Von Blogger zu Textpattern, von Textpattern zu WordPress, von WordPress zu Tumblr. Ist das nicht ein Rückschritt von Systemen, die unendlich viele Möglichkeiten bieten zu einem System, das meine gesamte Online-Tätigkeit auf die Kategorien Text, Foto, Zitat, Link, Chat, Audio und Video beschränkt? Ja, ist es. Und diese Einschränkung ist, so schwer es auch zu glauben sein mag, gut.
Mein Problem mit WordPress war genau die Möglichkeit des Programms, praktisch alles damit machen zu können. Mit Hilfe von WordPress kann ich eine vollwertige Website, ein Portfolio, eine Galerie, ein soziales Netzwerk oder einfach ein Blog erstellen. Hunderte Zusatzfunktionen und tausende Plugins machen es möglich, damit alles umzusetzen, was im Internet umgesetzt werden kann. Doch wohin führte das?
Beim Surfen sah ich diesen und jenen optischen Gimmick, hier dieses Design, dort jenes Feature, hier einen schönen Hover-Effekt, dort wiederum einen Javascript-Slider – und ich fühlte mich gezwungen all das umzusetzen. Wenn schon WordPress all diese Möglichkeiten bot, warum sollte ich sie dann nicht nützen? Wenn ich diese Dinge programmieren konnte, warum dann nicht ausprobieren? Und so wurden Designänderungen, aber auch Änderungen technischer oder strukturell-inhaltlicher Natur zum Alltag. Ich beobachtete dieses Phänomen nicht nur bei mir, sondern auf vielen Seiten, auf denen mit dem Quellcode nachwievor herumexperimentiert wird.
Auch die Vielzahl von Plugins und die sich gegenseitig widersprechenden Aussagen, die entweder für eine generische oder für eine Plugin-Lösung eines Problems argumentierten, führt nur dazu, dass ich mich nicht und nicht entscheiden konnte, was mir letztlich wirklich passte. Leidgeprüfte Stammleser haben sich sicherlich öfters über Newsfeeds mit oder ohne Fußzeile oder andere Web-Experimente gewundert…
Sicherlich, das WordPress, das ich letztendlich vor mir hatte, war ein perfekt auf mich abgestimmtes Programm, quasi eine Maßanfertigung, doch hielt dieser Zustand nur solange, bis eine neue Version herauskam. Und der Zyklus von einem zum anderen Release liegt bei drei Monaten. Stelle sich die Leserschaft das bitte vor! Alle drei Monate ein maßgeschneidertes System erstellen? Das verursacht Arbeit und kostet Zeit. Zeit, die den Artikeln fehlte. Das Problem hierbei lag darin, dass es praktisch keine Grenze für die Kreativität gab. Was ich irgendwo im Web sah konnte ich mit WordPress umsetzen. Und das war nicht gut.
WordPress wurde zu einer Sucht. Meine vorige Aussage, dass ich alles mit WordPress umsetzen konnte änderte sich zur Maxime, dass alles, was WordPress konnte, auch irgendwie umgesetzt werden musste! Aus Möglichkeit wurde Zwang und darunter litt der eigentliche Beweggrund für dreitehabee: das Schreiben von Artikeln.
Barry Schwartz hat bei TED Talks eine Vorlesung zum Thema „Paradox of Choice“ gehalten und trifft damit mein Problem auf den Kopf. Die Möglichkeit, viele Möglichkeiten zu haben, macht letztlich unglücklich. Er zählt viele Gründe auf und gibt viele Beispiele, die Essenz jedoch lautet: Weniger Möglichkeiten – das ist in einer Gesellschaft, die keine Grenzen kennt, der Luxus. Und genau den gönne ich mir. Mehr Luxus auf dreitehabee.
Meine Auswahl beschränkt sich auf sieben Kategorien, die eindeutig definiert sind: Text, Foto, Zitat, Link, Chat, Audio und Video. Das war’s. Keine Kategorien außer diese sieben mehr. Tumblr bietet in der Hinsicht weniger (bei WordPress kann man eine beliebige Anzahl von Kategorien einrichten), mein persönliches Gefühl der Zufriedenheit ist hingegen massiv gestiegen. Ich muss mich nicht mehr um Suchmaschinenoptimierung kümmern, denn diese Option gibt es nicht. Ich muss micht nicht mehr um die korrekte Archivierung oder die Datensicherung meiner Einträge kümmern, denn diese Optionen gibt es nicht mehr. Mir wird mit dem Wechsel zu Tumblr alles Technische abgenommen und ich kann mich ganz auf die eigentliche Beschäftigung, das Bloggen, konzentrieren.
Es wird sich zeigen, ob meine Wahl eine gute war, ob sich die Anzahl der Einträge wieder auf ein vernünftiges Niveau einpendelt und wieviel Zeit ich insgesamt dafür opfere. Die Empirie werden wir in ein paar Wochen erfahren. Was jedoch bereits jetzt zählt, ist das Gefühl, das man beim Schreiben wieder hat. Und dieses Gefühl ist es, dass letztlich ausschlaggebend und entscheidend ist, nicht der technische Aspekt des Publizierens.
Einwände gegen Tumblr gibt es viele, an vorderster Stelle die Unmöglichkeit, Kommentare zu diversen Artikeln zu verfassen. Doch der Leserschaft sei gesagt, dass auch diese Möglichkeit, wenngleich für die meisten in der Form eher abschreckend, demnächst kommen wird. Kommentare werden hier nicht als vertiefendes Bla bla zu Artikeln angesehen, sondern als öffentliche Fortführung einer Diskussion in Form von neuen, zu meinen gleichwertigen und bezugnehmenden Artikeln, die originäre und ansprechende Meinungen präsentieren. Das Kamm-Schema von herkömmlichen CMSen wird umgelegt in ein lineares Schema. Soviel dazu vorweg.