Pay or Okay ist nicht okay

Die Pay or Okay-Schranke des Standard hat weder vor der Datenschutzbehörde, noch vor dem Bundesverwaltungsgericht standgehalten. Ich bin gespannt, wie sich dieser Rückschlag für den Standard auf die Lösungen zur Monetarisierung von Journalismus online auswirken wird.

noyb, Max Schrems‘ Datenschutzorganisation, berichtet über das problematische Pay or Okay-Modell, mit dem der Standard die Einwilligung seiner Nutzerinnen und Nutzer einholt, damit sie die Zeitung ohne unmittelbare Kosten, dafür mit ihren persönlichen Datensätzen bezahlen können. Das ist offenbar so gar nicht okay, wie nach der Datenschutzbehörde nun auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

DerStandard […] war die erste Website, die […] ein sogenanntes „Pay or Okay”-Modell eingeführt hat. Anstatt den Nutzer:innen eine echte Wahl zu geben, können diese entweder ein monatliches Abonnement zu einem Preis von derzeit 9,90 € abschließen oder dem Online-Tracking durch hunderte Drittanbieter zustimmen. […] Laut Studien wollen nur 1–7 % aller Nutzer:innen für Online-Werbung getrackt werden […] bei „Pay or Okay“-Bannern stimmen jedoch 99,9 % der Nutzer:innen Online-Tracking zu. Wenn mehr als 90 % der Nutzer:innen anders entscheiden als sie tatsächlich wollen, kann von einerechten Wahl keine Rede sein. […] Das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat nun […] bestätigt, dass DerStandard keine gültige Einwilligung eingeholt hat.

noyb.eu

Die ganze Sache erinnert an die Chose, die Facebook ähnlich argumentiert und umgesetzt abzieht. Max Schrems findet zu beiden Pay or Okay-Modellen, die eine Art Fiktion von Entscheidungsfreiheit über ein von der DSGVO verbrieftes Grundrecht drapieren, klare Worte. Denn ja, wie sonst soll man eine „Freiheit“ benennen, die nur aus der Auswahl zwischen Bezahlen oder Tracking besteht?

Wir werden den Online-Journalismus nicht mit ein paar Cent pro Monat von Google Ads retten. Gleichzeitig untergräbt „Pay or Okay“ ein Kernkonzept der DSGVO – die freiwillige Einwilligung. Anstelle einer echten Wahlmöglichkeit für Nutzer:innen ergeben sich bei diesem System nordkoreanische Einwilligungsraten von 99,9 %. […] Wir sehen bereits jetzt, dass Instagram und Facebook den gleichen Ansatz verfolgen und nun für Grundrechte Gebühren verlangen.

Max Schrems

Das wird noch spannend, glaube ich, denn irgendwoher müssen die Einnahmen ja kommen und dieses Pay or Okay-Modell ist zwar verhasst, gleichzeitig aber doch auch akzeptiert. Eventuell schränkt der Standard seine frei – im Sinne von tatsächlich frei – verfügbaren Zugänge doch noch so ein, dass sie ohne absolute Bezahlschranke nicht mehr erreichbar sind? In dem Fall bin ich auf den Reichweitenverlust neugierig. Die Sache ist halt eine ungute Zwickmühle. Pay or Okay habe ich aber immer nur als Vorstufe zu einem viel ausgereifteren Bezahlmodell gesehen, das aber schon seit Jahren auf sich warten hat lassen. Vielleicht führt diese Bestätigung durchs Bundesverwaltungsgericht ja letzten Endes dazu, dass dem Standard hier ein neues Modell einfällt.

Es bleibt also spannend, der Branche beim Erfinden kreativer Lösungen zur Monetarisierung von Journalismus zuzusehen, während von (Risiko-) Kapitalgebern ultrahochfinanzierte Social Media-Giganten, in denen soetwas wie Nachrichten in die Feeds der Userinnen und User erbrochen werden, diese Feeds mit Werbung zukleistern und sich um auch nur den geringsten Aspekt von Wahrheit, Ausgewogenheit oder (journalistischer) Qualität einen Dreck scheren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Benachrichtige mich bei Reaktionen auf meinen Kommentar. Auch möglich: Abo ohne Kommentar.