Sonntagsarabesken #123

Ein vertrauter Geruch, wie ein vertrautes Wort, eine Stimme, die sich durch die nachtschwarzen Windungen ihres Gedächtnisses schält. Es war die Macht des Schicksals, die das Bewußte von der Klarheit geplanter Zeit geschieden hat. In hastigen Worten ist das erklärt, während sich der Abschied hinzieht, sich verzögert, das Ankommen noch in Erinnerung, das Gehen noch nicht bewußt, noch lange nicht einmal als Möglichkeit angedacht, und jetzt: In andächtiger Trauer, schnell heraufgezogen wie ein Sommergewitter, steht man unter winterlicher Blutsonne und hält die Hand des Anderen. Der Tag hat sich auf die Seite gerollt und zittert unter einer dünnen Eisdecke. Jetzt, ein Jahr später, ist sie versucht, eine Apologetik der Vernunft anzustimmen, sich an die Unausweichlichkeit des Geschehenen zu klammern, doch in Wahrheit ist das nur eine Seite der Medaille. Die andere? Dass Männer doch stets nur Männer bleiben, dass Landschaften vielleicht das Laub, nie jedoch den dunklen Granit unter dem Grasmäntelchen wechseln, dass Gier und Lust für einige Monate Dauer unterdrückt, aber nicht ausgelöscht werden können. Und vieles mehr. Sie begreift, von rubinrotem Wein nebelhaft umfangen, das unausweichliche Drama jeder Art zwischenmenschlicher Beziehung. Das Scheitern ist ihnen allen wesenhaft. Deshalb: Warum lieber bei dem Einen als dem Anderen verweilen, wenn doch kein Aufenthalt von Dauer sein kann?