Wien: 2 Millionen

Mit Oktober 2023 hat Wien wieder eine Bevölkerung von 2 Millionen Menschen. Noch 80.000 mehr und wir knacken den Rekord von 1910.

Falls das bei euch untergegangen ist: Seit 1. Oktober 2023 hat Wien wieder 2 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Noch 80.000 Menschen mehr und die Stadt wird den Höchstwert von 2,08 Millionen von 1910 überschreiten.

Das Erreichen dieser Zahl ist der Stadt aber nicht aus eigener Kraft gelungen. Die Geburtenbilanz der Stadt ist schwach positiv, nachdem sie bis 2004 sogar negativ war. Der überwiegende Teil des Bevölkerungszuwachses generiert sich aus Zuwanderung – und das nicht durch Binnenmigration, sondern vor allem durch Migration aus dem Ausland.

Anfang der 1990er-Jahre wieder zu deutlichen Bevölkerungszuwächsen aufgrund von Zuwanderung aus Osteuropa und vom Westbalkan. Seit Österreichs Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 1995 und dem vermehrten Zuzug aus Deutschland sowie anderen westeuropäischen Ländern ist die Wiener Wanderungsbilanz […] durchgehend positiv. Aufgrund der EU-Osterweiterung Anfang der 2000er-Jahre und der Öffnung des österreichischen Arbeitsmarkts für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsländern in den frühen 2010er-Jahren blieben die jährlichen Wanderungsbilanzen weiterhin deutlich positiv. Die Fluchtbewegungen aus Syrien und Afghanistan führten zu einem weiteren Anstieg der Zuwanderungszahlen, insbesondere in den Jahren 2015 und 2016. Das zurückliegende Jahr 2022 markierte mit einem Bevölkerungszuwachs von +51.000 ein Rekordwachstum, wobei gut die Hälfte des Jahreswachstums auf die Zuwanderung von Vertriebenen aus der Ukraine zurückzuführen war.

wien1x1.at

Vor allem aber trägt die Zuwanderung zu einer statistischen Verjüngung der Stadt bei. Das ist positiv, denn es gibt Gegenden in dieser Stadt, die dermaßen vergreist sind, dass man sich bereits unwohl fühlt. Ja, ich weiß, unwohl fühlen kann man sich auch aus anderen Gründen, aber es gibt einen ganz grundsätzlichen Unterschied zwischen Ungemach, das durch aufkeimendes Leben verursacht, aber womöglich in die falschen Bahnen gelenkt wird, und Ungemach, das aus der Hoffnungslosigkeit, dem bevorstehenden Ableben und seinen teils absurden Wirren von verzweifelt nach Lebensglück suchenden Greisen entsteht.

Wir werden daran nichts ändern und ihre Situation nicht verbessern können. Stattdessen werden wir diese Gegenden betreten und unsere Eltern, Großeltern und alternden Verwandten dort besuchen (müssen). Es sind dies prunkvolle Gegenden, vom stillen und einsamen Sterben der Alten in friedlich scheinende Ruhe gehüllt. Die Schreie von Einsamkeit, überhaupt erst durch Sauerstoffschläuche und Pflegekräfte möglich, gehen hier in einen schmerzenden Keuchhusten über, der die einzige Abwechslung im Alltag derer darstellt, die hier ihr Glück errichtet haben, um endlich dem Lärm der Stadt zu entfliehen. Man darf halt einfach nie vergessen, dass „es geschafft haben“ auch bedeutet, „am Ende zu sein“. Und weil uns das Erreichen des Endes so viel gekostet hat, sind wir vom steten Zufluss von Außen abhängig geworden. Eine verzwickte Situation, in der wir schon einmal waren:

Wien galt in den 1970er-Jahren als eine der demographisch ältesten Städte der Welt. Der ständige Zuzug von meist jungen Erwachsenen zwischen 18 und 30 Jahren hat dazu geführt, dass das Durchschnittsalter der Wiener Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten wieder leicht gesunken ist. Seit 2015 ist Wien das jüngste Bundesland Österreichs mit einem relativ hohen Anteil an Erwerbsbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren (knapp 70 %) und einem relativ geringen Anteil an Seniorinnen und Senioren über 65 Jahre (17 %).

Es besteht ja doch noch Hoffnung. Nicht für die, die sich bereits abgeschottet haben, denn sie können ohnehin nicht mehr rufen. Aber für die Neuen. Vielleicht doch nicht ganz Gramscis Das Alte stirbt und das Neue kann nicht geboren werden. Und somit auch keine morbiden Erscheinungen.

Wien ist nach Berlin, Madrid, Rom und Paris die fünftgrößte Stadt der Europäischen Union und die zweitgrößte im deutschsprachigen Raum. So viele Wienerinnen und Wiener überall!

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