Wenn Sie lernen wollen, wie Sie sprechen dürfen…

Eine Evolutionsbiologin wird dazu angehalten, ein biologisches Faktum anders zu bezeichnen, weil eine nicht-biologische Sichtweise der Dinge ihr ihre Sprache zu verbieten sucht.

Es häuft sich, über Schicksale lesen zu müssen, die dazu führen, dass gute Leute wegen bewusstem Missverstehen von Orten entfernt werden, die dem Missverstehen eigentlich entgegenwirken sollten. In einem Interview auf Zeit Online über den Kulturkampf in Harvard beschreibt die Evolutionsbiologin Carole Hooven in einer Sequenz von Antworten auf vom Zeit Magazin gestellten Fragen folgende Szene.

Für meine Doktorarbeit, die ich 2004 in Harvard verteidigt habe, untersuchte ich die Geschlechtsunterschiede im räumlichen Vorstellungsvermögen und ihre Beziehung zum Testosteron. […] Seit einiger Zeit behaupten Wissenschaftler – vor allem solche, die wenig Ahnung haben von Biologie –, dass geschlechtsspezifische Unterschiede im Verhalten wenig bis gar nichts mit biologischen Kräften wie Hormonen oder evolutionärem Druck zu tun haben. Das ist natürlich Blödsinn. Aber zu dieser Zeit wurde sogar das gesamte Konzept des biologischen Geschlechts selbst infrage gestellt. Nicht weil sich die Beweislage verändert hätte, sondern aus moralischen Gründen. […] Ich sprach in meiner Vorlesung über eine Krankheit namens kongenitale adrenale Hyperplasie, bei der weibliche Föten im Mutterleib einem überdurchschnittlich hohen Testosteronspiegel ausgesetzt sind. Dies führt zu einer Vermännlichung der Genitalien und des Gehirns, sodass das spätere Verhalten eher dem eines Jungen entspricht […], von einigen feministischen Forscherinnen und Forschern wird das jedoch bestritten. […] Wenn [das hormonelle Ungleichgewicht] nicht behandelt wird, kann der Testosteronspiegel erhöht bleiben, und diese Frauen können später männliche Merkmale wie Gesichts- und Körperbehaarung und verstärkte Muskulatur entwickeln. Ich zeigte also ein Bild einer dieser Frauen, um zu verdeutlichen, welchen Unterschied ein erhöhter Testosteronspiegel bei einer Frau ausmachen kann […] Ich nannte sie also „sie“ und sagte: „Sie ist vermännlicht.“ […] Dass hier jemand dachte, ich hätte eine Frau, die Gegenstand einer wissenschaftlichen Studie war, böswillig falsch gegendert, war ein Wendepunkt. […] Kurze Zeit später sprachen mich einige Studenten nach dem Unterricht an […]: „Wenn Sie lernen wollen, welche Sprache Sie im Unterricht verwenden sollen, bringen wir es Ihnen gerne bei.“ Ich fand das anmaßend.

Zeit Online

Wenn eine Gruppe von Menschen, die Wissenschaft betreiben, beginnt, naturwissenschaftliche Fakten unter die weltanschauliche (?) Sicht zu stellen und somit die Sprache, die das Faktum beschreiben soll, dahingehend zu verändern, dass dies zur Verfälschung des Faktums führt, dann wirkt das auf den ersten Blick eigenartig und vielleicht unangenehm, kann sich aber auf den zweiten als äußerst problematisch erweisen.

Die Evolutionsbiologin fand das Problem anmaßend, mir ist beim Lesen ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen.

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