Mit der Partizipation im Internet ist das so eine Sache. Sehe ich mich in meiner virtuellen Nachbarschaft um, so kann ich im deutschsprachigen Raum das Blogsterben feststellen. Ein Blog nach dem anderen macht zu und die Autoren behalten sich lediglich die Option vor, eventuell und vielleicht irgendwann einmal wieder was zu schreiben, was dann ab und an auch geschieht, jedoch in stark verminderter und verkürzter Form, schlimmstenfalls als eine Sammlung von kommentierten Links oder Kürzestartikeln, geschmückt mit dem Begriff Tumblelog. Doch das ist nicht, was Bloggen einst war und das ist nicht, was uns Leser befriedigt.
Bloggen, das war das Veröffentlichen von selbst geschriebenen Artikeln auf der eigenen Website. Und diese Artikel hatten immerhin den einen oder anderen Wert: Sie waren entweder informativ und Wissen bringend oder einfach nur unterhaltsam. Solche Artikel kommentierte man als Leser auch ab und zu, vor allem, wenn man die eigene Erfahrung in den Kommentar einbringen konnte. Jeder Blogger weiß, dass plötzlich alle zu Experten werden, wenn es in den Artikeln um Dinge geht, die ein jeder tagtäglich bestreiten muss: Essen, Wohnen, Schlafen, Beziehungen und dergleichen. Bei diesen Themen besteht fast eine hundertprozentige Garantie auf Feedback. Bei anderen Themen, die ein Wissen oder eine Spezialisierung voraussetzen, also im Feedback nach einer Form von Experten verlangen, erscheint es ja nur logisch, dass sich das Feedback drastisch reduziert, qualitativ aber stark verbessert.
Und dennoch: Ich meine, dass das Level der Partizipation, vor allem die Kommunikation durch Kommentare und Anmerkungen zu Artikeln auf Blogs im Allgemeinen dramatisch gesunken ist. Vor allem im deutschsprachigen Raum. Das wundert mich aber, denn ganz im Gegenzug dazu ist es bei anderen Inhalten und anderen Angeboten sehr wohl vorhanden. Das Kommentarvolumen und die Kommunikation per Mail innerhalb eines Services sind, nehmen wir Flickr oder YouTube her, enorm. Und wenn es auch ein einfaches Gefällt oder Gefällt nicht ist, die Leute kommentieren und geben Feedback. Woran liegt das? Warum kommentieren die Besucher dieser Seiten die diversen Inhalte, die Besucher unserer Blogs aber nicht? Sind wir so dermaßen schlecht? Liegt es am Lesen? An der Herkunft? Woran liegt es?
Das Geheimnis des Erfolges dieser Seiten liegt darin, das Unvereinbare vereinbart zu haben, ein zuvor als Gegensatzpaar in Erscheinung Getretenes, nunmehr als Gemeinsames vorzulegen: Die Spezialisierung auf das Alltägliche. Diese Kombination macht alle Menschen zu Experten auf dem Gebiet und jeder, der irgendeine Form der Meinung besitzt, kann seine „Expertenmeinung“ kundtun. Und diese wird durch weitere Experten unterstützt und wieder und wieder und wieder und wir haben hier schon das, was man gemeinhin Web 2.0 nennt ohne eigentlich zu erkennen, dass Web 2.0 die Spezialisierung auf das Alltägliche ist.
Im deutschsprachigen Raum gibt es aber solche spezialisierten Services nicht. Es gibt als einzig partizipatorisches Element der Bewohner dieser Lande lediglich Weblogs. Und die Anzahl derer hält sich – im Vergleich zu anderen Ländern – auch sehr stark in Grenzen. Wir sind halt keine Experten. Offenbar nicht einmal im Alltag. Oder doch?
Doch, ein wenig sind auch wir Experten, denn es gibt sehr wohl einige spezialisierte und offensichtlich ganz gerne gelesene Seiten, bei denen der Wissenskonsum seitens der Leserschaft scheinbar ganz gut funktioniert. Diese Seiten sind hochspezialisiert, allerdings nicht auf Alltagsthemen. Wie sieht es bei solchen Seiten mit der Teilnahme der Leserschaft an der Diskussion aus? Erfolgt sie? Wohl kaum, denn das Gros der Leserschaft eines solchen Blogs ist konsumierende, nicht aber partizipierende Leserschaft. Es wird nicht kommentiert, denn das meiste ist womöglich neu, also existiert die eigene Meinung noch nicht; es wird nicht kommentiert, denn das eigene Unwissen darf nicht ausgestellt werden; es wird nicht kommentiert, denn es ist doch schon alles gesagt und… wir sind ja keine Experten, wenn es nicht um Alltägliches geht! Und diese drei Punkte haben alle einen gemeinsamen Nenner: Unwissen.
Kommunikation auf Blogs erfolgt meist dann, wenn, wie ich schon sagte, beide Seiten eine Ahnung von der Materie haben, egal nun, ob diese auf akademischem Wissen beruht oder als Alltagserfahrung daherkommt. Das zieht sich bis in den kleinsten Bereich fort: Nur wenn beide eine Ahnung haben, wird kommentiert, weiß einer mehr als der andere, bleibt die Partizipation in Form von Kommunikation aus. Freunde, die einen auffordern, diesen oder jenen Artikel zu kommentieren, erhalten aus Freundlichkeit irgendein allgemeines Bla Bla, wenn man nicht selbst über den Inhalt des Artikels noch vor dem Lesen bescheid weiß. Ebenso funktioniert das aber auch auf höchstem wissenschaftlichen Level: Es kommentiert nur, wer Ahnung hat.
Warum aber schweigt sich der deutschsprachige Raum aus, der englischsprachige aber nicht? Dort wird ein Kommentar nach dem anderen abgegeben und es entsteht der Eindruck, dass irgendwie alle von allem Ahnung haben. Stimmt nicht, dort gibt es mittlerweile etwas, was im deutschsprachigen Raum wenn, dann nur marginal vorhanden ist: Die Wissensvermittlung über die Kommunikation der Experten im Medium Blog.
Eine Gemeinsamkeit erfolgreicher Blogs – und das gilt für alle Blogs weltweit – ist die Kommunikation mit anderen Blogs oder zumindest die Kommunikation mit anderen Experten auf der eigenen Seite, denn dieser Dialog der Experten erklärt sehr viel und verdeutlicht das Geschriebene sehr viel mehr als es ein einfach so ins Netz gestellter Artikel es jemals könnte. Experten sind hier gemeint als Menschen, die sich mit dem Inhalt des Geschriebenen auskennen, seien dies nun Freunde, die gemeinsam etwas erlebt haben oder wissenschaftliche Mitarbeiter, die ein bestimmtes Thema diskutieren. Mit der Zeit beteiligen sich in solchen Dialogen immer mehr Menschen am Gespräch und die Expertendiskussion verdünnt sich immer mehr zu Gunsten derjenigen, die zuvor noch keine Ahnung hatten. Doch das ist nichts Schlechtes. Es ist, ganz im Gegenteil, gut so, denn nur so kann der Rest sein Wissen vermehren und auch auf anderen Gebieten Experte werden! Doch das kapieren wir Deutsche, Österreicher und Schweizer offenbar nicht, dass Lernen über Teilnahme und nicht über stillen Konsum erfolgt.