Wir haben schönes Wetter und Kinder am Heldenplatz. Wir haben eine Person, die zur Partei geworden, und eine Person, der das Gegenteil widerfahren ist. Wir haben Kaffee, Tee, Sekt und Kaviar, Prosciutto und Phô, aber kein Thai-Food mehr. Wir haben Baustellen und Beziehungen, Freundinnen und Freunde. Wir haben kein Runtastic mehr, dafür Adidas. Keine Gazetten, dafür Facebook. Keine Ideen, aber auch keinen Nachwuchs. Die Glucken blockieren ihre Söhne nicht mehr: sie folgen auch so. Die Schläger sind zu Geschlagenen geworden. Die Zeit arbeitet gegen sie und gegen uns. Wir haben die Jahre durchsegelt, aber den Anker nie eingeholt. Wir spielen in der Sandkiste und niemand sagt es uns.
Wir haben graue Haare und einiges durchgemacht. Lächerlich im Vergleich zu Anderen. Wir haben immer neue Feindbilder und blicken angewidert auf die Dinge. Unser Zynismus ist zur Lebenseinstellung geworden. Wir sind konfrontiert mit Idiotie – und lieben sie. Wir erwarten uns Neues, tragen aber nichts zu Neuem bei. Wir haben unsere Hoffnungen auf unseren Nachwuchs gelegt, wissen aber sehr wohl, dass auch er keine Lösung für unsere Probleme ist. Wir sehnen uns nach einem entscheidenden Moment, nach dem Windows 95 des Jahres, nach der alles entscheidenden Veränderung, mit der wir tagtäglich konfrontiert sind, die nichts bedeutet und uns überdurchschnittlich freut. Nach dem Anderen, dem Unbekannten, dem Neuen, dem Unerwarteten. Wir sind sattgelesen, überkommentiert; der Feuilleton wurde zum Alltagsgespräch. Meinungen gibt es keine mehr, sondern Wahrheiten. Die Verfügbarkeit von Geld wird zum Qualitätskriterium, die dahinterliegende Begründungslogik nicht mehr hinterfragbar. Wir haben viel davon, nichts davon, und es ist trotzdem egal.
Wir sind sesshaft geworden, ernsthaft, wahrnehmbar und haben Verpflichtungen. Wir [hier Verb einsetzen] nach Schema F und wollen es uns nicht eingestehen, ritualisieren und balzen mit immer bunteren Fahnen, doch die Substanz bleibt gleich und modert dahin. Immer stärker wird der Bezug zur Vergangenheit, immer planbarer die Zukunft ohne Ausweichmöglichkeiten. Entscheidungen ergeben sich aus der Logik unseres Lebens, und selbst das Sprunghafte entpuppt sich als unvorhersehbare Kurve in der Geisterbahn. Wir haben das Jahr 2019 und die Nation ist nicht mehr eine. Sie ist Begründung für die einen, fiktiver Lebensinhalt für die anderen. Sie ist alles. Sie ist nichts. Das ist gut so, das sind wir. Und wir machen das nun schon zum fünften Mal. Wir können stolz auf uns sein, wir sind Nationalfeiertag.