Ich weiß nicht wirklich, woran es liegt, aber ich kann mit der Notizen-App, die unter macOS/iOS mitgeliefert wird, nicht. Wenn ich Notizen ablegen möchte, dann sind das in 99% aller Fälle reine Textnotizen und keine Bilder, PDFs oder sonst irgendetwas. Autoformatierung und -vervollständigung stört mich, weil sie öfter falsch liegt als mir lieb ist. Was gibt es also am Markt?
nvALT
Vor Jahren habe ich, allerdings sehr lange, mit Brett Terpstras nvALT gearbeitet, einer hässlichen App, die nur deshalb erträglich war, weil sie, wenn nicht in Verwendung, nur mit einem winzigen Icon in der Menüleiste zu sehen war. Sie war zwar wirklich nicht schön gestaltet, aber in puncto Geschwindigkeit und Suchfunktion bislang ungeschlagen. Mit einer Tastenkombination konnte man das Fenster öffnen, seine Notiz ablegen und einfach weitermachen. Keine komplizierten Auswahlmöglichkeiten, keine verschiedenen Accounts, gar nichts. Man musste lediglich einmalig festlegen, ob die dahinterliegende Datenbank verschlüsselt sein sollte (na was denn sonst?) oder eben nicht. Sogar synchronisieren konnte man (zB über Dropbox).
nvUltra
nvALT ist heute nicht mehr so schön und passt sich auch nicht mehr richtig in die macOS-Landschaft ein. Das allein ist ja nicht schlimm, den Brett Terpstra hat (zusammen mit Fletcher Penney) ein neues Projekt ins Leben gerufen: nvUltra. Die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen nvUltra aufwartet, schrecken mich bereits ein wenig ab, aber solange die Leichtigkeit von nvALT erhalten bleibt, ist es ja gut. Das Problem ist halt, das Projekt ist seit gefühlten Ewigkeiten (naja, April 2020) in Beta. Mal sehen, ob das noch etwas wird.
Bear
Bear lähmt mich schon mit dem Eingangsstatement „Write beautifully on iPhone, iPad, and Mac“. Beautifully ist mir relativ egal. Was ich benötige ist: Notiere so rasch als möglich auf allen verfügbaren Plattformen und im Web, bestenfalls verschlüsselt, auf jeden Fall mit einer blitzschnellen und guten Suchfunktion. Bitte lasst mich in Ruhe mit schöner Formatierung und sonstigem Crap. Dass mir Markdown-Code als Formatierungselement angezeigt wird, ist ohnehin schon schlimm genug. Immerhin, es gibt Synchronisation und zumindest Sperren. Bear kostet allerdings etwas, nämlich aktuell knapp 15 USD im Jahr.
Simplenote
Simplenote. Kostenlos, verfügbar für iOS, Android, Mac, Windows und Linux, fantastische Funktionen, automatische Synchronisation, sogar Sharing (!) von einzelnen Notizen, einfach nur durch Eingabe einer E-Mailadresse als Tag (!!), eine automatische Abänderungs- und Versionshistorie, interne Links (!!!) das ist in meinen Augen sehr nahe an der perfekten Applikation für Notizen. Es gibt nur eine Krux an der Sache: Simplenotes sind nicht verschlüsselt. (Und Simplenote ist eine Electron-App, falls das jemanden interessiert.)
Es muss aber was dran sein an der App, denn nvALT hatte auch damals schon eine Synchronisationsfunktion mit Simplenote. (Und noch etwas: Simplenote wird von Automattic entwickelt, ja, genau, die, die WordPress entwickeln!)
Aktuell ist Simplenote, trotz fehlender Verschlüsselungsfunktion, mein Favorit.
Ulysses
Ulysses ist schön, kann viel, kostet im Jahr knapp 50 Euro (oder ist im SetApp-Angebot dabei), aber ich brauche es nicht. Auf mich wirkt die Applikation träge und aufgeblasen, aber es gibt eine eingeschworene Fangemeinde. Abgesehen von alledem kommt mir Ulysses nicht wie eine Notizen-App vor, sondern viel mehr wie eine Alternative zu Word oder Pages. Insofern: weiter im Text.
Evernote
Evernote hat immer schon wie eine Schachte, in die ich einfach alles hineinwerfe, auf mich gewirkt. Das ist meiner Meinung nach weit weg von einfachen Textnotizen und hat hier eigentlich nichts verloren.
Notion
Notion ist nicht uninteressant. Die App gibt es kostenlos, mit ein paar Zusatzfeatures um USD 4/Monat und sie verspricht, Ersatz für Confluence, GitHub Wiki (oder jedes Wiki), Trello, Asana, Jira, Google Docs und Evernote zu sein. Zusammenarbeit im Team gibt es, Embedding, usw. auch.
Ich weiß, dass ich Notion irgendwann für irgendwas nutzen werde, aber ich muss mir das System näher ansehen. Für reine Notizen ist es aktuell aber ein Overkill.
Fazit
Leider keines. Aktuell arbeite ich mit Simplenote an, aber sobald nvUltra fertig ist, geht es wohl dort hin!
Ich bin mit „Notizen“ zufrieden, aber nicht davon begeistert: Ja, die Autoformatiererei und -vervollständigung nervt, es gibt kein Markdown, etc. ABER: Es ist nahtlos in Apples System eingebunden, unterstützt Spotlight und Notizen/Ordner können mit anderen geteilt und bearbeitet werden und OCR für PDFs und Fotos funktioniert ganz brauchbar. Einiges ginge besser, aber nichts finde ich wirklich schlecht.
Evernote erscheint mir auch nach seiner Neuerfindung überflüssig. Zu wenig, zu spät, zu teuer – im Vergleich zu „Notizen“ sehe ich bis auf den Webgrabber keinen Mehrwert.
OneNote halte ich – wie alles andere von Microsoft, das auf das arschlahme OneDrive als Sync-Backend setzt – für unbenutzbar.
Rein textbasierte Lösungen bieten mir dann doch wieder zu wenig.
Also bleibt nur „Notizen“ übrig ;-)
Notizen – ja, eh okay. Was mich halt nervt ist, dass sich die App einfach träge anfühlt. Ich weiß nicht, ob du mal nvALT ausprobiert hast, das war wirklich genial einfach: Tastenkombination und wirklich sofort lostippen. Da gab es keinerlei Verzögerung, also echt ein Mehrwert einfach durch Geschwindigkeit. Aber ja, good ol‘ times.
Und was OneNote angeht, ja, OneDrive und ich, wir werden nicht mehr wirklich Freunde. Ich nutze es zwar, weil’s bei O365 dabei ist, aber schnell, performant, usw. ist was anderes. Aber da haben wir beide ja bei Twitter ohnehin schon genug gehatet ;-)
Ich bin ein Fan von iA Writer – komplett weißer Bildschirm, ein blinkender Cursor und auf allen erdenklichen Plattformen verfügbar. Ich verwende es zwar eher, um frei von der Leber weg Blogposts zu schreiben (Android, iPadOS) und für Notizen noch altmodisch Yojimbo bzw. notgedrungen OneNote. Von der Einfachheit und dem flotten UI her könnte es aber was für dich sein. Synchronisation geht unter anderem über iCloud, da wäre die Frage, ob dir das sicher genug ist. The Verge hatte einst einmal zu mehreren Notizen-Apps diesbezüglich recherchiert, siehe https://www.theverge.com/this-is-my-next/2018/8/31/17630496/best-note-taking-app-google-keep-iawriter-school, siehe Kasten „Are your notes secure?“.
Ja, die Verschlüsselung habe ich ohnehin angesprochen. iA Writer ist super, aber mir wieder zu extrem in seinem Minimalismus. Außerdem hat iA Writer das gleiche Problem, unter dem auch Ulysses leidet: da wird Markdown als Stil-Element genutzt… Aber danke für den Tipp bei The Verge!