurde. Magdalena hatte ihre Sackerln dabei – und die waren nötig! Wir kamen in Urumqi an. Vom Busbahnhof war es allerdings doch sehr viel weiter zum Flughafen als wir befürchtet hatten. Das letzte Kleingeld wurde gezählt und wir konnten eine Taxifahrerin überreden, uns zum Flughafen zu bringen. Im Gegensatz zu unseren Erwartungen, verlief der Flug problemlos (seitens Magdalena), die Landung ebenso. Ich brachte sie ins Hotel, versicherte mich, dass alles in Ordnung sei, besorgte eine Kleinigkeit zu essen und hoffte, dass sie sich für den nächsten Tag erholen würde, denn da flog sie schon wieder heim. Der Cheeseburger war definitiv keine gute Idee gewesen, aber was wäre es gewesen?
Shanghai: Überall Wasser.
Was hätte man nach so einem Trip am liebsten gehabt? Ein ruhiges Hotelzimmer, in dem alles in Ordnung gewesen wäre. Schmeck’s! Als ich am nächsten Tag Magdalena verabschieden wollte, stand das Hotel unter Wasser. Ein Rohrbruch – just im Stockwerk über dem Zimmer von Magdalena – führte zu einer Nacht, die abermals schlaflos blieb. Wir packten Magdalenas Zeug, ich setzte sie in den Bus zum Flughafen, wünschte ihr einen schönen und guten Flug und hoffte, dass sich schon bald gesundheitlich alles zum Besten wenden würde.
Kein Flugzeug!
Am nächsten Tag, ich war bereits ausgeschlafen und hatte schon gefrühstückt, erhielt ich einen Anruf von Magdalena. Sie war noch immer am Flughafen in Shanghai! Der Flug wurde aus irgendwelchen Gründen storniert, sie musste die ganze Nacht über am Flughafen warten, weil nicht klar war, mit welchem Flieger sie nachhause kommen würde. Erst drei Stunden nach unserem Telefonat sollte sie China verlassen. Erst knappe 36 Stunden nachdem sie hätte in Wien sein sollen, erreichte sie die Stadt.
Unvergesslich!