ChatGPT im Kontext Schule

ChatGPT im Kontext Schule stellt ein Benotungssystem bloß, das auf Resultaten, nicht aber auf den deutlich schwieriger messbaren Prozessen dorthin basiert. Es sind aber die Prozesse, die Lernen ausmachen.

Wir sind alle entzückt von den Fähigkeiten von ChatGPT und sehen in der Fähigkeit des Tools, stringente Texte zu erstellen, enormes Potential für Zeitersparnis und Effizienz. Ob und wie man den Chatbot aber im Kontext Schule zulassen und nutzen sollte, ist bereits jetzt umstritten.

Lehrer:innen sind mit einem Tool konfrontiert, das genau das liefert, was sie an „Leistung“ von ihren Schüler:innen wollen: 500 Wörter zu einem vorgegebenen Thema, tatsächlicher Inhalt nahezu egal, Hauptsache, Aufbau und Form sind gewahrt. Es scheint aber, dass es genau diese zwei Aspekte sind – Aufbau und Form -, die sich zu großen Teilen als für die Beurteilung relevant herausstellen. Damit schlägt der Chatbot Lehrer:innen im Konkreten und dem Bildungssystem im Allgemeinen an diesem Punkt das Heiligste aus der Hand: die Schulnote. Wir haben es soweit kommen lassen, dass eine Maschine dem Bildungssystem offenbaren muss, was eine Schulnote eigentlich aussagt. Und das hat, wie sich herausstellt, ganz offenbar aber auch gar nichts mit dem, was wir Lernerfolg nennen, zu tun.

In Schulen in New York City wird die Nutzung von ChatGPT verboten und der Chatbot auf schuleigenen Geräten und in schulinternen Netzwerken gesperrt. Begründung:

Due to concerns about negative impacts on student learning, and concerns regarding the safety and accuracy of content, access to ChatGPT is restricted on New York City Public Schools’ networks and devices […] While the tool may be able to provide quick and easy answers to questions, it does not build critical-thinking and problem-solving skills, which are essential for academic and lifelong success.

Jenna Lyle (Sprecherin des Bildungsministeriums)

Ja, genau. Genau das wird’s sein! Der negative Einfluss auf den Lernerfolg wird durch eine Maschine verursacht, die Themen abarbeitet, welche Schüler:innen auf eine Art und Weise näher gebracht wurden, die ohnehin nur dazu führen würde, dass sie sich unter Zwang damit beschäftigen. Hier [ich zeige aufs linke Ohr] rein, da […aufs recht Ohr] raus, Hauptsache, die Form ist bewahrt. Dann ist alles gut. „Eine gute Arbeit, Schüler:in XY!“

Der einzige Punkt, den ich in Jenna Lyles Argumentation als valide ansehe, ist der letzte: Schnelle und einfache Antworten, schnell und einfach hergestellt, verhindern die tiefgehende Auseinandersetzung mit einem Thema. Bequemlichkeit gewinnt über die Formulierung eines kritischen Gedankens. Zeitersparnis und Effizienz verhindern Reflexionsfähigkeit. Auf allgemeinen Befehlen und Anordnungen basierende, automatisiert von einem Bot generierte Abhandlungen und Essays sind das Gegenteil von langsamen und ineffizienten Prozessen, die aber notwendig sind, weil sie uns in der Zeit unserer Bildung schrittweise der Befähigung näher bringen, auf eine Art zu denken, die es uns ermöglicht, uns selbst, Andere, unsere Umwelt und die diesen Dimensionen innewohnenden, wechselseitigen Beziehungen zu verstehen und im Anschluss zu Wort zu bringen, und dann erst, wenn dieses Verständnis zu einem soliden Fundament unserer Persönlichkeit geworden und in der Wärme unseres Lebens aufgegangen ist, das auszuarbeitende Thema hierzu in Kontext zu setzen. Das ist Lernen. Und das sollte es sein, was jede Lehrkraft in der Zeit, in der ihr Schüler:innen anvertraut werden, zur Maxime ihres Handelns erheben sollte. Das ist es auch, was einen Menschen, der die selbe Erfahrung dieses schwierigen Prozesses durchgemacht hat, von einem Chatbot unterscheidet, der zwar das Resultat, nicht aber den Prozess vermitteln kann.

Ob es aber wirklich so eine gute Idee ist, ChatGPT einfach zu sperren? Es gibt Stimmen dagegen. Sie vergleichen die Sperre des Chatbots mit den angeblichen Gefahren, die man von Google, der Wikipedia, von PCs und davor von Taschenrechnern ausgehen sah. Sie argumentieren aber auch, dass die „Arbeit“ des Chatbots nicht die eigentlich von Lehrer:innen zu beurteilende Leistung der Schüler:innen sein sollte. Und recht haben sie! Das einzige Element, das der Bot möglicherweise in Probleme bringt, ist das Beurteilungs- und Schulnotensystem, das Lehrer:innen anwenden (müssen), denn es misst offenbar nicht das, was es messen sollte (nämlich den Lernerfolg), sondern eine einmalig abgerufene, zu einem bestimmten Zeitpunkt gültige Leistung, die sich noch dazu mehr auf die Form und weniger auf den Inhalt einer Arbeit bezieht und den Prozess selbst völlig außer Acht lässt.

Es sollte also im Interesse der Lehrer:innen sein, den Fokus aufs Vermitteln der Lust am Lernen (Prozess) zu legen und nicht aufs formalisierte und stupide Abarbeiten von Tasks (Resultat). Dass das natürlich im Hinblick auf die Benotung deutlich komplexer und komplizierter wird (und damit einen ganzen Haufen sich in den Lehrerjob Geflüchteter vor unerwartete Herausforderungen stellt), Leistung auf einer Notenskala abzubilden, liegt auf der Hand. Aber das ist ja ohnehin seit Jahren (auch bei uns in Österreich) ein Thema.

The best way to discourage students from using ChatGPT and building up their critical writing skills is by assigning them work that is inviting them to explore things worth knowing, and moving away from teaching formulaic writing based on strict rubrics. […] We’ve trained a whole generation of kids to pursue rubric points and not knowledge […] and of course, if what matters is the point at the end of the semester, then ChatGPT is a threat.

Adam Stevens (gekürzt und zusammengefasst)

Worin liegt also die Herausforderung, die ChatGPT nun an „Schule“ stellt? Offenbar weniger an den Lernerfolg der Schüler:innen als viel mehr an die unerträgliche Reformnotwendigkeit eines Ausbildungssystems, das an Schulnoten als Beurteilungsmittel festhält und, so mein Eindruck, am liebsten die Form und nicht den Inhalt, somit das Resultat bewertet und nicht den Prozess des Lernens unterstützt, was ein riesengroßer Fehler ist.

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