Kein Internet? Keine Anrufe!

Lieber keine Anrufe als kein Internet. Anrufe sind pfui, aber das wissen wir ja ohnehin schon seit langer Zeit.

Im Standard lässt sich Peter Zellinger zurecht über die Forderung der SPÖ, ein Recht auf Leben ohne Internet zu haben, aus. In der Begründung für diese Forderung werden vor allem ältere Menschen genannt, die „angeblich mit der Digitalisierung in allen Bereichen überfordert seien“, außer es geht um die fragwürdigen Telegramgruppen, in denen sie sich mit ihresgleichen austauschen, die Familien-WhatsApp-Gruppen, die sie tagaus, tagein benutzen, oder den Instagram-Feed, der mittlerweile ohnehin zu ihrer Nachrichtenquelle Nr. 1 avanciert ist. (Den letzten Teil schreibt nicht Peter Zellinger, der entwächst gänzlich meiner Beobachtung.) Aber darum geht es ja jetzt nicht. Es geht ums leidige Telefonieren. Und da sind wir, der Herr Zellinger und ich, uns in einem Punkt sehr einig:

Telefonanrufe sind […] nicht nur meist unnötig, sie sind auch grob unhöflich. Wir leben in einer Welt, in der sich Nachrichten in Form von Mails und DMs via Whatsapp, Signal und Telegram stapeln. Diese zu beantworten kostet viel Zeit, aber ich bin Herrscher darüber, ob und wann ich antworte. Ich kann selbst priorisieren, ich kann in meinem Workflow bleiben, meine Antworten ausformulieren und vielleicht noch einmal darüber nachdenken […] Außerdem habe ich die schriftlich übermittelte Information protokolliert. […] Ein Telefonanruf ist etwas anderes: Er muss sofort beantwortet werden, alles bleibt stehen und liegen, ein Telefonat erfordert vollen Fokus. Nach einem zehnminütigen Gespräch habe ich meist Informationen, die in eine zweizeilige E-Mail gepasst hätten. Diese Lebenszeit kommt nie wieder.

Peter Zellinger

Ein Telefonierverbot, also, wenn auch im Rahmen einer Glosse. Ich kann dieser Idee schon seit sehr langem etwas abgewinnen, denn in meiner Präferenzliste für die Kontaktaufnahme ist das Telefonieren sehr weit unten angesiedelt. Unangekündigte Anrufe sind störend, unhöflich und alarmistisch (mit ein paar wenigen Ausnahmen von Menschen, mit denen man gerne telefoniert; das sind aber die wenigsten). Daher ist ein Absatz wie der obige Balsam auf der Seele und Rückbestätigung des eigenen Wahrnehmens und Empfindens durch Dritte. Vielleicht bekommen wir es ja früher oder später hin, die Fremdkontrolle über unsere Verfügbarkeit wieder in den Griff zu kriegen.

Bei mir ist das Smartphone übrigens die längste Zeit untertags stummgeschaltet und lediglich ein kleiner, roter Punkt auf der Smartwatch macht mich gegebenenfalls darauf aufmerksam, dass jemand versucht hat, mich anzurufen. Der Rückruf erfolgt, wenn es mir passt. Und nicht selten antwortet mir das Gegenüber dann leicht gestresst, dass es jetzt nicht mehr möglich wäre; ob ein Rückruf in Ordnung sei, aber ich wäre ja vorhin nicht erreichbar gewesen als es gut ging.

Für dich gut ging, lieber Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin, für dich! Und das ist ja genau das Problem.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert